Der Chiemsee-Bischof Georg Altdorfer
Der Bischofsthron auf der Insel Herrenchiemsee als Sitz des Landshuter Bischofs

Epitaph für Georg Altdorfer Martinskirche in Landshut

Das ehemalige Chiemsee-Kloster nach einem Wening Stich um 1700

Der Innenhof des ehemaligen Augustiner Klosters
In der St. Martinskirche in Landshut ist an der Wand der Altdorferkapelle ein Gedenkstein für den Stifter, Georg Altdorfer, eingelassen. Wir sehen den auf einem Betstuhl knieenden Bischof. Die Mitra auf seinem Haupt und das Pluviale, der priesterliche Rauchmantel, sind Zeichen seiner bischöflichen Würde. Der Mantel trägt am Saum neben einem Lobpreis auf die Himmelskönigin als Inschrift den Namen des Meisters dieses Denkmals. Es ist Johannes Beierlein aus Augsburg. Zum Bischofsamt gehört auch der Stab, den der hinter ihm stehende Diakon hält. In der linken und rechten oberen Ecke des Gedenksteins sind die Wappen der Familie und des Bistums Chiemsee angebracht.
Über dem Betstuhl öffnet sich ein Fenster, aus dem ein Mann in den Raum blickt. In einer Nische darunter liegen auf einem Brokatteppich ein Rosenkranz, eine Brille und einige Bücher. Während der Bischof das Geheimnis des Fensterguckers mit in sein Grab genommen hat, sind Rosenkranz, Brille und Bücher Zeichen der Frömmigkeit und der Gelehrsamkeit, die den Bischof auszeichneten.
Der in Landshut wohnende Autor, der dem Chiemgau sein Buch »Geschichte und Geschichten aus dem Chiemgau« gewidmet hat und regelmäßig Beiträge für die Chiemgau-Blätter schreibt, hat Material für den auch mit der Landshuter Geschichte eng verbundenen Georg Altdorfer zusammengetragen. Die Lebensgeschichte Altdorfers dürfte auch für die Leser der Chiemgau-Blätter von Interesse sein, weil sie einen Einblick in die Geschichte des Chiemsee-Bistums und eines seiner bedeutenden Bischöfe gewährt.
Ein Geburtsdatum Altdorfers ist den Quellen nicht zu entnehmen. 1446 beginnt er sein geistliches Studium an der Wiener Universität, setzt dieses 1452 in Bologna fort und wird am 29. 6. 1456 zum Doktor des Kirchenrechtes promoviert. 1476 treffen wir Georg Altdorfer als Kanzler am Hofe des Erzbischofs von Salzburg. 1478 wird er zum Bischof von Chiemsee geweiht und erhält in Ausübung dieses geistlichen Amtes den Chiemseehof in Salzburg als amtlichen Sitz übertragen.
Die Lebensgeschichte Georg Altdorfers ist mit dem in der Säkularisation untergegangenen Chiemseebistum eng verbunden. Georg Altdorfer war das Bistum von 1477 bis 1495 anvertraut worden. Er regierte dort als 23. Bischof, nachdem Erzbischof Eberhard von Salzburg 1215 das Bistum gegründet hatte. Eberhard von Salzburg hatte das Chiemseebistum aus dem Salzburger Erzbistum herausgelöst und ihm eine beschränkte Selbständigkeit gewährt. Da ihm offensichtlich sein Reich zu groß geworden war, besann er sich auf den alten Grundsatz, dass Teilen eine Herrschaft zu stärken vermag. So gliederte er neben dem Chiemseebistum noch drei weitere, in Österreich gelegene, Bistümer aus seinem Herrschaftsbereich aus.
Das Gebiet des neu eingerichteten Chiemseebistums war ohnehin groß genug, so dass es von einem Bischofsthron aus regierbar war. Seine Grenzen verliefen von Prien am Chiemsee nach Söllhuben bis zum Pass Thurn in Tirol und über das Achental wieder zurück zum Chiemsee. Dieser Herrschaftsbereich stand Georg Altdorfer aber nicht uneingeschränkt zu. Zum einen wollte der Erzbischof von Salzburg die Zügel nicht ganz aus der Hand geben. Zum anderen sah sich Altdorfer aber auch durch die Augustiner-Chorherrn in Herrenchiemsee eingeschränkt. In Salzburg hatte der Erzbischof den Chiemseehof als ständigen Sitz der Chiemseebischöfe bestimmt und zusätzlich noch den Altdorfer zu seinen Kanzler ernannt, um so zum ausgegliederten Bistum noch eine Machtbeziehung zu unterhalten. Am Chiemseehof in Salzburg, dem heutigen Sitz der Landesregierung, erinnert noch eine Steintafel an die Herrschaft der Chiemseebischöfe in diesem Gebäude.
