Jahrgang 2014 Nummer 22

Der »Eherne Wehrschild« der Stadt Traunstein

Das Benageln von Kriegswahrzeichen – ein heute nahezu unbekanntes Massenphänomen / Teil I

Wiens »Eiserner Wehrmann« auf dem Schwarzenbergplatz.
Kaiser Karl der Große als »Salzburgs Wehrmann«.
Der Standschütze von Kufstein.
Einen Maikäfer, dem das Regiment seinen Spitznamen verdankt, benagelte der Verein der ehemaligen Berliner Garde-Füsiliere.
Die »Eiserne Gotha-Taube«.
Das »Eiserne U-Boot« in Hörnum auf Sylt.
In Pula (Istrien), Hauptkriegshafen Österreich-Ungarns, gestaltete man einen hölzernen Leuchtturm zum Kriegswahrzeichen in Eisen.
Ein Soldat reicht einer jungen Frau, die bewundernd auf ihn herabblickt, den Hammer, mit dem sie ein Eisernes Kreuz, geschmückt mit Bändern in den Farben der Reichskriegsflagge, benagelt. So transportierte die staatliche Propaganda das Massenphänomen der Nagelungen von Kriegswahrzeichen im Ersten Weltkrieg.

Am 28. Juni 1914 ermordete Gavrilo Princip, Mitglied einer jugoslawischnationalistischen Bewegung, in Sarajevo den Thronfolger Österreich-Ungarns, Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Gemahlin Sophie Chotek, Herzogin von Hohenberg. In einer ohnehin schon aufgeheizten politischen Stimmung löste das Attentat in der bosnischen Hauptstadt die Julikrise aus, an deren Ende Habsburg am 28. Juli Serbien den Krieg erklärte. Die unbedingte Bündnistreue des ansonsten isolierten Deutschlands zur Donaumonarchie (»Blankoscheck«) führte nahezu zwangsläufig zur Kriegserklärung an Russland (1. August) und Frankreich (3. August). Mit dem Kriegseintritt der belgischen Garantiemacht Großbritannien (»Schlieffen-Plan«) war ein lokaler Konflikt innerhalb weniger Tage zum Kontinentalkrieg eskaliert. Hundert Jahre sind seit dem Beginn dieses ersten weltweiten Völkermordens vergangen, an dessen Ende fast zehn Millionen tote und etwa 20 Millionen zum Teil schwerst verwundete Soldaten sowie noch einmal geschätzt sieben Millionen zivile Opfer standen.(1) Grund genug für das Stadtarchiv, sich in mehreren Beiträgen mit den lokalen Auswirkungen des Kriegsgeschehens zu befassen. Am Anfang soll dabei ein heute kaum mehr geläufiges Massenphänomen der damaligen Zeit stehen – das Benageln von Kriegswahrzeichen, kurz: Nagelungen. Was ist darunter zu verstehen?

Der Wiener »Stock im Eisen«

Als historisches Vorbild der Kriegsnagelungen gilt der »Stock im Eisen« in Wien. Es handelt sich um den mittleren Teil einer Fichte, der über und über mit Nägeln beschlagen wurde. Die erste urkundliche Erwähnung datiert auf das Jahr 1533. Noch heute steht er im Original am gleichnamigen Stock-im-Eisen-Platz 3, am Eck zwischen Graben und Kärntner Straße, dem sogenannten Palais Equitable. Man nennt solche Stämme auch Nagelbäume. Sie sind vor allem in Südosteuropa bekannt und finden sich in vielen Städten Ungarns, Rumäniens (Siebenbürgen) und anderen Ländern der ehemaligen Donaumonarchie. Der Wiener Stock-im-Eisen ist das älteste noch erhaltene Exemplar.

Um seine Entstehung ranken sich zahlreiche Mythen und Sagen, die vornehmlich aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammen. Schenkt man ihnen Glauben, dann hätte unter anderem der Teufel selbst den Stamm in Eisen gelegt. Sicher ist, dass durchreisende Schmiede und Schmiedgesellen erst ab 1715 begannen, sich mit einem Nagel in ihm zu verewigen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass es sich in seinen Ursprüngen um einen Zunftbrauch gehandelt hat. Die glaubwürdigste Theorie für die mittelalterliche Benagelung (die sich in ihrer Ausprägung deutlich von der späteren »Zunftbenagelung« unterscheidet) ist wohl der alte Brauch, Nägel in Kreuze, Bäume und sogar Felsen zum Schutz vor oder zum Dank für die Heilung von Krankheiten zu schlagen – als Votivgabe, ähnlich dem Brauch der Münz- oder Wünschelbrunnen. Jedenfalls waren Nägel im Mittelalter teures Gut, das man nicht achtlos vertat.(2)

