Der berühmteste aller Propheten
Zum 500. Geburtstag des Nostradamus
In dunklen Bildern beschrieb er die Zukunft, mischte in kaum verständlichen und oftmals unvollständigen Sätzen Altfranzösisch, Latein sowie Deutsch und andere Sprachen zu dramatischen Visionen. Was der hoch intelligente Sohn eines jüdischen Notars aus dem provenzalischen Städtchen Saint-Rémy nächtens in immer neuen Vierzeilern zu Papier brachte, all das konnte so oder auch ganz anders ausgelegt werden. Und doch sollten die Ereignisse, die Michel de Nostredame (»Nostradamus« genannt) bis zum Jahr 3797 vorhersagte, ihn zu dem berühmtesten aller Seher machen. In dem vergangenen halben Jahrtausend war der am 14. Dezember 1503 geborene Nostradamus immer dann besonders gefragt, wenn die Zukunft ungewisser denn je schien.
Denn die düsteren und geheimnisvollen Zeilen des Stars unter den Wahrsagern strahlen gerade in Umbruchzeilen immer wieder ihre ganze okkulte Anziehungskraft aus. Eine Wünschelrute und ein Wasserbecken gehörten zu den merkwürdigen Geräten an seinem Arbeitsplatz. Nachts sah er weit in die Zukunft, geschützt vor neugierigen und entsetzten Blicken seiner Zeitgenossen in der Epoche der Inquisition. Was er in Vierzeilern als männliche Kassandra dabei an die Wand gemalt haben soll, reicht vom Großbrand in London im Jahr 1666 bis zum Attentat von Sarajevo und zur Atombombe von Hiroshima. Über die Jahrhunderte gab es ungezählte Auslegungen der Verse des faszinierenden Sehers.
Es war auch eine Umbruchzeit, die den begabten Mediziner und Forscher dazu trieb, sich auf das ebenso dünne wie gefährliche Eis der Prophetie und der Astrologie zu wagen - die unruhige Welt war an der Schnittstelle vom Mittelalter zur Neuzeit. Er wollte hellsehen, um zu wissen, was es mit der Endzeit in weiter Ferne auf sich hatte. Zuvor hatte er versucht, die Hieroglyphen zu entschlüsseln, lange ehe das wirklich gelang. Seine ungeheure Neugierde hatte ihm schon eine Karriere als gefragter Pestarzt eingebracht: Die »Rezeptur« des Nostradamus erwies sich als verblüffend wirksam. Gegen diese immer wieder neu aufflammende Seuche im Einsatz, erkrankte er selbst nie.
Genau 924 Vierzeiler hat Nostradamus in einem zum Observatorium ausgebauten Dachstuhl von Salon-de-Provence verfasst. Seine »wahren Prophezeiungen des Magisters Nostradamus« hat er jeweils in einer Hundertschaft zu »Centurien« zusammengestellt - schön bunt gewürfelt, denn Nostradamus wollte es seinen Deutern nicht leicht machen. Den Durchbruch und Ruhm bis heute brachte ihm ein einziger unheilvoller Vierzeiler, der den Turnier-Tod des Königs Heinrich II. im Juli 1559 vorhersagte (»auf dem Kampffeld durch ein Einzelduell«). Er war ein gemachter Mann. Katharina von Medici, nun königliche Witwe, brachte ihren Sohn Karl IX. dazu, Nostradamus zu seinem Leibarzt zu machen.
Ob der Seher mit der christlichen Endzeitvision nun die Ermordung eines Papstes, den Ausbruch des Dritten Weltkrieges oder schlicht den einen oder anderen Machtwechsel vorhergesehen hat: »Im Nachhinein ist die Interpretation leicht, man braucht doch nur nach einem Vierzeiler zu suchen, der auf eine bestimmte Situation passt und möglichst viele stimmige Elemente enthält«, meint Nostradamus-Kenner Jörg Dendl. In der Neuzeit aus den »Centurien« etwas Verlässliches herausgelesen zu haben, das scheine doch nur einmal geglückt zu sein: 1921 schloss ein findiger Analytiker aus einem Vierzeiler auf einen Kriegsbeginn 1939. Wie auch immer: Die beiden bezaubernden Städtchen Saint-Rémy und Salon feiern den 500. Geburtstag ihres »astrophilen« Nostradamus am 14. Dezember mit einem provenzalischen Programm. Ein noch recht neuer Rundweg von Saint-Rémy nach Salon lädt dazu ein, den geheimnisvollen Spuren dieses humanistischen Wahrsagers, Astrologen, Pestarztes und Vielreisenden zu folgen. Auf dem Friedhof der gotischen Stiftskirche Saint-Laurent von Salon liegt der Mann begraben, der 1566 starb und dessen Vierzeiler weiterhin anregen. Selbst gut gemachte Fälschungen drücken diese Faszination noch aus - darunter der düstere Mehrzeiler, der angeblich die Terroranschläge des 11. September 2001 ankündigte.
