Das Kletzein – ein Adventsbrauch mit langer Tradition
Es galt hier, den bösen Mächten dieser Nächte ihre Kraft zu nehmen
Das Anklöckeln ist »ein Brauch, der aus der Altschicht des alpenländischen Brauchtums entspringt und in zahlreichen Variationen auftritt« (nach: Wolfram 1955, S. 205f.). Der Name kommt ursprünglich auch von »klocken« = klopfen (Wolfram 1955, S. 225). Je nach Region kann es, entsprechend der Gaben oder besonderer Requisiten, unterschiedliche Namen für den Brauch geben. Das »Kletzein« ist entsprechend auf die Gabe der Kletzen (Birnen) zurückzuführen.
Die Umzugsgruppen erregen durch Läuten eines Glöckchens, durch Singen oder Klopfen die Aufmerksamkeit der Hausinsassen.
Der Brauch hat kultischen Sinn und Ursprung. Es galt hier, den bösen Mächten dieser Nächte ihre Kraft zu nehmen (nach: Koren 1986, S. 43). Später wurde er, anhand der vielen christlichen Verse sichtbar, christianisiert. Das Anklöckeln gehört zur Gruppe der Heischebräuche, bei denen Gaben erbittet werden (nach: Rauchenecker 1985, S. 172).
Wer sind die Anklöckler?
Früher zogen vor allem Knechte und Mägde von Haus zu Haus, um von den reichen Bauern etwas zu bekommen. Bei diesen war der Brauch aber eher verpönt. In Zeiten größerer Armut erbettelten sich viele Anklöcklergruppen eine kleine Reserve für den Winter. Dafür bot sich als haltbares Lebensmittel gerade auch das Kletzenbrot an.
Auch die Salzachschiffer, die im Winter arbeitslos waren, waren besonders als Klöpfer bekannt (nach: Aiblinger 1976, S. 27). Heute sind die Anklöckler in der Regel sehr jung. Denn vor allem die Kinder haben große Freude an dem Brauch und den kleinen Geschenken. Manchmal gehen auch Erwachsene mit, um die Buben und Mädchen zu begleiten.
Wie treten die Anklöckler auf?
Arme Leute, die den Heischebrauch ausführten, konnten nur in Lumpen auftreten. Denn sie hatten kein Geld. Besonders aufwändig sind die Verkleidungen bei Umzügen in Teilen Österreichs, die jedoch mit einem anderem Datum, der Dreikönigsraunacht, in Verbindung gebracht werden (vgl. Wolfram 1955, S. 208). Mit Schellen, Hammer oder Stöcken heute auch durch einfaches Läuten an der Türglocke machen die Anklöckler auf sich aufmerksam. Das Gesicht ist meist rußgeschwärzt, in manchen Gegenden werden sogar Masken getragen. Die Maskierung trägt zu einer Verwandlung bei. Die Farben Schwarz und Weiß sowie der Ruß stehen in Verbindung mit dem Totenkult (nach Wolfram 1955, S. 208). Die Anklöckler hatten deshalb auch vielfach etwas Geheimnisvolles an sich. In der Wasserburger Gegend war es üblich, dass sie sich mit den Hausbewohnern nur nonverbal verständigten (nach Hager, Heyn 1988, S. 38). Neben dem mystischen Sinn des Verwandelns, hat die »neue« Erscheinungsform der Anklöckler auch einen ganz praktischen Nutzen: Unerkannt zu bleiben, entweder aus Scheu oder aus Spaß.
Altes Liedgut und überbrachte Verse
Die Lieder und Sprüche der Anklöckler beinhalten neben dem Heischen auch Segenswünsche in sämtlichen Bereichen, die den Bauern wichtig sind. Folglich hofften diese, durch den Brauch auf ein gutes Jahr. Wurde ein Hof ausgelassen, waren die Hausleute gekränkt. Denn was man in der Weihnachtszeit schenkt, kommt im nächsten Jahr doppelt herein (nach Wolfram 1955, S. 229).
Das Klopfen hat nicht nur die Bedeutung des höflichen Anklopfens an eine Türe, sondern kann mit der Vertreibung von Übel verbunden werden, wie wir aus dem oft sehr starken Schlagen bei ähnlichen Bräuchen weitum erkennen können.
In der Millstätter Gegend bespritzen die eintretenden Klöckler die Hausbewohner mit Wasser aus Hollerspitzen, denn dadurch gebe der Roggen im kommenden Jahr besser aus (Wolfram 1955, S. 228).
Die Klöckler können unterschiedliche Ansprüche an den Brauch stellen. Identitätsstiftend ist es für die, die den Brauch als Kulturgut erhalten wollen. Dazu gehören vor allem das alte Liedgut und die überbrachten Verse, sowie markante Umzüge in entsprechenden Gebieten.
Als Heischebrauch steht der Erhalt von Geschenken im Vordergrund. Das erklärt auch, warum in der heutigen Zeit nur noch sehr junge Kinder heischen gehen. Die Verse waren mitunter sehr fordernd und mit Drohungen versehen:
Kletzn raus! Kletzn raus!
Oder mir schlagn a Loch ins Haus.
Wollt´s uns nix gebn,
Tean ma an Zaun umlegn,
D´ Henna daschlagn
Und an Glockl no verjan.
(Hager, Hayn 1988, S.36).