Beginn, Verbreitung und Hintergründe der Kriegsnagelungen

Wien war auch der Ausgangspunkt der Kriegsnagelungen.(3) Am 6. März 1915 benagelte die Wiener Bevölkerung auf dem Schwarzenbergplatz einen überlebensgroßen »Eisernen Wehrmann«, der vor sich mit beiden Händen ein Kurzschwert hält und einem voll gepanzerten, mittelalterlichen Ritter nachempfunden ist. Josef Müllner (1879-1968), ein österreichischer Bildhauer, hatte ihn aus Lindenholz gefertigt.(4) Der Text auf der Rückseite der offiziellen Festpostkarte(5) kann als Blaupause für das in den darauffolgenden Wochen und Monaten epidemisch sich ausbreitende Nageln gesehen werden:

»Mit dem 'Wehrmann im Eisen' läßt der Witwen- und Waisenhilfsfond der gesamten bewaffneten Macht die altehrwürdige poetische Geschichte vom 'Stock im Eisen' zugunsten ergiebiger Fürsorge für die Waisen gefallener Helden neu aufleben. Gegen Erlag von wenigstens einer Krone ist jedermann berechtigt, sich durch Einschlagen eines Nagels in das am Schwarzenbergplatz in Wien aufgestellte Ritterstandbild an dieser Schaffung eines Kriegsdenkmales zu beteiligen. Dieser Ritter soll also im wahren Sinn des Wortes 'in Eisen gehüllt' werden und in 'Eisen starrend' eine immerwährende Erinnerung an das Kriegsjahr 1914/15 und daran sein, daß wir in dieser schweren Zeit für die Hinterbliebenen unserer Helden sorgten. Damit aber späteren Geschlechtern ein unzweifelhafter Beweis in Händen bleibt, daß ein Vorfahr an dieser Aktion mitwirkte, erhält jeder Teilnehmer ein Gedenkblatt, das sich in der Familie vererben soll; außerdem wird der Name in ein Gedenkbuch eingetragen, welches die Stadt Wien aufbewahrt.«

Wir haben: ein Bildnis aus Holz, das erst durch die Benagelung äußerlich zu Eisen wird und so seinen Denkmalcharakter auf Dauer erhält; einen wohltätigen Zweck, dem sich die Bevölkerung, aber auch Vereine, Behörden und Verbände kaum verschließen wollen und können; Dokumente (Gedenkblatt, Gedenkbuch), welche die Teilnahme aktuell und für »spätere Geschlechter« belegen; eine (gerne auch mehrere)(6) Postkarte(n), die Bilder des Denkmals und/oder des Nagelungsereignisses in die Welt hinaustragen und deren Verkauf nebenbei auch das Spendenaufkommen erhöht; schließlich die üblichen Phrasen, mit denen zu diesem Zeitpunkt vor allem das gehobene städtische Bürgertum den Krieg verherrlicht, hier in der Form, dass jeder gefallene Soldat natürlich per se ein Held ist. Genau nach diesem Muster veranstaltete man in den Jahren 1915/16 zahllose Nagelungen in Deutschland, wo Darmstadt am 23. April 1915 den Anfang machte. Aber auch die verschiedenen Regionen der österreichischen Donaumonarchie, ebenso Istanbul, Hauptstadt des verbündeten osmanischen Reichs und sogar deutsche Vereine in den USA verschlossen sich diesem Schauspiel nicht. Selbst an der Front war es vereinzelt zu beobachten.

Motive

Benagelt wurde, es wäre übertrieben zu sagen alles, aber doch mehr, als man sich gemeinhin vorstellt. Oft trifft man auf Eiserne Kreuze, Wehrschilde, Stadtwappen oder Wehrsäulen. Aber auch die Anzahl deutlich aufwändigerer, vollplastischer Figuren ist bemerkenswert: Wehrmänner und Soldaten, etwa der »Standschütze von Kufstein«, historische oder sagenhafte Gestalten wie Kaiser Karl der Große als »Salzburgs Wehrmann« oder die »Eiserne Ratisbona« von Regensburg, aber auch noch lebende Persönlichkeiten – Berlin hatte mit dem gut zwölf Meter hohen »Eisernen Hindenburg« die größte deutsche Nagelfigur anzubieten – waren im Katalog menschlicher Vorlagen zu finden. Selbstverständlich waren auch Tiere im Angebot, etwa der »Eiserne Rabe zu Merseburg« (Sachsen-Anhalt) oder »Vinschgaus Adler in Eisen« in Schlanders (Südtirol); selbst vor Maikäfern wurde kein Halt gemacht, wie die Nagelung des Vereins ehemaliger Garde-Füsiliere Berlin-Nord am 18. August 1915, an deren Ende ein »Eiserner Maikäfer« stand, belegt.(7) Vereinzelt wurden auch Türen benagelt, so die Rathaustüren von Landshut (Verbleib unbekannt) und Wasserburg (bis heute in Gebrauch).

