Das Kolleg St. Benedikt in Salzburg
Sein Bau führte zum Rücktritt von Erzabt Petrus Klotz





Vom Salzburger Benediktinerstift St. Peter, dem ältesten Benediktinerkloster im deutschen Sprachraum, kennen die meisten Salzburgbesucher außer der Stiftskirche nur den romantisch am Fuße des Mönchsbergs gelegenen St. Petersfriedhof und den wegen seiner guten Weine berühmten Peterskeller. Doch der sogenannte St. Petersbezirk ist größer. Verlässt man nämlich den Stiftshof in nördlicher Richtung durch das gr oße Tor, dann gelangt man in einen weiteren Hof und steht vor dem Kolleg St. Benedikt, dem gemeinsamen Studienhaus der österreichischen Benediktiner.
Der in den Jahren 1924 bis 1926 errichtete Bau verdankt sein Entstehen dem damaligen Abt Dr. Petrus Klotz. Sein überdimensionales Wappen prangt über der Eingangspforte des Kollegs. Außerdem sieht man Abt Klotz in feierlichem liturgischer Kleidung auf einem großen Gemälde an der Frontseite des Kollegs, zusammen mit dem Kolleg-Architekten Peter Behrens aus Berlin, einem Stararchitekten der damaligen Zeit.
Petrus Klotz war 1878 als Sohn eines Schmieds in Südtirol geboren, hatte in Salzburg das Gymnasium besucht und war anschließend in das Benediktinerstift eingetreten. Nach dem Theologiestudium in Salzburg und Rom arbeitete er einige Jahre in der Pfarrseelsorge. Aber das konnte ihn auf die Dauer nicht befriedigen. Ihn zog es in die große, weite Welt – nach Amerika, Asien und Afrika. Da er gut schreiben konnte, wollte er seine Reiseerlebnisse in Zeitungen und Büchern veröffentlichen. Durch das Verständnis seines Abtes wurde sein Traum Wirklichkeit. Klotz schloss mit einem Dutzend deutscher und amerikanischer Zeitungen Verträge für Reisereportagen ab, die später alle in Buchform erschienen. Die Titel lassen die Spannweite seines Interesses ahnen: »Was ich unter Palmen fand….«, »Vom Nil zum Kap«, »Unter Tempeln und Pagoden«, »An fremder Welten Tor«, »An der Erde Rand«. Besonders erfolgreich gestaltete sich seine Reise quer durch Nordamerika, die er im Auftrag des Wiener Erzbischofs unternahm und bei der er Spenden für die Kriegswaisen der Stadt Wien sammelte.
Im Jahre 1922 wurde Dr. Petrus Klotz zum Abt des Klosters St. Peter gewählt, doch er stand nur knapp neun Jahre an der Spitze des Hauses, bis er unter höchst tragischen Umständen sein Amt niederlegen musste. Trotzdem gehört er zu den bedeutendsten Äbten der Salzburger Benediktiner, nach dem sowohl in Salzburg wie auch in Wien eine Straße benannt ist.
Der Bau des Kollegs sollte für Abt Petrus Klotz persönlich, wie auch für das ganze Kloster, zu einem riesigen Fiasko werden, weil er sich mit dem Bau finanziell hochgradig übernommen und einen Berg von Schulden angehäuft hatte. Dem Stift blieb letztlich nichts anders übrig, als wertvolle Kunstschätze und alte Handschriften zu verkaufen, um einen drohenden Konkurs abzuwenden.
Nach der ursprünglichen Planung sollte der Bau des Kollegs von allen Benediktinerklöstern gemeinsam finanziert werden, die ihre Novizen zum Studium nach Salzburg schicken sollten. Abt Klotz gelang es, die Klöster zu einer Konföderation zu vereinen. Dafür wurde St. Peter von der Ordensleitung in Rom zur Erzabtei erhoben, der Abt zum Erzabt ernannt. Da die theologische Fakultät in Salzburg aber sehr bescheiden ausgestattet war, ging Petrus Klotz daran, sie entsprechend zu erweitern und durch kompetentes Lehrpersonal aus anderen Klöstern zu ergänzen. Ziel war der Ausbau zu einer vollen katholischen Universität. Der Bau des Kollegs und die Erweiterung der Hochschule sollten Hand in Hand gehen. Zu den Verfechtern dieser Idee gehörten neben Klotz der Altbundeskanzler Ignaz Seipel und der Salzburger Erzbischof Ignaz Rieder.
