Der Chiemseehof und seine Geschichte
Als es noch ein Chiemseebistum mit einem eigenen Bischof gab





Der Chiemseehof ist weder ein Hotel noch steht er im Chiemgau. Er ist vielmehr die einstige Residenz der Chiemseebischöfe und steht in der Salzburger Altstadt. Heute ist er der Sitz der Salzburger Landesregierung und die Tagungsstätte des Salzburger Landtags.
Die Vorstellung von einem Chiemseebistum mit einem eigenen Chiemseebischof mag uns heute merkwürdig vorkommen. Tatsächlich gab es beides länger als sechs Jahrhunderte, 45 Chiemseebischöfe sind uns mit Namen überliefert. Dazu muss man wissen, dass das damalige Fürsterzbistum Salzburg in früherer Zeit eine viel größere Ausdehnung hatte als heute und weit in die Nachbarländer hineinreichte. Es erstreckte sich bis nach Ungarn und nach Tirol. Dass ein solches Riesenbistum schwierig zu leiten war, leuchtet ein. Deshalb verfuhren die Salzburger Fürsterzbischöfe nach dem alten Grundsatz »Teile und herrsche!« indem sie ihre große Diözese in kleinere Eigenbistümer aufteilten mit je einem Bischof an der Spitze. Er wurde vom Erzbischof persönlich und nicht von Rom ernannt und fungierte auch als Salzburger Weihbischof. In der Regel stammte der Kandidat aus dem Kreis der Domherren und war Spross einer alten Adelsfamilie. Das Chiemseebistum war nach dem Bistum Gurk (Klagenfurt) das zweitälteste der Salzburger Eigenbistümer, später folgten noch die Bistümer Seckau (Graz) und Lavant (Marburg).
Nach der Stiftungsurkunde aus dem Jahre 1213 verlief die Grenze des Chiemseebistums zwischen der Herren- und Fraueninsel hindurch, dann westlich an Gstadt vorbei über Gollenshausen und Eggstätt nach Endorf und von dort in südlicher Richtung nach Hirnsberg, Söllhuben, Frasdorf, Sachrang, Scheffau und Söll, von hier weiter nach Hopfgarten zum Pass Thurn, dann entlang der heutigen Landesgrenze zwischen Salzburg und Tirol nach Hochfilzen über Pillersee, Waidring und Erpfendorf zum Südufer des Chiemsees und von dort zurück zum Ausgangspunkt.
Eine Besonderheit des Chiemseebistums bestand darin, dass es zum größten Teil auf bayerischem Territorium lag, das heißt, dass der bayerische Herzog – später der Kurfürst – der zuständige Landesherr war. Das führte zu mancherlei Querelen. Wenn der Bischof von Salzburg aus in sein Bistum reisen wollte, musste er immer die bayerische Grenze passieren und wurde behandelt wie ein gewöhnlicher Reisender.
Insgesamt zählte das Chiemseebistum etwa 35 000 Seelen mit 10 Pfarrorten und etwa einhundert Priestern, die Hälfte davon Ordensgeistliche. In den Pfarreien setzten die Chiemseebischöfe die jeweiligen Pfarrer ein, weihten Kirchen und Kapellen, erteilten Ablässe und veranstalteten Synoden. Die Pfarreien auf bayerischem Territorium waren:
Pfarrei Chiemsee mit den Filialen Holzkirchen und Breitbrunn;
Prien am Chiemsee mit den Filialen St. Salvator, St. Florian, Frasdorf, Umrathshausen, Rimsting, Urschalling, Höhenberg, Niederaschau, Sachrang, Bernau und Hittenkirchen;
Eggstätt mit Stephanskirchen bei Hemhof, Teisenham, Jolling, Patersdorf, Endorf, Mauerkirchen, Antwort, Zell, Langbürgen und Gollenshausen;
Söllhuben mit Pietzenkirchen, Hirnsberg und Thalkirchen;
Grassau mit Rottau, Unterwössen, Raiten, Schleching, Egerndach, Mietenkam, Westerbuchbarg, Übersee, Almau sowie die Burgkapelle in Marquartstein, die Schnappenkapelle und die Streichenkapelle.