Georg Altdorfer musste sein Amt als Chiemseebischof mit großem Fingerspitzengefühl verwalten. Hier dürfte ihm diese Eigenschaft zugute gekommen sein, die ihn später dazu befähigte, sich als Mann des Ausgleichs zu bewähren. Auch das Chiemseekloster hatte seinen territorial abgesicherten Herrschaftsbereich. Der Propst des Augustiner-Chorherrn-Klosters Herrenchiemsee hatte seit 1130 auch das Amt eines Archidiakons inne. Dieses vom Klostervorsteher getrennte Amt schloss das Recht der Rechtsprechung und der Strafgewalt in seinem Herrschaftsbereich mit ein. Vom Archidiakon konnten auch Priesterstellen neu besetzt werden. Das war schon wegen der damit zusammenhängenden Pfründe eine lukrative Aufgabe.
Das Archidiakonat Herrenchiemsee, das von 1130 bis zur Säkularisation 1803 bestand, erstreckte sich über ein Territorium, das weit über den Chiemseer Bistumsbereich, ja sogar über die Grenzen des Salzburger Fürstbistums hinausgriff. Es leuchtet ein, dass Herrschaftsbereiche von so unterschiedlicher Struktur und Flächenausdehnung Ansätze zu Konflikten boten. Bischof Georg Altdorfer hatte in seinem Amt eine besondere Fähigkeit entwickelt, diese Konflikte zu lösen. Dies zeichnete seine Persönlichkeit in besonderer Weise aus. Der Erzbischof von Salzburg einerseits und der Archidiakon des Chiemseeklosters andererseits waren also Felsenriffe, zwischen denen Altdorfer sein Schiff geschickt hindurchsteuern musste.
Die Abhängigkeit vom Salzburger Erzbischof mochte Altdorfer als eine Last empfunden haben. Aber auch auf der Herreninsel war seine Position nicht derart, dass er sich hier zu Hause fühlen konnte. Rein rechtlich gesehen, hatte der Bischof seinen Sitz auf der Herreninsel. Tatsächlich bestand dieser Sitz aber nur in einem Bischofsthron im Dom zu Herrenchiemsee, der diesem Recht nur eine symbolische Bedeutung gab. Kloster und Kirche auf der Herreninsel standen im Eigentum der Augustiner-Chorherrn und der Bischof musste sich mit der Rolle eines nicht immer gern gesehenen Gastes begnügen.
Mochte sich auch Bischof Altdorfer über diese Einschränkung seiner Machtposition geärgert haben. Die Chorherren von Herrenchiemsee wussten daraus Kapital zu schlagen. Sie sonnten sich in den Strahlen des erzbischöflichen Glanzes und nannten sich Domherren, obwohl sie mit der Verwaltung des Bistums Chiemsee nicht das Geringste zu tun hatten. Der Dom auf der Insel galt seit dieser Zeit als Bischofskirche, was die Augustiner zu einer prachtvollen Ausstattung veranlasste. Die gotische Zier wurde später von einem festlichen Barock italienischer Provenienz abgelöst. Die Ausstattung ist ebenso wie der Bischofsthron der Zerstörungswut der Säkularisation zum Opfer gefallen. Im 19. Jahrhundert war im Chiemseedom ein Brauhaus eingerichtet. Seine Mauern verfielen, bis sich in unseren Tagen Menschen fanden, die erhaltenswerte Bauwerke der Geschichte zu schätzen wissen. Die Renovierung des altehrwürdigen Denkmals ist schon in die Wege geleitet.
Hatte sich Georg Altdorfer schon als Chiemseebischof als Mann des Ausgleichs zu bewähren und zwischen Bistum und Archidiakonat ständig für einen Interessensausgleich zu sorgen, so galt dies noch viel mehr in seinem Amt als Kanzler des Erzbischofs von Salzburg. Auf dem Salzburger Bischofsthron finden wir zu dieser Zeit Bernhard von Rohr (1466 bis 1482), dessen volles Vertrauen Georg Altdorfer besaß. Der Erzbischof zog seinen Kanzler bei allen wichtigen Anlässen bei. So finden wir ihn an der Seite seines Herrn, als 1478 und 1479 in Landshut und Freising Türkentage abgehalten wurden, bei denen über Maßnahmen gegen die das Abendland bedrohenden Osmanen beraten wurde. Auch im Jahre 1478 ging es bei einer Zusammenkunft unter dem Vorsitz des Habsburger Kaisers Friedrich III. um den Kampf gegen den Halbmond. Der Kaiser aber benutzte diese Gelegenheit, um den Salzburger Erzbischof zum Rücktritt zu bewegen.