Kletzen und Kletzenbrot
»Kletzen« ist die Bezeichnung für Dörrbirnen in Teilen Österreichs und Bayerns. Das Wort hat seinen Ursprung im mittelhochdeutschen »kloezen«, das spalten bedeutet. Die Birnen werden vor dem Trocknen gespalten. Für die Herstellung von Kletzen braucht man spezielle Birnensorten. Die Birnen werden erst eine zeitlang gelagert, regelmäßig gewendet und nach Qualität überprüft. Durch die Lagerung erhalten die Birnen eine spezielle Süße. In einem Dörrofen werden sie in der Nachhitze des Backofens für den Winter haltbar gemacht. Auch früher hatte nicht jeder Bauer einen entsprechenden Ofen, sodass sich mehrere für das Dörren zusammen getan haben. Unter ständiger Kontrolle der Temperatur waren die Birnen erst nach etwa eineinhalb Tagen fertig.
Das Kletzenbrot ist eines der ältesten Weihnachtsgebäcke und wird vor allem im österreichischen, bayerischen und schwäbischen Raum gebacken. Das Brot ist einfach herzustellen, sogar auf zusätzliches Süßen wurde aufgrund der Eigensüße der Kletzen verzichtet. Das Kletzenbrot wird sehr stark mit dem Anklöcklerbrauch verbunden. Der Termin für die Herstellung des Brotes liegt um den Andreastag (30. November). Um diesen Zeitraum beginnen auch die Klöpfelnächte. Angeschnitten und vom Hausvater verteilt, wurde das Kletzenbrot erst am Heiligen Abend oder am Stephanstag (26. Dezember). Besonders den armen Klöcklern kam die lange Haltbarkeit zugute.
Die Bedeutung der Donnerstage
Sehr auffällig ist, dass die Umzüge so streng an die Donnerstage gebunden sind. Bis ins 17. Jahrhundert war der Donnerstag heilig, die Esten stellen ihn sogar über den Sonntag (nach Wolfram 1955, S. 225). Im alten Glauben haben Ahnen und Geister einen hohen Stellenwert, dadurch behielt der Donnerstag sein geheimnisvolles Antlitz, besonders an den drei letzten vor der Heiligen Nacht.
Eine Stimmung voll Ungewissheit wurde auch durch den christlichen Gründonnerstag aufrecht erhalten, der als Gedächtnistag des größten Geheimnisses eingesetzt ist (vgl. Koren 1986, S. 42). Besonders am dritten Donnerstag schimmert eine besondere Gefährdung durch. Es heißt: »Da geht man nicht, weil der Teufel mitgeht. « Ob am dritten Donnerstag noch gegangen werden darf, ist in manchen Regionen umstritten. Eine Regel, die jedoch nicht überall gilt, besagt, dass geklöpfelt werden darf, wenn der Donnerstag vor dem vierten Adventsonntag liegt (nach Rattelmüller 1985, S. 24).
Anklöckeln im Wandel der Zeit
Aufzeichnungen über das Anklöckeln finden sich erst im 15. Jahrhundert. Eine Handschrift der Münchner Staatsbibliothek des Jahres 1454 zählt zu den ältesten Belegen des Klöpfelns: »Das Adventt pringet dir hohen mutt, das ein andere zeitt nit tutt, wann die Clöpfflinsnächt für ware pringt dir Glück und Hayl zu diesm Jahre« (Oelwein 2006, S. 45f.) Entsprechend des Bibelzitats: »Wer anklopft, dem wird aufgetan« (Mt. 7,7) nahm die Kirche den Brauch im Christentum auf (Werner, Werner 1999, S. 39). Eine bis heute gültige Beschreibung des Brauchs findet sich im »Weltbuch« des Sebastian Franck von 1534:
»Drei Dornstag vor Weihnacht klopffen die maydlin und knaben von hauß zu hauß / Durch die statt an den thüren an / die Zukunft der Geburt des Herren verkündigende / und ein glückseliges jar den einwonern wünschende / darvon entpfahen sy von den haussessigen öpfel / birnen nusß und auch Pfennig zu Jar.« (Werner, Werner 1999, S. 291).
Für das Spital zu Augsburg ist in einer Pfründenordnung von 1462 die Spende genau vorgeschrieben. Doch durch die Reformation änderte sich die Einstellung gegenüber dem Klöckeln und es wurde in protestantischen Gebieten verboten (vgl. Werner, Werner 1999, S. 291). Im katholischen Glauben hatte der Brauch weiter seinen Platz: Eine Schrift von 1593 betont: »Es soll sich ein Christ erinnern, dass die Klöpfelsnächt, die zu dieser Zeit einfallen, bedeuten, dass Gott der Herr und auch die Menschen beieinander anklopfen. Die Tür, daran Gott anklopfet, ist das Herz und klopft im Jahr nicht dreimal an, sondern ohne Unterlass.« (Werner, Werner 1999, S. 292)
Die Aufklärung fürchtete den Einfluss des Heischens und führte zum Verbot des Klöpfelns. Eine Überlieferung aus Nürnberg sorgt sich um Kinder, die durch »den durch Zeit und Gewohnheit sanctionierten, schändlichen Gebrauch« zu verrohen drohen (vgl. Werner, Werner 1999, S. 292). Das Kletzein hatte im Rupertiwinkel in dieser Zeit einen einfacheren Stand, da die Säkularisation im ländlichen Raum nicht so konsequent durchgeführt wurde.
Aus der Not heraus belebten Arbeitslose, Knechte und Mägde nach den Kriegen den Brauch in manchen Gebieten erneut, doch blieb er vielerorts unbekannt.
Gerade in Städten ist der Brauch auch an den letzten verbliebenen Orten wieder auf dem Rückzug. Das Heischen ist aufgrund des Reichtums der Bevölkerung kein Grund, um mit Liedern und Sprüchen von Haus zu Haus zu ziehen. Doch gibt es immer wieder Beispiele von traditionsbewussten Einwohnern, die versuchen, das »Kletzein« aufleben zu lassen.
Valentin Brunner
48/2014