Auf der Salzburger Seite gehörten zum Bistum Chiemsee die Pfarrei Söll mit Ellmau, Niederau und Scheffau, die Pfarrei St. Ulrich am Pillersee mit Fieberbrunn, die Pfarrei Brixen im Brixentale mit Hopfgarten, Kirchberg und Westendorf, die Pfarrei Kirchdorf im Leukental mit Reit im Winkl, Kössen, Schwendt und Waidring sowie die Pfarrei St. Johann in Tirol mit Aurach, Jochberg, Going, Oberndorf, Reith und Kitzbühel.
Eine zweite Besonderheit betraf die Residenz des Chiemseebischofs. Er hatte gewissermaßen zwei Dienstorte, einen geistlichen und einen weltlichen. Der Chiemseehof in Salzburg war sein Wohnsitz, aber seine bischöfliche Kathedrale war die Stiftskirche der Augustiner-Chorherren auf der Herreninsel. In dieser Doppelstellung kam zum Ausdruck, dass er zwar als Bischof für den Chiemgau amtete, dass er aber gleichzeitig Untergebener des Salzburger Fürsterzbischofs war und ihm jederzeit zur Verfügung zu stehen hatte – deshalb die Residenz in Salzburg. Ohne Zustimmung seines Landesherrn war es ihm nicht gestattet, Salzburg zu verlassen.
Den Chiemseehof hatte Erzbischof Eberhard II. im Jahre 1216 von einem Salzburger Dienstmann erworben. In jener Zeit lag das Haus noch außerhalb der Stadtmauern. Es wurde mehrfach erweitert, erhielt eine Hauskapelle und eine geräumige Gartenanlage. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts brannte das Gebäude ab, wobei auch das Archiv den Flammen zum Opfer fiel.
Der folgende Neubau veränderte das bisherige Aussehen und verlieh dem Chiemseehof die heutige Gestalt. Er erhielt vier Geschoße mit einem großzügigen Treppenhaus und fürstlichen Wohnräumen. Der wertvollste Raum ist das Turmzimmer, die ehemalige Bibliothek mit dem Kupferstichkabinett. Seine Wände sind zur Gänze holzvertäfelt und mit gerahmten Kupferstichen geschmückt. Auf der Decke zeigt ein Gemälde eine allegorische Darstellung der Gottesfurcht als Anfang aller Weisheit.
Im langen Vorbau befanden sich neben dem großen Einfahrtstor aus Sandstein die Wohnung des Hofrichters, die bischöfliche Kanzlei und mehrere Gästezimmer. Vor dem Portal war immer eine militärische Ehrenwache postiert um anzuzeigen, dass der Chiemseebischof neben seiner geistlichen Würde auch das weltliche Amt eines Salzburgischen Statthalters und Vertreters des Landesherrn bekleidete. Der Posten wurde verdoppelt, wenn der Fürsterzbischof länger von Salzburg abwesend war.
Der Zusammenbruch der Reichskirche und die Säkularisation brachten auch den Untergang des Chiemseebistums. Der letzte Bischof Sigmund Christoph Graf von Zeil und Trauchburg musste im Chiemseehof am 16. Juni 1808 seine Abdankungsurkunde unterschreiben. Die meisten Pfarreien fielen an das Erzbistum München-Freising, die südlich gelegenen Pfarreien an Salzburg.
Eine Zeitlang diente der Chiemseehof als Residenz für den Salzburger Erzbischof. Als Salzburg ein Kronland der k.u.k. Monarchie wurde, fanden hier die Plenarsitzungen des Landtags statt. Das ist bis heute so geblieben. In den über einhundert Räumen des Chiemseehofs sind Repräsentationszimmer, Klubräume, Abgeordnetenbüros und zentrale Verwaltungsstellen untergebracht. Dass die alten Mauern auch ein gewisses Gefährdungspotential in sich bergen, erwies sich im Jahre 2011, als im Büro der damaligen Landeshauptfrau Gabi Burgstaller an der Decke Risse auftraten. Der Raum musste mit Metallstützen gesichert und vorübergehend geschlossen werden, bis die Schäden behoben waren.
Julius Bittmann
18/2014