Die Unterredung zwischen dem Salzburger Erzbischof und dem Kaiser fand in Abwesenheit der Ratgeber des Erzbischofs in Graz statt. Neben Georg Altdorfer war noch der Bischof von Lavant anwesend. Der Erzbischof erbat sich beim Kaiser Bedenkzeit. Anschließend gelang es den beiden bischöflichen Beratern, die Resignation, also den Amtsverzicht des Erzbischofs, zu verhindern. Dem Verhandlungsgeschick von Bischof Altdorfer dürfte es wohl in erster Linie zu verdanken sein, dass den kaiserlichen Machtansprüchen Einhalt geboten werden konnte.
Um das diplomatische Geschick Georg Altdorfers richtig würdigen zu können, müssen wir das Kräftedreieck zwischen dem Habsburger Kaiser, dem Salzburger Erzbischof und den Wittelsbacher Herzögen in Bayern betrachten. Die Salzburger Erzbischöfe waren im Mittelalter zu Macht und hohem Ansehen gekommen. Dadurch sah sich der Kaiser in seiner Machtposition beschränkt und veranlasst, dementsprechend gegenzusteuern. So war es ihm bereits gelungen, die mit dem Erzbistum Salzburg verbundenen Bistümer Seckau, Lavant und Gurk mit Kandidaten seines Vertrauens zu besetzen. Jetzt blieb nur noch die Absetzung des widerspenstigen Salzburgers, die Georg Altdorfer in Graz gerade noch einmal verhindern konnte.
In Bayern herrschte zu dieser Zeit Herzog Georg, dem die Geschichte wegen seiner salz- und silberreichen Ländereien in Tirol den Namen »der Reiche« gegeben hat. Er war also der Nachbar des Erzbischofs und mit diesem vor allem wegen der Salzvorkommen nicht immer einer Meinung. Da auf der Tiroler Seite in Innsbruck der Kaiser der Nachbar der Wittelsbacher war, musste diesem an der Aufrechterhaltung dieses Kräfteverhältnisses gelegen sein. Dass Befürchtungen Herzog Georgs wegen der Machtgelüste der Habsburger nicht ganz unbegründet waren, zeigt der weitere Verlauf der Geschichte, nach der die Wittelsbacher in Folge des Landshuter Erbfolgekrieges von 1503 bis 1505 das »Land im Gebirg« um Kufstein 1506 an die Habsburger verloren.
So ist es verständlich, dass sich Herzog Georg voll auf die Seite des Salzburger Erzbischofs schlug und diesen gegen die kaiserlichen Machtambitionen verteidigte. Der Konflikt eskalierte, bis es im Jahr 1481 dem Kaiser gelang, beim Papst die Absetzung des Salzburger Erzbischofs Bernhard von Rohr zu erwirken. Als Administrator, also als Verwalter und Stellvertreter, setzte der Papst Johannes von Gran ein, der voll das Vertrauen des Kaisers besaß.
Es bildete sich eine Gegenpartei. In Dompropst Ebran war bald der designierte Nachfolger für den verwaisten Bischofsthron in Salzburg gefunden. Ebran zog mit seinen Anhängern ins bayerische Mühldorf, um sich hier als rechtmäßigen Salzburger Bischof huldigen zu lassen. Die Spaltung der sonst heilen bischöflichen Weltordnung war damit perfekt. Zwei Parteien standen sich gegenüber, von denen jede ihren Bischof als rechtmäßigen Nachfolger bzw. Stellvertreter ansah. Bedenkt man, dass dem Erzbischof außer seinem geistlichen Amt noch eine erhebliche weltliche Macht zustand, dann wird die Brisanz dieses Machtkampfes erst deutlich.
Als 1487 der abgesetzte Erzbischof Bernhard von Rohr gestorben war, zog die Mehrzahl der Salzburger Domherrn nach Mühldorf und wählte Ebran zum neuen Erzbischof von Salzburg. Der bayerische Herzog Georg hielt seine schützende Hand darüber. Das konnte sich der Kaiser nun wieder nicht gefallen lassen. Die vom Papst verordnete Exkommunikation Ebrans und seiner Anhänger folgte auf den Fuß. Diese schärfste Waffe in der mittelalterlichen Machtstrategie zeigte bald ihre Wirkung.
