Das kleine Schuldirndl in der Adventszeit
Eine Geschichte zur Vorweihnachtszeit
Seitdem ich, als das gut sieben Jahre alte Mädchen das ich damals war, ein neues Zuhause bekommen hatte, veränderte sich für mich so vieles. Vor allem waren es die Tage und Wochen in der Adventszeit, die für mich gänzlich anders geworden waren. Ich vermisste meine große Familie in Pittersdorf sehr, ebenso auch das Pfarrdörfchen, die kleine, vertraute Schule und meine Freundinnen.
Obwohl gerade die Vorweihnachtszeit, damals auf unserem einsamen, verschneiten Gehöft, für mich am schönsten und heimeligsten gewesen ist, kam doch – zumindest in meiner neuen Schule in Grassau – wieder ein bisschen Frohsinn in mir auf. Aber natürlich vermisste ich auch dort so vieles, was mir lieb war. Ich hatte einen Brief von Tante Thea aus Pittersdorf erhalten, in dem sie mir tröstend schrieb, ich solle froh sein, jetzt bei dem vielen Schnee keinen langen Schulweg mehr zu haben. Doch mir ist mein langer Schulweg trotz allem viel lieber gewesen, denn ich hatte ja das Bubenbauern Mattl von Grilling. Diese machte meistens einen kleinen Umweg und zusammen »wachelten« wir frohgemut durch den Schnee unserer Schule zu.
Im Advent mussten wir uns noch um eine gute halbe Stunde früher in der Dunkelheit auf den Weg machen, denn das Engelamt vor der Schule wollten wir ja nicht versäumen. Der Großvater hatte mir jeden Tag draußen vor der Haustür die Laterne angezündet und sie mir fest in meine Hand mit den dicken Wollhandschuhen gedrückt. Die Großmutter wiederum vergaß nie, ihren Finger ins Weihwassertiegerl zu tauchen, und mir das Kreuzzeichen auf die Stirn zu machen.
Schon in den Jahren bevor ich zur Schule ging, durfte ich mit der Großmutter jeden Tag zeitig in der Früh zum »Rorate«, dem Engelamt, mitgehen. In der mir noch fremden Kirche in Grassau gab es natürlich das Engelamt auch, die Schulkinder aber brauchten nur einmal in der Woche vor der Schule dorthin zu gehen.
Sowie die Kirche, war auch die Schule um vieles größer und natürlich gab es viel mehr Lehrkräfte dort.
Zum ersten Advent durften die Kinder mit der Lehrerin, oder daheim mit den Eltern einen großen Adventskranz binden. Diesen hängten Lehrer und Schüler gemeinsam oben an der Schulzimmerdecke auf. Der Adventkranz war für mich etwas ganz Neues, bei meinen Großeltern und auch in unserer Kirche gab es diesen noch nicht. Mich jedoch stimmte dies froh, besonders weil wir auch öfters die Kerzen anzünden und ein dazupassendes Lied singen durften.
Ab der fünften Klasse ist es unser neuer Lehrer gewesen, der trotz seiner Strenge, mit uns Kindern in dieser Vorweihnachtszeit, so manche »Lernstunde strich und uns viele alte, unvergessliche Lieder und Weisen lehrte. Besonders in diesen Stunden konnte ich manchmal sogar mein Heimweh vergessen.
Viele Lieder kannte ich auch schon auswendig und meine neuen Schulkameradinnen wunderten sich, woher ich diese alle kannte. »Natürlich von daheim«, erzählte ich ihnen. Ist doch besonders in dieser »staden, heimeligen Zeit«, daheim bei uns in Pittersdorf kein Tag vergangen, an dem ich ums Dunkelwerden, mit meinen Tanten drinnen in unserer Stube, oder auch im warmen Stall, beim Melken und Ausmisten nicht gesungen habe.
Wenn es dann damals in Grassau auf den Nikolaustag zuging, lernten wir viele Nikolausgedichte. Auch die schönen, alten Geschichten von und über den »Nikolo« und seinen Knecht, den »Klaubauf« oder den »Krampus«, durften wir vorlesen.
In diesen Tagen probten wir auch drinnen im Schulzimmer immer ein Gedicht ein. In der vierten Klasse, spielten wir: »Von draus' vom Walde komm' ich her, ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr. Überall auf den Tannenspitzen, sah ich goldene Lichtlein blitzen«. Dabei kam auch schon der Nikolaus (der Franze war 's, einer der größten in der Klasse), vom hintersten Eck des Klassenzimmers hervorgestapft. Auch das Christkind, das diesem vom Himmel herunterrief, »sich zu sputen«, fehlte nicht bei unserem Spiel. Die Christa durfte selbiges »machen«, denn zum einen war diese ein braves, stilles Mädchen und zum anderen hatte sie lange, blonde Locken.