Interessant wird es bei den sonstigen Nagelobjekten. Hier trifft man unter anderem auf die »Eiserne Gotha-Taube«, ein ab 1913 in der Thüringer Waggon-Fabrik gebautes Flugzeug, das im Krieg London und Dover überflog und bombardierte (heute im Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde, Schloss Friedenstein) und auf das »Eiserne U-Boot in Hörnum auf Sylt, »aus einem als Strandgut angeschwemmten Eichenblock herausgeschnitten und auf einer angetriebenen englischen Seemine befestigt« (Verbleib nach Kriegsende unbekannt).(8) In Pula, einer beeindruckenden Festung an der Südspitze Istriens (Kroatien), damals Hauptkriegshafen der K.-u.-k-Monarchie, verzierte man ab dem 2. Dezember 1915 sogar einen Leuchtturm mit Nägeln. Und trotz der großen Entfernung wird uns gerade diese Nagelung, genauer gesagt, der rückseitige Text einer im Traunsteiner Stadtarchiv aufbewahrten Fotopostkarte, zu Traunsteins »Ehernem Wehrschild« geleiten.

Niemand hat je von sowas gehört

Der Verfasser kam erstmals im November 1992 in näheren Kontakt mit diesem Thema, als er die schriftliche Anfrage eines Hobbyforschers vorliegen hatte: »Und zwar geht es mir um die Erfassung von Denkmälern besonderer Art aus der Zeit des I. Weltkrieges. Das waren die sogenannten 'Nagelungen'. Darunter verstand man ab 1915 Aktionen in den Städten und Gemeinden, bei denen Holzdenkmäler aufgestellt wurden. In denen durften die Bürger eiserne Nägel einschlagen, nachdem sie eine Geldspende für das Rote Kreuz oder andere Wohlfahrtseinrichtungen im Kriege entrichtet hatten. Meine Frage: Hat es in Traunstein damals auch so eine Nagelung gegeben?«(9) Hatte es, darüber gaben die Unterlagen des Stadtarchivs(10) umfassend Auskunft, und die entsprechenden Details der Traunsteiner Nagelung, die im zweiten Teil dieses Aufsatzes ausführlich geschildert werden, konnten dem Anfragenden rasch und zu seiner Zufriedenheit übermittelt werden.

Mitgeteilt (und später in Kopie zugesandt) wurde dem Benutzer zudem, dass sich im Stadtarchiv eine Sammlung von weit über 100 – genau sind es 155 – Bildpostkarten mit Nagelungsmotiven aus verschiedensten Städten und Orten Deutschlands und auch Österreich-Ungarns befindet. Wie waren diese nach Traunstein gelangt? Darüber gibt nun die Rückseite der vorerwähnten Karte Auskunft: »Da ich selbst die Karten der 'Eisernen Wahrzeichen' sammle, freue ich mich über die mir zugekommene Traunsteiner Karte und sende [Ihnen] 3 Ansichten unseres Leuchtturms, der binnen 2 Monaten das schöne Ergebnis von über 100 000 Kronen eingebracht hat. Die Präsidentin der Kriegsfürsorge in Pula, Helene von Chmelarz, Admirals- Gattin.« Adressiert war diese an Josef Angerer, den späteren Begründer des Traunsteiner Heimathauses.11 Er war der »mastermind«, der Vordenker und Drahtzieher der hiesigen Aktion, an deren Ende die Verantwortlichen Traunsteiner Nagelungskarten in alle Welt hinaus schickten, die erbetenen Antwortkarten sammelten und aufbewahrten. Sie liegen inzwischen, alphabetisch nach Orten sortiert und datiert, im Stadtarchiv und können dort von jedem Interessierten gerne eingesehen werden.(12)