Über den Verbleib Altdorfers während dieser Auseinandersetzung schweigt die Chronik. Sein bisheriger Stil, zwischen gegensätzlichen Kräften einen Ausgleich zu suchen, lässt seine Anwesenheit sowohl in Salzburg als auch in Mühldorf vermuten. 1488 muss er sich wohl wieder in Salzburg aufgehalten haben. Hier betraute ihn Johannes von Gran mit einer heiklen Vermittlungsmission. Einerseits sollten die Spannungen zum bayerischen Herzog abgebaut werden, auf dessen Territorium sich das feindliche Lager befand. Andererseits sollte nun endlich der lästige Streit um den Salzburger Bischofsthron beendet werden. Das Volk musste wissen, wen es als seinen rechtmäßigen Herrn zu respektieren hatte.
Georg Altdorfer machte sich daran, die ihm übertragene Aufgabe mit der ihm eigenen, von hohem Einfühlungsvermögen geprägten, Fertigkeit zu lösen. Mit Abt Rupert von St. Peter in Salzburg zog Altdorfer an der Spitze einer Delegation nach Mühldorf, um zwischen den zerstrittenen Parteien zu vermitteln. Die Aufgabe dürfte Altdorfer nicht gerade leicht gefallen sein, zumal er bislang auf der Seite des abgesetzten Erzbischofs Bernhard es zunächst mit dem von den Domherrn in Mühldorf aufs Schild gehobene Nachfolger Ebran gehalten hatte. Die Chronik berichtet von einem Zusammentreffen der Salzburger Delegation mit dem bayerischen Herzog Georg am 4. Dezember 1488 in Altötting. Erzbischof Ebran in der Obhut des Landshuter Herzogs und der von Kaiser und Papst bestätigte Johannes von Gran waren die schwierigen Streitobjekte.
Altdorfer erreichte bei diesem Treffen eine friedliche Beilegung des Streites. Die Bewohner von Mühldorf ließen daraufhin von Ebran ab und unterwarfen sich Johannes von Gran. Der Kirchenbann wurde aufgehoben. Über diese sicher nicht einfache Verhandlung gibt es kein Protokoll. Sicher genügten einfühlsame Worte allein nicht. Die Machtpositionen, um die es hier ging, waren nur mit Fakten zu regeln. Keiner wollte einen Schuh breit mehr verlieren, als es unabdingbar war. Nur ein Könner mit hohem Vermittlungstalent konnte hier noch einen Erfolg erzielen. Georg Altdorfer stand das Glück des Tüchtigen zur Seite. Der ausgehandelte Friede hatte Bestand. Im Jahr darauf 1489 nahm Bischof Altdorfer am Reichstag in Frankfurt teil. Hier wollte man sein Bistum zu den Reichslasten heranziehen. Die Hofhaltung des Kaisers und die Kriege waren teuer. Die Lasten hierfür mussten auf möglichst viele Schultern verteilt werden. Vor allem die Fürsten waren mit dieser Abgabe belastet. Die Einreihung Altdorfers unter die Fürsten musste ihm zwar zur Ehre gereichen, die Zahlungspflicht wollte er aber abwenden. Wieder einmal war sein diplomatisches Geschick auf die Probe gestellt. Aber auch in Frankfurt hatte er Erfolg und erreichte eine Freistellung von der Abgabenlast.
Im Jahre 1490 treffen wir Bischof Altdorfer auf einer Provinzialsynode in Mühldorf, die mit einer päpstlichen Visitation des Erzbistums Salzburg im Zusammenhang stand und wohl die letzten Spuren dieser für alle Beteiligten unglücklichen Affäre aus der Welt schaffen sollte. Galt es doch einen gütlichen Ausgleich zwischen dem rechtmäßig bestätigten Salzburger Erzbischof und seinem Rivalen Ebran zu finden. Natürlich war auch hier wieder Georg Altdorfer der richtige Mann, dem es gelang, alles wieder ins Lot zu bringen.
1495 stand der Reichstag in Worms an, bei dem der Kaiser den ewigen Landfrieden verkünden wollte. Das Faustrecht sollte damit abgeschafft werden. Jedermann sollte seine private Fehde nicht mehr auf eigene Faust mit dem Schwert austragen dürfen, sondern die Hilfe der Gerichte in Anspruch nehmen müssen. Bischof Georg Altdorfer wäre bei diesem großen Befriedungswerk sicher vonnöten gewesen. Die Rolle des Friedensstifters zeichnete sein ganzes Leben aus. Aber der Herr versagte seinem Diener diesen letzten Friedensdienst. Auf der Reise nach Worms wurde der Bischof am 2. Mai 1495 mitten auf der Saalachbrücke bei Salzburg vom Schlag getroffen und starb. Seine letzte Ruhestätte dürfte er in der Gruft der Salzburger Erzbischöfe gefunden haben.