Bei unserem Lehrer in der sechsten Klasse machten wir aus dem langen Gedicht vom »Nikolaus, dem 'Klaubauf' und dem frechen Maxl unter dem Tisch«, ein lustiges Spiel. Alle waren wir freudig beim Proben dabei, auch wenn nicht jeder »direkt mitspielen konnte«. Da waren die grauen Nebeltage gerade richtig. Wenn dann im dämmrigen Schulzimmer der große, alte Ofen an der Wand brummte und ein Scheit'l laut krachte, da fühlte ich mich fast geborgen.
In der siebten Klasse war es die ungekürzte »Heilige Nacht« von Ludwig Thoma, die wir einstudierten. »Im Woid' is' so stad, alle Weg san' vo' waht, alle Weg san' voschnieb'n, is' koa' Steigerl mehr blieb‘n«.
Einigen Buben gefiel das gar nicht, bei diesen machte unsere Lehrerin sogar eine Ausnahme, sie brauchten nur zuzuhören. Ich aber war mit Leib und Seele dabei und bekam die Rolle »der geizigen Frau des Vetters aus Bethlehem«, welche vom Fenster herunter dem Josef zugerufen hatte: »a' Vetta, des hätt' da' gedaugt«. An einem Nachmittag kurz vor Weihnachten, waren die Eltern zu uns ins Schulzimmer eingeladen. Diejenigen, die kamen, brachten selbstgebackene »Guatln« mit. Wir sangen die alten, vertrauten Lieder und Weisen, dazwischen spielten wir »unsere Heilige Nacht«. Auch zum Ratschen bekamen die Eltern Gelegenheit, meine Mutter war nie zu solchen oder ähnlichen, besinnlichen Stunden mitgegangen und oft bin ich traurig darüber gewesen.
In der achten Klasse, unserem letzten Schuljahr, hatte die Lehrerin ein besonders schönes Krippenspiel ausgesucht. Weil es recht schwierig zum Einlernen war, durften wir schon Anfang Dezember mit dem Proben anfangen. Ich war einer von den Hirten auf dem Feld, die als erstes den Stern von Bethlehem gesehen haben.
Am Heiligen Abend bei der Christmette durften wir vorne am Altar »unsere Heilige Nacht« vorspielen und alle sind wir ganz stolz darauf gewesen.
Diese eigentlich aufregenden, aber dennoch so heimeligen Stunden und Tage gaben mir, dem kleinen Mädchen, das sich so nach seinem »richtigen Daheim« sehnte, ein Gefühl der Geborgenheit, Wärme und auch Fröhlichkeit, damals in der Adventszeit.
Elisabeth Mader
47/2011
Obwohl gerade die Vorweihnachtszeit, damals auf unserem einsamen, verschneiten Gehöft, für mich am schönsten und heimeligsten gewesen ist, kam doch – zumindest in meiner neuen Schule in Grassau – wieder ein bisschen Frohsinn in mir auf. Aber natürlich vermisste ich auch dort so vieles, was mir lieb war. Ich hatte einen Brief von Tante Thea aus Pittersdorf erhalten, in dem sie mir tröstend schrieb, ich solle froh sein, jetzt bei dem vielen Schnee keinen langen Schulweg mehr zu haben. Doch mir ist mein langer Schulweg trotz allem viel lieber gewesen, denn ich hatte ja das Bubenbauern Mattl von Grilling. Diese machte meistens einen kleinen Umweg und zusammen »wachelten« wir frohgemut durch den Schnee unserer Schule zu.
Im Advent mussten wir uns noch um eine gute halbe Stunde früher in der Dunkelheit auf den Weg machen, denn das Engelamt vor der Schule wollten wir ja nicht versäumen. Der Großvater hatte mir jeden Tag draußen vor der Haustür die Laterne angezündet und sie mir fest in meine Hand mit den dicken Wollhandschuhen gedrückt. Die Großmutter wiederum vergaß nie, ihren Finger ins Weihwassertiegerl zu tauchen, und mir das Kreuzzeichen auf die Stirn zu machen.
Schon in den Jahren bevor ich zur Schule ging, durfte ich mit der Großmutter jeden Tag zeitig in der Früh zum »Rorate«, dem Engelamt, mitgehen. In der mir noch fremden Kirche in Grassau gab es natürlich das Engelamt auch, die Schulkinder aber brauchten nur einmal in der Woche vor der Schule dorthin zu gehen.
Sowie die Kirche, war auch die Schule um vieles größer und natürlich gab es viel mehr Lehrkräfte dort.