Zu ihnen zählte Dr. Gerhard Schneider, Professor an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg, der sich 1995 mit einem Fragebogen zu »Kriegswahrzeichen « an das Stadtarchiv wandte. Natürlich erhielt auch er die vorab geschilderten Informationen und bedankte sich dafür mit folgendem Schreiben: »Ihre Postkartensammlung ist deshalb so wertvoll, weil mit ihrer Hilfe Stadtarchive und Stadtmuseen überhaupt erst auf die Existenz eines solchen Objektes in ihrer Gemeinde hingewiesen werden können. Von mehreren Stadtarchivaren erhielt ich die Auskunft, daß ein derartiges Objekt in ihrer Gemeinde nie existiert habe. Eine Postkarte aus Ihrer Sammlung beweist hier das Gegenteil.«(13) Seine gesammelten Erkenntnisse, Ergebnis einer fast 20-jährigen Forschertätigkeit, publizierte Schneider 2013 in dem Werk »In eiserner Zeit«, ein Katalog mit über 1000 Nagelungen (von einer hohen Dunkelziffer ist auszugehen), die er allein in Deutschland nachweisen konnte, verteilt auf 400 Seiten, dazu ein die Grundlagen exzellent darstellender Vorspann auf knapp 100 Seiten.(14) Einleitend wundert sich der Autor dort über das flächendeckende Vergessen (»Keiner weiß etwas über das Nageln!«), obwohl »eine nicht geringe Zahl der Nagelobjekte heute noch existieren«. Und er beklagt das Desinteresse, das seinen Anfragen nicht selten entgegengebracht wurde. »Mein Fragebogen, den ich im Zuge meiner Recherchen an Kommunalarchive, Stadtverwaltungen, Museen, Kirchengemeinden u .a. verschickt habe, stieß vielfach auf Unverständnis. 'Kriegswahrzeichen sind hier nicht einmal dem Begriff nach bekannt' (Stadtarchiv Unterhaching); das Nageln von Kriegswahrzeichen 'ist hier gänzlich unbekannt' oder 'Kriegswahrzeichen dieser Art hat es hier niemals gegeben' oder 'an Derartiges kann sich hier niemand erinnern'. So schickte mir z. B. die Verbandsgemeinde Kusel meinen Fragebogen mit der empört klingenden Bemerkung zurück: 'Alles unbekannte Dinge, niemand hat je von sowas gehört! Kein Archiv hat so etwas!' […] Derartige Antworten kamen auch aus solchen Gemeinden, in denen nachweislich genagelt wurde.«(15)

Was in den Fällen mangelnder Kooperationsbereitschaft jeden Einzelnen bewogen haben mag, sich der Mitarbeit zu verschließen, bleibt rätselhaft. Angesichts einer maßlosen Propaganda, die den Krieg begleitete und seine Grausamkeiten verharmloste und verschleierte, sind Nagelungen mit Sicherheit nichts, wofür man sich heute noch schämen oder das man verleugnen müsste. Wobei Scham und Verleugnung der objektiven Darstellung historischer Ereignisse ohnehin entgegenstehen.

Tatsache ist jedenfalls, dass die Nagelungen, so schnell und so rasend sie sich verbreitet hatten, genauso schnell das öffentliche Leben wieder verließen. Der Kriegsverlauf 1916 (Schlacht um Verdun, 21. Februar bis 19. Dezember; Schlacht an der Somme, 1. Juli bis 18. November) mit Opferzahlen in bislang nicht vorstellbarer Höhe setzte der Euphorie ein Ende, und tatsächlich erfuhr das Nageln in der zweiten Hälfte dieses Jahres einen raschen Niedergang. »Der Zuspruch zum Nageln wurde zum Gradmesser für die Stimmungslage der Bevölkerung.«(16) Fortan sind kaum mehr Aktionen nachweisbar. Die letzte derzeit bekannte Nagelung eines Eisernen Kreuzes in Aerzen (Niedersachsen) datiert auf Januar 1918, und im Verlauf des II. Weltkriegs war dieser Brauch bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht mehr verbreitet.(17) Die vormals in den patriotischen Himmel gehobenen Denkmäler waren zerstört, gingen verloren oder gerieten im besten Fall in Vergessenheit. Und – Hand aufs Herz: Welcher Traunsteiner, selbst wenn er sich für Heimatgeschichte begeistert, »hat je von sowas gehört« und kann heute noch etwas mit dem Begriff »Ehernes Wehrschild« anfangen?