Das Angedenken der Nachwelt bleibt in der von ihm schon zu Lebzeiten gestifteten Altdorfer Kapelle in der St. Martinskirche in Landshut lebendig. Mehr als ein halbes Jahrtausend ist nun seit seinem Todestag ver-gangen. Jede Zeit braucht ihre Friedensstifter, auch die unsere. Gerade deswegen sind Gedanken der Erinnerung an Georg Altdorfer und sein friedensstiftendes Werk angebracht.
Dieter Dörfler
Quelle: Engelbert Wallner »Das Bistum Chiemsee im Mittelalter«
9/2007
Über dem Betstuhl öffnet sich ein Fenster, aus dem ein Mann in den Raum blickt. In einer Nische darunter liegen auf einem Brokatteppich ein Rosenkranz, eine Brille und einige Bücher. Während der Bischof das Geheimnis des Fensterguckers mit in sein Grab genommen hat, sind Rosenkranz, Brille und Bücher Zeichen der Frömmigkeit und der Gelehrsamkeit, die den Bischof auszeichneten.
Der in Landshut wohnende Autor, der dem Chiemgau sein Buch »Geschichte und Geschichten aus dem Chiemgau« gewidmet hat und regelmäßig Beiträge für die Chiemgau-Blätter schreibt, hat Material für den auch mit der Landshuter Geschichte eng verbundenen Georg Altdorfer zusammengetragen. Die Lebensgeschichte Altdorfers dürfte auch für die Leser der Chiemgau-Blätter von Interesse sein, weil sie einen Einblick in die Geschichte des Chiemsee-Bistums und eines seiner bedeutenden Bischöfe gewährt.
Ein Geburtsdatum Altdorfers ist den Quellen nicht zu entnehmen. 1446 beginnt er sein geistliches Studium an der Wiener Universität, setzt dieses 1452 in Bologna fort und wird am 29. 6. 1456 zum Doktor des Kirchenrechtes promoviert. 1476 treffen wir Georg Altdorfer als Kanzler am Hofe des Erzbischofs von Salzburg. 1478 wird er zum Bischof von Chiemsee geweiht und erhält in Ausübung dieses geistlichen Amtes den Chiemseehof in Salzburg als amtlichen Sitz übertragen.
Die Lebensgeschichte Georg Altdorfers ist mit dem in der Säkularisation untergegangenen Chiemseebistum eng verbunden. Georg Altdorfer war das Bistum von 1477 bis 1495 anvertraut worden. Er regierte dort als 23. Bischof, nachdem Erzbischof Eberhard von Salzburg 1215 das Bistum gegründet hatte. Eberhard von Salzburg hatte das Chiemseebistum aus dem Salzburger Erzbistum herausgelöst und ihm eine beschränkte Selbständigkeit gewährt. Da ihm offensichtlich sein Reich zu groß geworden war, besann er sich auf den alten Grundsatz, dass Teilen eine Herrschaft zu stärken vermag. So gliederte er neben dem Chiemseebistum noch drei weitere, in Österreich gelegene, Bistümer aus seinem Herrschaftsbereich aus.
Das Gebiet des neu eingerichteten Chiemseebistums war ohnehin groß genug, so dass es von einem Bischofsthron aus regierbar war. Seine Grenzen verliefen von Prien am Chiemsee nach Söllhuben bis zum Pass Thurn in Tirol und über das Achental wieder zurück zum Chiemsee. Dieser Herrschaftsbereich stand Georg Altdorfer aber nicht uneingeschränkt zu. Zum einen wollte der Erzbischof von Salzburg die Zügel nicht ganz aus der Hand geben. Zum anderen sah sich Altdorfer aber auch durch die Augustiner-Chorherrn in Herrenchiemsee eingeschränkt. In Salzburg hatte der Erzbischof den Chiemseehof als ständigen Sitz der Chiemseebischöfe bestimmt und zusätzlich noch den Altdorfer zu seinen Kanzler ernannt, um so zum ausgegliederten Bistum noch eine Machtbeziehung zu unterhalten. Am Chiemseehof in Salzburg, dem heutigen Sitz der Landesregierung, erinnert noch eine Steintafel an die Herrschaft der Chiemseebischöfe in diesem Gebäude.
Georg Altdorfer musste sein Amt als Chiemseebischof mit großem Fingerspitzengefühl verwalten. Hier dürfte ihm diese Eigenschaft zugute gekommen sein, die ihn später dazu befähigte, sich als Mann des Ausgleichs zu bewähren. Auch das Chiemseekloster hatte seinen territorial abgesicherten Herrschaftsbereich. Der Propst des Augustiner-Chorherrn-Klosters Herrenchiemsee hatte seit 1130 auch das Amt eines Archidiakons inne. Dieses vom Klostervorsteher getrennte Amt schloss das Recht der Rechtsprechung und der Strafgewalt in seinem Herrschaftsbereich mit ein. Vom Archidiakon konnten auch Priesterstellen neu besetzt werden. Das war schon wegen der damit zusammenhängenden Pfründe eine lukrative Aufgabe.