HJK
50/2003
Denn die düsteren und geheimnisvollen Zeilen des Stars unter den Wahrsagern strahlen gerade in Umbruchzeilen immer wieder ihre ganze okkulte Anziehungskraft aus. Eine Wünschelrute und ein Wasserbecken gehörten zu den merkwürdigen Geräten an seinem Arbeitsplatz. Nachts sah er weit in die Zukunft, geschützt vor neugierigen und entsetzten Blicken seiner Zeitgenossen in der Epoche der Inquisition. Was er in Vierzeilern als männliche Kassandra dabei an die Wand gemalt haben soll, reicht vom Großbrand in London im Jahr 1666 bis zum Attentat von Sarajevo und zur Atombombe von Hiroshima. Über die Jahrhunderte gab es ungezählte Auslegungen der Verse des faszinierenden Sehers.
Es war auch eine Umbruchzeit, die den begabten Mediziner und Forscher dazu trieb, sich auf das ebenso dünne wie gefährliche Eis der Prophetie und der Astrologie zu wagen - die unruhige Welt war an der Schnittstelle vom Mittelalter zur Neuzeit. Er wollte hellsehen, um zu wissen, was es mit der Endzeit in weiter Ferne auf sich hatte. Zuvor hatte er versucht, die Hieroglyphen zu entschlüsseln, lange ehe das wirklich gelang. Seine ungeheure Neugierde hatte ihm schon eine Karriere als gefragter Pestarzt eingebracht: Die »Rezeptur« des Nostradamus erwies sich als verblüffend wirksam. Gegen diese immer wieder neu aufflammende Seuche im Einsatz, erkrankte er selbst nie.
Genau 924 Vierzeiler hat Nostradamus in einem zum Observatorium ausgebauten Dachstuhl von Salon-de-Provence verfasst. Seine »wahren Prophezeiungen des Magisters Nostradamus« hat er jeweils in einer Hundertschaft zu »Centurien« zusammengestellt - schön bunt gewürfelt, denn Nostradamus wollte es seinen Deutern nicht leicht machen. Den Durchbruch und Ruhm bis heute brachte ihm ein einziger unheilvoller Vierzeiler, der den Turnier-Tod des Königs Heinrich II. im Juli 1559 vorhersagte (»auf dem Kampffeld durch ein Einzelduell«). Er war ein gemachter Mann. Katharina von Medici, nun königliche Witwe, brachte ihren Sohn Karl IX. dazu, Nostradamus zu seinem Leibarzt zu machen.
Ob der Seher mit der christlichen Endzeitvision nun die Ermordung eines Papstes, den Ausbruch des Dritten Weltkrieges oder schlicht den einen oder anderen Machtwechsel vorhergesehen hat: »Im Nachhinein ist die Interpretation leicht, man braucht doch nur nach einem Vierzeiler zu suchen, der auf eine bestimmte Situation passt und möglichst viele stimmige Elemente enthält«, meint Nostradamus-Kenner Jörg Dendl. In der Neuzeit aus den »Centurien« etwas Verlässliches herausgelesen zu haben, das scheine doch nur einmal geglückt zu sein: 1921 schloss ein findiger Analytiker aus einem Vierzeiler auf einen Kriegsbeginn 1939. Wie auch immer: Die beiden bezaubernden Städtchen Saint-Rémy und Salon feiern den 500. Geburtstag ihres »astrophilen« Nostradamus am 14. Dezember mit einem provenzalischen Programm. Ein noch recht neuer Rundweg von Saint-Rémy nach Salon lädt dazu ein, den geheimnisvollen Spuren dieses humanistischen Wahrsagers, Astrologen, Pestarztes und Vielreisenden zu folgen. Auf dem Friedhof der gotischen Stiftskirche Saint-Laurent von Salon liegt der Mann begraben, der 1566 starb und dessen Vierzeiler weiterhin anregen. Selbst gut gemachte Fälschungen drücken diese Faszination noch aus - darunter der düstere Mehrzeiler, der angeblich die Terroranschläge des 11. September 2001 ankündigte.
HJK
50/2003