Zum ersten Advent durften die Kinder mit der Lehrerin, oder daheim mit den Eltern einen großen Adventskranz binden. Diesen hängten Lehrer und Schüler gemeinsam oben an der Schulzimmerdecke auf. Der Adventkranz war für mich etwas ganz Neues, bei meinen Großeltern und auch in unserer Kirche gab es diesen noch nicht. Mich jedoch stimmte dies froh, besonders weil wir auch öfters die Kerzen anzünden und ein dazupassendes Lied singen durften.
Ab der fünften Klasse ist es unser neuer Lehrer gewesen, der trotz seiner Strenge, mit uns Kindern in dieser Vorweihnachtszeit, so manche »Lernstunde strich und uns viele alte, unvergessliche Lieder und Weisen lehrte. Besonders in diesen Stunden konnte ich manchmal sogar mein Heimweh vergessen.
Viele Lieder kannte ich auch schon auswendig und meine neuen Schulkameradinnen wunderten sich, woher ich diese alle kannte. »Natürlich von daheim«, erzählte ich ihnen. Ist doch besonders in dieser »staden, heimeligen Zeit«, daheim bei uns in Pittersdorf kein Tag vergangen, an dem ich ums Dunkelwerden, mit meinen Tanten drinnen in unserer Stube, oder auch im warmen Stall, beim Melken und Ausmisten nicht gesungen habe.
Wenn es dann damals in Grassau auf den Nikolaustag zuging, lernten wir viele Nikolausgedichte. Auch die schönen, alten Geschichten von und über den »Nikolo« und seinen Knecht, den »Klaubauf« oder den »Krampus«, durften wir vorlesen.
In diesen Tagen probten wir auch drinnen im Schulzimmer immer ein Gedicht ein. In der vierten Klasse, spielten wir: »Von draus' vom Walde komm' ich her, ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr. Überall auf den Tannenspitzen, sah ich goldene Lichtlein blitzen«. Dabei kam auch schon der Nikolaus (der Franze war 's, einer der größten in der Klasse), vom hintersten Eck des Klassenzimmers hervorgestapft. Auch das Christkind, das diesem vom Himmel herunterrief, »sich zu sputen«, fehlte nicht bei unserem Spiel. Die Christa durfte selbiges »machen«, denn zum einen war diese ein braves, stilles Mädchen und zum anderen hatte sie lange, blonde Locken.
Bei unserem Lehrer in der sechsten Klasse machten wir aus dem langen Gedicht vom »Nikolaus, dem 'Klaubauf' und dem frechen Maxl unter dem Tisch«, ein lustiges Spiel. Alle waren wir freudig beim Proben dabei, auch wenn nicht jeder »direkt mitspielen konnte«. Da waren die grauen Nebeltage gerade richtig. Wenn dann im dämmrigen Schulzimmer der große, alte Ofen an der Wand brummte und ein Scheit'l laut krachte, da fühlte ich mich fast geborgen.
In der siebten Klasse war es die ungekürzte »Heilige Nacht« von Ludwig Thoma, die wir einstudierten. »Im Woid' is' so stad, alle Weg san' vo' waht, alle Weg san' voschnieb'n, is' koa' Steigerl mehr blieb‘n«.
Einigen Buben gefiel das gar nicht, bei diesen machte unsere Lehrerin sogar eine Ausnahme, sie brauchten nur zuzuhören. Ich aber war mit Leib und Seele dabei und bekam die Rolle »der geizigen Frau des Vetters aus Bethlehem«, welche vom Fenster herunter dem Josef zugerufen hatte: »a' Vetta, des hätt' da' gedaugt«. An einem Nachmittag kurz vor Weihnachten, waren die Eltern zu uns ins Schulzimmer eingeladen. Diejenigen, die kamen, brachten selbstgebackene »Guatln« mit. Wir sangen die alten, vertrauten Lieder und Weisen, dazwischen spielten wir »unsere Heilige Nacht«. Auch zum Ratschen bekamen die Eltern Gelegenheit, meine Mutter war nie zu solchen oder ähnlichen, besinnlichen Stunden mitgegangen und oft bin ich traurig darüber gewesen.
In der achten Klasse, unserem letzten Schuljahr, hatte die Lehrerin ein besonders schönes Krippenspiel ausgesucht. Weil es recht schwierig zum Einlernen war, durften wir schon Anfang Dezember mit dem Proben anfangen. Ich war einer von den Hirten auf dem Feld, die als erstes den Stern von Bethlehem gesehen haben.
Am Heiligen Abend bei der Christmette durften wir vorne am Altar »unsere Heilige Nacht« vorspielen und alle sind wir ganz stolz darauf gewesen.
Diese eigentlich aufregenden, aber dennoch so heimeligen Stunden und Tage gaben mir, dem kleinen Mädchen, das sich so nach seinem »richtigen Daheim« sehnte, ein Gefühl der Geborgenheit, Wärme und auch Fröhlichkeit, damals in der Adventszeit.
Elisabeth Mader
47/2011