Das Archidiakonat Herrenchiemsee, das von 1130 bis zur Säkularisation 1803 bestand, erstreckte sich über ein Territorium, das weit über den Chiemseer Bistumsbereich, ja sogar über die Grenzen des Salzburger Fürstbistums hinausgriff. Es leuchtet ein, dass Herrschaftsbereiche von so unterschiedlicher Struktur und Flächenausdehnung Ansätze zu Konflikten boten. Bischof Georg Altdorfer hatte in seinem Amt eine besondere Fähigkeit entwickelt, diese Konflikte zu lösen. Dies zeichnete seine Persönlichkeit in besonderer Weise aus. Der Erzbischof von Salzburg einerseits und der Archidiakon des Chiemseeklosters andererseits waren also Felsenriffe, zwischen denen Altdorfer sein Schiff geschickt hindurchsteuern musste.
Die Abhängigkeit vom Salzburger Erzbischof mochte Altdorfer als eine Last empfunden haben. Aber auch auf der Herreninsel war seine Position nicht derart, dass er sich hier zu Hause fühlen konnte. Rein rechtlich gesehen, hatte der Bischof seinen Sitz auf der Herreninsel. Tatsächlich bestand dieser Sitz aber nur in einem Bischofsthron im Dom zu Herrenchiemsee, der diesem Recht nur eine symbolische Bedeutung gab. Kloster und Kirche auf der Herreninsel standen im Eigentum der Augustiner-Chorherrn und der Bischof musste sich mit der Rolle eines nicht immer gern gesehenen Gastes begnügen.
Mochte sich auch Bischof Altdorfer über diese Einschränkung seiner Machtposition geärgert haben. Die Chorherren von Herrenchiemsee wussten daraus Kapital zu schlagen. Sie sonnten sich in den Strahlen des erzbischöflichen Glanzes und nannten sich Domherren, obwohl sie mit der Verwaltung des Bistums Chiemsee nicht das Geringste zu tun hatten. Der Dom auf der Insel galt seit dieser Zeit als Bischofskirche, was die Augustiner zu einer prachtvollen Ausstattung veranlasste. Die gotische Zier wurde später von einem festlichen Barock italienischer Provenienz abgelöst. Die Ausstattung ist ebenso wie der Bischofsthron der Zerstörungswut der Säkularisation zum Opfer gefallen. Im 19. Jahrhundert war im Chiemseedom ein Brauhaus eingerichtet. Seine Mauern verfielen, bis sich in unseren Tagen Menschen fanden, die erhaltenswerte Bauwerke der Geschichte zu schätzen wissen. Die Renovierung des altehrwürdigen Denkmals ist schon in die Wege geleitet.
Hatte sich Georg Altdorfer schon als Chiemseebischof als Mann des Ausgleichs zu bewähren und zwischen Bistum und Archidiakonat ständig für einen Interessensausgleich zu sorgen, so galt dies noch viel mehr in seinem Amt als Kanzler des Erzbischofs von Salzburg. Auf dem Salzburger Bischofsthron finden wir zu dieser Zeit Bernhard von Rohr (1466 bis 1482), dessen volles Vertrauen Georg Altdorfer besaß. Der Erzbischof zog seinen Kanzler bei allen wichtigen Anlässen bei. So finden wir ihn an der Seite seines Herrn, als 1478 und 1479 in Landshut und Freising Türkentage abgehalten wurden, bei denen über Maßnahmen gegen die das Abendland bedrohenden Osmanen beraten wurde. Auch im Jahre 1478 ging es bei einer Zusammenkunft unter dem Vorsitz des Habsburger Kaisers Friedrich III. um den Kampf gegen den Halbmond. Der Kaiser aber benutzte diese Gelegenheit, um den Salzburger Erzbischof zum Rücktritt zu bewegen.
Die Unterredung zwischen dem Salzburger Erzbischof und dem Kaiser fand in Abwesenheit der Ratgeber des Erzbischofs in Graz statt. Neben Georg Altdorfer war noch der Bischof von Lavant anwesend. Der Erzbischof erbat sich beim Kaiser Bedenkzeit. Anschließend gelang es den beiden bischöflichen Beratern, die Resignation, also den Amtsverzicht des Erzbischofs, zu verhindern. Dem Verhandlungsgeschick von Bischof Altdorfer dürfte es wohl in erster Linie zu verdanken sein, dass den kaiserlichen Machtansprüchen Einhalt geboten werden konnte.