Die Pfalz als Vorbild

Als sich der – vor allem finanzielle – Erfolg im Frühsommer 1915 mehr und mehr abzeichnete, erschien um den 1. August in nahezu allen Tageszeitungen ein Aufruf der »Nationalgabe Nagelung von Kriegswahrzeichen« unter der Schirmherrschaft Paul von Hindenburgs, der zur Errichtung von Nagelungsobjekten aufforderte.(18) In der örtlichen Presse, der Oberbayerischen Landeszeitung und dem Traunsteiner Wochenblatt, konnte ein solcher nicht ermittelt werden. Allerdings findet sich in den Lokalspalten beider Organe am 12. August ein wortgleicher Bericht zum Thema »Eiserne Wahrzeichen«, dem man einen Zusammenhang mit dem Hindenburg- Aufruf kaum absprechen kann:

»Dem Beispiel der in Österreich aufgestellten 'Eisernen Ritter' folgend veranstalten nun auch bei uns im Lande wie im Reiche eine große Anzahl von Städten die Beschlagung hölzerner Figuren mit Nägeln zugunsten irgendwelcher Kriegshilfszwecke. In unserer Nachbarstadt Salzburg haben die Nagelbeschläge an 'Kaiser Karl dem Großen' (Plastik von A. Aicher) bereits eine Höhe von nahezu 40 000 Kronen erreicht. Die Nagelung des am Schloßplatze in Berchtesgaden aufgestellten 'Eisernen Kreuzes' hat bis jetzt über 3900 Mark ergeben. Für die 'Eiserne Tanne' im Werdenfelserland waren schon vor der Vornahme der feierlichen Nagelung 2000 Mark gezeichnet. Regensburg beging den Tag der Mobilmachung mit der feierlichen Aufstellung der 'Eisernen Ratisbona'. [Weitere Orte folgen.] Auf Anregung der Ortsgruppe Neustadt a. H.(19) des Vereins Pfälzischer Künstler und Kunstfreunde wurde in dieser Stadt die Beschlagung eines hölzernen 'Stadtwappens' mit Nägeln veranstaltet. Diese Idee, für unsere tapferen Krieger und namentlich auch ihre Angehörigen Opfer zu sammeln, dürfte wohl keinem deutschen Orte allzu schwer fallen; wenn es auch gerade kein 'Eiserner Ritter' ist, so kann sich auch durch ein 'Eisernes Wappen' der Opfersinn der Bevölkerung zeigen. Wie wir vernehmen, soll nach letzterem Vorschlage solch ein Eisernes Gedenkzeichen an die Eiserne Zeit auch bei uns in Traunstein demnächst erstehen, worüber wir in Bälde […] berichten werden.«