Nach zweijähriger Bauzeit wurde das Kolleg am 1. Mai 1926 feierlich eingeweiht. Zu der Feier waren 39 Äbte aus Österreich, Deutschland und der Schweiz erschienen. Für Erzabt Klotz war es ein Tag des Triumphes. Prominentester Ehrengast war der österreichische Bundeskanzler Ignaz Seipel, der die Festansprache hielt. Bei dieser Gelegenheit konnten die Gäste im Treppenhaus des Kollegs auch erstmals den von dem Bildhauer Jakob Adlhart aus Hallein geschaffenen »Schreckens- Christus« bewundern – ein in expressionistischer Manier geschnitztes kollossales Kruzifix, zu dem in der Folgezeit wahre Ströme von Besuchern pilgern sollten und das bis heute eine Salzburger Touristenattraktion ist.
Doch das dicke Ende ließ nicht lange auf sich warten. Über dem Stift St. Peter zogen sich drohende Wolken zusammen, seit im Jahre 1925 die laufenden Ausgaben höher waren als die Einnahmen aus der Landwirtschaft und den anderen Klosterbetrieben. Durch eine Agrarkrise kam es zum Preisverfall von Holz und Vieh, durch die sich anbahnende schwere Weltwirtschaftskrise sanken die Grundpreise in den Keller. Erzabt Klotz, der von den Zeitgenossen als Schöngeist und Visionär bezeichnet wird, ließ sich dadurch nicht beirren und ging ans nächste Unternehmen. Weil der Turm der Stiftskirche noch keine Glocken hatte, gab er in Wien vier Glocken in Auftrag. Ihre Abholung vom Bahnhof über die Staatsbrücke zum Kloster glich einem Triumphzug mit weißgekleideten Mädchen, Trachtengruppen und Gebirgsschützen, war in der Lokalzeitung zu lesen.
Inzwischen klafften Ausgaben und Einnahmen immer weiter auseinander und die Bankschulden stiegen in schwindelnde Höhen. In der Klostergemeinschaft verlor der Erzabt mehr und mehr den Rückhalt, eine Vertrauenskrise bahnte sich an, als der für die Finanzen zuständige Kämmerer aus Protest gegen das Finanzgebaren von Klotz sein Amt zur Verfügung stellte. Die Hoffnung des Erzabtes richtete sich nun ganz auf die Benediktinerkonföderation. Die in ihr vereinten Klöster sollten sich anteilmäßig an den Kosten für den Kollegbau und an der Tilgung der Schulden beteiligen. Aber das war nicht der Fall. Die anderen Klöster litten ebenso unter der desolaten Wirtschaftslage, erklärten sich zu einer Finanzhilfe außerstande und ließen den Erzabt im Regen stehen. Der Bau war auf dem Grund von St. Peter errichtet und die Schulden waren formell auf den Namen des Salzburger Klosters eingetragen. Eine juristisch verbindliche Zusage für eine gemeinsame Finanzierung gab es nicht.
Die prekäre Situation führte im Jahre 1930 zu einem Eingreifen der vatikanischen Ordenskongregation. Zwei päpstliche Visitatoren erschienen in Salzburg. Nach dem Studium der Akten stellten sie fest, dass das Stift St. Peter allein für den Kollegbau aufzukommen habe. Der Erzabt erhielt keine Möglichkeit mehr, sich gegenüber den Visitatoren zu verteidigen. So kam es im Dezember zu einer für das Kloster dramatischen Szene. Nach der Vesper bat der Erzabt seine Mitbrüder, noch zu bleiben »Dann zog er ein Schriftstück hervor und verkündete uns Ahnungslosen die Zurücklegung der Abtei«, heißt es in der Hauschronik. »Bei den meisten große Bestürzung, auch da und dort Tränen. Nach Tisch eine kleine Abschiedsfeier und lange Stille wie bei einem Totenmahl.« Am nächsten Tag verließ Erzabt Petrus Klotz die Stadt Salzburg. Als offizieller Grund seines Rücktritts wurde seine zunehmende Schwerhörigkeit angegeben.
Die mit allen Vollmachten versehene, päpstliche Delegation setzte als Nachfolger einen versierten Finanzmann aus einem auswärtigen Kloster ein, der Konvent war einverstanden. Ein Sanierungsplan bestimmte den Verkauf wertvoller Kunstgegenstände, Handschriften und Liegenschaften aus Klosterbesitz und listete ein Sparprogramm für das Kloster auf. Schließlich war die Konföderation auf Drängen Roms dann doch noch bereit, einen Teil der Schulden zu übernehmen.
Der zurückgetretene Abt lebte abwechselnd in seiner Südtiroler Heimat und in Wien, unternahm weiterhin Reisen und schrieb Bücher. Es mag ihn mit Genugtuung erfüllt haben, dass das Kolleg St. Benedikt sich als überaus segensreiche Einrichtung als Studienhaus des Benediktinernachwuchses erwies und er auch noch die von ihm erstrebte Gründung der Salzburger Universität (1962) erleben durfte. Erzabt Klotz starb im Jahre 1967, sein Grab befindet sich im Chor der Stiftskirche St. Peter.
Julius Bittmann
23/2013