Um das diplomatische Geschick Georg Altdorfers richtig würdigen zu können, müssen wir das Kräftedreieck zwischen dem Habsburger Kaiser, dem Salzburger Erzbischof und den Wittelsbacher Herzögen in Bayern betrachten. Die Salzburger Erzbischöfe waren im Mittelalter zu Macht und hohem Ansehen gekommen. Dadurch sah sich der Kaiser in seiner Machtposition beschränkt und veranlasst, dementsprechend gegenzusteuern. So war es ihm bereits gelungen, die mit dem Erzbistum Salzburg verbundenen Bistümer Seckau, Lavant und Gurk mit Kandidaten seines Vertrauens zu besetzen. Jetzt blieb nur noch die Absetzung des widerspenstigen Salzburgers, die Georg Altdorfer in Graz gerade noch einmal verhindern konnte.
In Bayern herrschte zu dieser Zeit Herzog Georg, dem die Geschichte wegen seiner salz- und silberreichen Ländereien in Tirol den Namen »der Reiche« gegeben hat. Er war also der Nachbar des Erzbischofs und mit diesem vor allem wegen der Salzvorkommen nicht immer einer Meinung. Da auf der Tiroler Seite in Innsbruck der Kaiser der Nachbar der Wittelsbacher war, musste diesem an der Aufrechterhaltung dieses Kräfteverhältnisses gelegen sein. Dass Befürchtungen Herzog Georgs wegen der Machtgelüste der Habsburger nicht ganz unbegründet waren, zeigt der weitere Verlauf der Geschichte, nach der die Wittelsbacher in Folge des Landshuter Erbfolgekrieges von 1503 bis 1505 das »Land im Gebirg« um Kufstein 1506 an die Habsburger verloren.
So ist es verständlich, dass sich Herzog Georg voll auf die Seite des Salzburger Erzbischofs schlug und diesen gegen die kaiserlichen Machtambitionen verteidigte. Der Konflikt eskalierte, bis es im Jahr 1481 dem Kaiser gelang, beim Papst die Absetzung des Salzburger Erzbischofs Bernhard von Rohr zu erwirken. Als Administrator, also als Verwalter und Stellvertreter, setzte der Papst Johannes von Gran ein, der voll das Vertrauen des Kaisers besaß.
Es bildete sich eine Gegenpartei. In Dompropst Ebran war bald der designierte Nachfolger für den verwaisten Bischofsthron in Salzburg gefunden. Ebran zog mit seinen Anhängern ins bayerische Mühldorf, um sich hier als rechtmäßigen Salzburger Bischof huldigen zu lassen. Die Spaltung der sonst heilen bischöflichen Weltordnung war damit perfekt. Zwei Parteien standen sich gegenüber, von denen jede ihren Bischof als rechtmäßigen Nachfolger bzw. Stellvertreter ansah. Bedenkt man, dass dem Erzbischof außer seinem geistlichen Amt noch eine erhebliche weltliche Macht zustand, dann wird die Brisanz dieses Machtkampfes erst deutlich.
Als 1487 der abgesetzte Erzbischof Bernhard von Rohr gestorben war, zog die Mehrzahl der Salzburger Domherrn nach Mühldorf und wählte Ebran zum neuen Erzbischof von Salzburg. Der bayerische Herzog Georg hielt seine schützende Hand darüber. Das konnte sich der Kaiser nun wieder nicht gefallen lassen. Die vom Papst verordnete Exkommunikation Ebrans und seiner Anhänger folgte auf den Fuß. Diese schärfste Waffe in der mittelalterlichen Machtstrategie zeigte bald ihre Wirkung.
Über den Verbleib Altdorfers während dieser Auseinandersetzung schweigt die Chronik. Sein bisheriger Stil, zwischen gegensätzlichen Kräften einen Ausgleich zu suchen, lässt seine Anwesenheit sowohl in Salzburg als auch in Mühldorf vermuten. 1488 muss er sich wohl wieder in Salzburg aufgehalten haben. Hier betraute ihn Johannes von Gran mit einer heiklen Vermittlungsmission. Einerseits sollten die Spannungen zum bayerischen Herzog abgebaut werden, auf dessen Territorium sich das feindliche Lager befand. Andererseits sollte nun endlich der lästige Streit um den Salzburger Bischofsthron beendet werden. Das Volk musste wissen, wen es als seinen rechtmäßigen Herrn zu respektieren hatte.
