Das nicht ganz sichere Versteck für die Weihnachtsbäckerei
Aber der »Guatl-Dieb« konnte schnell entlarvt werden
Wenn die Tage immer kürzer werden und es schon früh zu dunkeln beginnt, ist die Vorweihnachtszeit gekommen. Das ist auch die Zeit, in der in vielen Küchen wieder der vertraute Geruch von Vanille, Zimt und Mandeln zu spüren ist.
Die Kinder können es kaum noch erwarten, bis die Mutter oder die Großmutter mit dem Plätzchen backen beginnt. Je nach dem, hat meist ein jeder seine eigenen, verschiedenen Sorten, von den einfachen »Weihnachtsguateln« angefangen, bis hin zu den feinsten Leckereien.
In früherer Zeit und da besonders in den Kriegs- und Nachkriegsjahren war die Vielfalt nicht sehr groß, denn die Lebensmittel waren knapp. Dazu kam, dass die Menschen, in den Städten noch mehr als auf dem Land, nur das nötigste zum Leben hatten. Aber auch auf den Bauernhöfen musste gespart werden, ganz abgesehen von den kleinen »Gütl'n« mit nur etlichen Ziegen, Schafen und Hühnern. Die Familien waren meist recht kinderreich. Waren diese zur Mithilfe auf dem Hof noch zu jung, gab es auf den größeren Höfen auch noch einen, oder mehrere Dienstboten. Dementsprechend groß war die Menge an »Guateln«, die gebacken werden mussten. Obwohl die wichtigsten Backzutaten wie Mehl, Eier und Butter, zwar keineswegs im Überfluss, aber mehr oder weniger vorhanden waren, musste dennoch gespart werden.
In einem vergilbten Heft meiner Mutter habe ich das »Einfache Spritzgebäck« gefunden. Backzutaten: 2 Pfund Butter, 2 Pfund Zucker, 4 Pfund Mehl, 8 Eier, Zitrone- oder Vanillegeschmack (wobei das Pfund immer mit dem alten Zeichen geschrieben wurde).
Auch ein »Ausgiebiges Mürbteiggebäck« stand dabei. Backzutaten: ¾ Pfund Butter, 1 Pfund Zucker, 4 Eier, 2 ½ Pfund Mehl, Zitronengeschmack oder Vanillzucker und 2 Päckchen Backpulver.
Ich kann mich noch erinnern, dass ich die gebackenen Herzen, Sterne, Halbmonde und Christbäume mit verquirltem Eigelb bestreichen durfte und darauf einige winzige, bunte Kügelchen gestreut habe.
Trotz seiner Einfachheit waren die »Weihnachtsguteln« bei jung und alt sehr begehrt, war es doch das einzige Gebäck seiner Art, dass es in meiner frühen Kinderzeit gab.
Weil die »Guateln« halt gar so gut gewesen sind und diese »Vor lauter probieren« immer weniger wurden, half nur ein sicheres Versteck dafür zu finden.
Dazu hat mir meine Tante einmal eine lustige Begebenheit erzählt: Es war in den Jahren als mein Onkel Schorsch, der um etliche Jahre jünger war, noch ein Schulbub gewesen ist. Meine Großmutter hatte damals auch ganz besonders begehrte »Guateln« gemacht, es waren die mit Marmelade gefüllten »Spitzbuben«. Weil am Heiligen Abend jeder in der Familie, zu der auch die Dienstboten gehörten, einen großen Teller mit den verschiedenen Sorten bekam, hatte diese einige Waschkörbe davon gebacken. Die wiederum trug sie zusammen mit meinem Großvater hinauf in ihre Schlafkammer, wo niemand »etwas zu suchen« hatte.
Die »Spitzbuben« aber, die nur einen kleinen Teil der Menge ausmachten, bewahrte sie in einem großen Gefäß im ohnehin schon düsteren Keller in einer finsteren Ecke auf. Dort glaubte meine Großmutter sie in sicherer Verwahrung, jedenfalls solange, bis sie eines Tages bemerkte, dass diese immer weniger geworden waren. Jetzt musste schnellstens der »Dieb« erwischt werden. Dies war gar nicht so einfach, denn jedes von den Geschwistern beteuerte, nicht ein Einziges genommen zu haben.
Da endlich hatte mein Großvater einen zwar außergewöhnlichen, aber genialen Einfall. Drüben in der »Wagenhütte« stand immer ein großer, blecherner Tiegel mit der dicken, roten »Wagenschmiere«. Von derselben brachte er eines Nachmittags, an dem meine Großmutter alleine beim »Guatelbacken« in der Küche war, einen großen Löffel voll in die Küche. Er bestand darauf, dass diese etliche von den gebackenen »Spitzbuben« opfern musste. Nach anfänglichen Bedenken fing sie schließlich doch damit an, diese statt mit Marmelade nun mit der »Wagenschmiere zu bestreichen und ein anderes drückte sie hernach ganz vorsichtig darauf. Man musste schon genau hinsehen um den Unterschied gleich zu erkennen und schon gar nicht unten im Keller. Das dachten sich auch die Beiden als sie diese in dem nicht mehr ganz vollen Gefäß vorsichtig ganz obenauf verteilten. Dabei hofften sie, dass der Versuch gelingt.
Noch am gleichen Tag um's Finsterwerden hörte die Großmutter draußen im Hausgang, gleich neben der Kellerstiege die jämmerliche Stimme vom Schorschl. Schnell machte sie die Küchentür auf und sah, wie dieser jammernd vom Keller herauf krappelte und dabei versuchte, den scheußlichen Geschmack von der »Wagenschmiere« aus dem Mund zu bringen.
Schneller als gedacht wussten jetzt alle, wer der »Guateldieb« gewesen ist, der sich heimlich in den Keller schlich und jedesmal einige davon im Hosensack verschwinden ließ.
Meiner Großmutter hatte er schon wieder leid getan, denn die Schadenfreude von den Geschwistern, der »Stalldirn« und dem Knecht war groß und lange noch musste er sich die »Spitzbuben-Geschichte« mit der Wagenschmiere anhören
Elisabeth Mader
50/2013