Franz Haselbeck


Anmerkungen:
1 Wikipedia, Stichwort Erster Weltkrieg (http://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Weltkrieg; Zugriff am 14.4.2014).
2) Die Fichte des späteren Stock-im-Eisen begann etwa um 1400 zu wachsen und wurde ca. 1440 gefällt. Die Verjüngung in der Mitte des Stammes (er ist durch fünf Metallbänder gestützt) rührt von Axtschlägen her. Die Benagelung setzte ein, als der Baum noch lebte. Der Stamm ist 2,19 m hoch und steht auf einem Sockel aus tschechischem Hornblende-Granit. 1548 befand er sich bereits an einem der Häuser am heutigen Stock-im-Eisen-Platz (http://de.wikipedia. org/wiki/Stock-im-Eisen_(Wien); Zugriff am 14.4.2014).
3) Diese Tatsache gilt als unstrittig, obwohl es schon einige Monate zuvor bis zurück in den September 1914 kleinere Nagelaktionen von Stammtischgesellschaften gab.
4) Ehrenbürger und Kulturpreisträger seiner Geburtsstadt Baden bei Wien, Ehrenbürger von Wien; Person und Werke sind heute wegen seiner Unterstützung des Nationalsozialismus in den Jahren 1938 bis 1945 stark umstritten (http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_M%C3-%BCllner; Zugriff am 15.04.2014).
5) Der Wehrmann befindet sich heute in einer Arkadennische des Felderhauses neben dem Wiener Rathaus (http://www.viennatouristguide.at/Ring/Denkmal_Bild/z_wehrmann. htm; Zugriff am 15.04.2014); zur Festpostkarte siehe Anm. 12.
6) Der »Kölsche Boor [= Bauer] in Eisen«, eine über drei Meter hohe, monumentale Figur, war innerhalb Deutschlands nicht nur führend im Spendenaufkommen pro Kopf der Bevölkerung, sondern auch in puncto Öffentlichkeitsarbeit / Vermarktung, was 14 (!) verschiedene, zum Teil farbige Bildpostkarten allein in der Sammlung des Stadtarchivs (siehe Anm. 12) eindrucksvoll unterstreichen. 7) Zurückgehend auf den Spitznamen des Garde-Regiments (»Es lebe hoch das Regiment, welches sich mit Stolz Maikäfer nennt!«) aufgrund seiner bunten Uniform (freundl. Auskunft von Herrn Siegfried Knütter, Frankfurt a. M., Dezember 1992; siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Garde-F%C3%BCsilier-Regiment; Zugriff am 16.04.2014).
8) Schneider, In eiserne Zeit (siehe ausf. Anm. 14).
9) StA TS, Benutzerakt (BA) Nr. 223, Anfrage Siegfried Knütter v. 12.11.1992.
10) Sie werden im Sammlungsbestand des Stadtarchivs unter DOK (= Dokumentationen) Nr. 13 verwahrt. Es handelt sich hierbei überwiegend um einen städtischen Akt, der dem Bestand Akten 1870-1972 zuzuordnen wäre, allerdings erst in jüngerer Zeit (woher, ist nicht bekannt) wieder an das Archiv zurückgelangt ist. Falls nichts anderes genannt ist, belegt diese Quelle die weiteren Anmerkungen.
11) Josef Angerer, geboren am 10. Mai 1882 in Traunstein als Sohn der Zieglerwirtseheleute Joseph Anton Angerer (1852-1883) und dessen Ehefrau (Heirat 1881) Elisabeth (»Elise«), geborene Hölzl (1858-1936). Angerer studierte an der Technischen Hochschule in München, kam 1909 als Diplom-Ingenieur nach Traunstein zurück und erhielt hier am 14. November das Bürgerrecht verliehen. Der seit Jugend an bekennende Heimatfreund arbeitete kurzzeitig als Architekt, war aber zeitlebens eingeschränkt durch seine labile Gesundheit, die auch einen aktiven Wehrdienst verhinderte. Stattdessen engagierte er sich in vielfältiger Weise in seiner Vaterstadt für seine Studiengefährten, Freunde und Bekannten an der Front sowie für soziale Belange. Er verstarb am 7. November 1918 »nach längerem, schweren, mit größter Geduld ertragenen Leiden« (Todesanzeige v. 8.11.1918). Ihm verdankt die Stadt die Schenkung des Zieglerwirtshauses (Stadtplatz 3) zum Zwecke der Einrichtung eines Museums, ein Wunsch, den seine Mutter mit notarieller Urkunde v. 19. März 1919 vollzog. Siehe auch: Hugo Zumpf, Die Geschichte der Angerer (Jahrbuch des Historischen Vereins für den Chiemgau zu Traunstein 1990, S. 21-41; im Anhang Stammtafel); Franz Haselbeck, Vom Wirtshaus zum Museum (wie vor, S. 3-20).
12) Als Selekt »Nagelungen« Teil der Postkartensammlung des Stadtarchivs.
13) StA TS, BA 223, Anfrage Gerhard Schneider, Freiburg, v. 25.8.1995.
14) Gerhard Schneider, In eiserner Zeit. Kriegswahrzeichen im Ersten Weltkrieg – Ein Katalog, Schwalbach am Taunus 2013 (512 S., mit Bilder-CD). Neben diesem grundlegenden Werk findet sich im Internet eine umfassende alphabetische Auflistung von Kriegsnagelungen, zusammengestellt von Dietlinde Munzel-Everling (Stand 2012). Der entsprechende Link (http://www.munzel-everling.de/pr_nag.htm) ermöglicht den Zugriff auf zwei Aufsätze der Bearbeiterin: Kriegsnagelungen, auch Wehrmann in Eisen, Nagel-Roland, Eisernes Kreuz, Wiesbaden 2008; Kriegsnagelungen in Schulen, Wiesbaden 2010.
15) Schneider, a.a.O., S. 8-9.
16) Schneider, a.a.O., S. 90.
17) Munzel-Everling, Kriegsnagelungen, auch Wehrmann in Eisen, wie Anm. 14, S. 3-4.
18) Schneider, a.a.O., S. 48.
19) Neustadt an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz), bis 1936 Neustadt an der Haardt.

 

 

22/2014


Teil II in den Chiemgau-Blättern 23/2014