Georg Altdorfer machte sich daran, die ihm übertragene Aufgabe mit der ihm eigenen, von hohem Einfühlungsvermögen geprägten, Fertigkeit zu lösen. Mit Abt Rupert von St. Peter in Salzburg zog Altdorfer an der Spitze einer Delegation nach Mühldorf, um zwischen den zerstrittenen Parteien zu vermitteln. Die Aufgabe dürfte Altdorfer nicht gerade leicht gefallen sein, zumal er bislang auf der Seite des abgesetzten Erzbischofs Bernhard es zunächst mit dem von den Domherrn in Mühldorf aufs Schild gehobene Nachfolger Ebran gehalten hatte. Die Chronik berichtet von einem Zusammentreffen der Salzburger Delegation mit dem bayerischen Herzog Georg am 4. Dezember 1488 in Altötting. Erzbischof Ebran in der Obhut des Landshuter Herzogs und der von Kaiser und Papst bestätigte Johannes von Gran waren die schwierigen Streitobjekte.
Altdorfer erreichte bei diesem Treffen eine friedliche Beilegung des Streites. Die Bewohner von Mühldorf ließen daraufhin von Ebran ab und unterwarfen sich Johannes von Gran. Der Kirchenbann wurde aufgehoben. Über diese sicher nicht einfache Verhandlung gibt es kein Protokoll. Sicher genügten einfühlsame Worte allein nicht. Die Machtpositionen, um die es hier ging, waren nur mit Fakten zu regeln. Keiner wollte einen Schuh breit mehr verlieren, als es unabdingbar war. Nur ein Könner mit hohem Vermittlungstalent konnte hier noch einen Erfolg erzielen. Georg Altdorfer stand das Glück des Tüchtigen zur Seite. Der ausgehandelte Friede hatte Bestand. Im Jahr darauf 1489 nahm Bischof Altdorfer am Reichstag in Frankfurt teil. Hier wollte man sein Bistum zu den Reichslasten heranziehen. Die Hofhaltung des Kaisers und die Kriege waren teuer. Die Lasten hierfür mussten auf möglichst viele Schultern verteilt werden. Vor allem die Fürsten waren mit dieser Abgabe belastet. Die Einreihung Altdorfers unter die Fürsten musste ihm zwar zur Ehre gereichen, die Zahlungspflicht wollte er aber abwenden. Wieder einmal war sein diplomatisches Geschick auf die Probe gestellt. Aber auch in Frankfurt hatte er Erfolg und erreichte eine Freistellung von der Abgabenlast.
Im Jahre 1490 treffen wir Bischof Altdorfer auf einer Provinzialsynode in Mühldorf, die mit einer päpstlichen Visitation des Erzbistums Salzburg im Zusammenhang stand und wohl die letzten Spuren dieser für alle Beteiligten unglücklichen Affäre aus der Welt schaffen sollte. Galt es doch einen gütlichen Ausgleich zwischen dem rechtmäßig bestätigten Salzburger Erzbischof und seinem Rivalen Ebran zu finden. Natürlich war auch hier wieder Georg Altdorfer der richtige Mann, dem es gelang, alles wieder ins Lot zu bringen.
1495 stand der Reichstag in Worms an, bei dem der Kaiser den ewigen Landfrieden verkünden wollte. Das Faustrecht sollte damit abgeschafft werden. Jedermann sollte seine private Fehde nicht mehr auf eigene Faust mit dem Schwert austragen dürfen, sondern die Hilfe der Gerichte in Anspruch nehmen müssen. Bischof Georg Altdorfer wäre bei diesem großen Befriedungswerk sicher vonnöten gewesen. Die Rolle des Friedensstifters zeichnete sein ganzes Leben aus. Aber der Herr versagte seinem Diener diesen letzten Friedensdienst. Auf der Reise nach Worms wurde der Bischof am 2. Mai 1495 mitten auf der Saalachbrücke bei Salzburg vom Schlag getroffen und starb. Seine letzte Ruhestätte dürfte er in der Gruft der Salzburger Erzbischöfe gefunden haben.
Das Angedenken der Nachwelt bleibt in der von ihm schon zu Lebzeiten gestifteten Altdorfer Kapelle in der St. Martinskirche in Landshut lebendig. Mehr als ein halbes Jahrtausend ist nun seit seinem Todestag ver-gangen. Jede Zeit braucht ihre Friedensstifter, auch die unsere. Gerade deswegen sind Gedanken der Erinnerung an Georg Altdorfer und sein friedensstiftendes Werk angebracht.
Dieter Dörfler
Quelle: Engelbert Wallner »Das Bistum Chiemsee im Mittelalter«
9/2007