Das Ende des Goldenen Zeitalters
Bayerns größte Grabungsstätte aus der Urnenfelderzeit liegt in Zuchering

Sammelfoto von verschiedenen Zucheringer Bronzefunden.

Modell einer Siedlung in der Urnenfelderzeit.

Geschirrbeschläge und Zierbleche eines Pferdegespanns.
Über eintausend Jahre, von 2000 bis 800 vor Christus, dauerte die nach ihrem wichtigsten Werkstoff benannte Bronzezeit. Es war eine Epoche des Wohlstandes, der wirtschaftlichen Blüte und des Friedens, die den nachfolgenden Generationen als »Goldenes Zeitalter« in Erinnerung geblieben ist.
Kennzeichnend für die Bronzezeit ist eine reiche Oberschicht, von der verschwenderisch ausgestattete Gräber auf uns gekommen sind. Unter mächtigen Grabhügeln ruhen die verstorbenen Fürsten mit ihren prächtigen Waffen, ihre Frauen mit erlesenem Schmuck. Aus dem Mittelmeerraum sind die Friedhöfe der altgriechischen Siedlung Mykene weltberühmt.
Warum dieses Goldene Zeitalter vor mehr als dreitausend Jahren ein plötzliches Ende fand, wissen wir nicht. Die Hochkulturen wurden in ihren Grundfesten erschüttert, viele verschwanden für immer. Troja wurde zerstört, die Seemacht Kretas gebrochen, das stolze Mykene wurde zur verlassenen Ruine. Derartige Zeiten des Umbruchs sind immer Krisenzeiten. Aus dem Gefühl der Verunsicherung heraus werden die Menschen empfänglich für neue Ideen, öffnen sich neuen Lehren, die ihnen Heil und Geborgenheit versprechen.
Kein Schriftdokument, keine Dichtung berichten, was sich damals im vorgeschichtlichen Europa zutrug, man stellt nur einschneidende Veränderungen in den Bodenfunden fest. Innerhalb weniger Jahrzehnte trat an die Stelle der reich ausgestatteten Grabkammern unter einem monumentalen Grabhügel die schlichte Feuerbestattung mit einem Minimum an Beigaben. Sie reihte sich ein in die Anonymität riesiger Urnenfriedhöfe – und nach diesen Bestattungsplätzen werden die letzten riesigen Urnenfriedhöfe – und nach diesen Bestattungsplätzen werden die letzten fünf Jahrhunderte der Bronzezeit in Mitteleuropa die Urnenfelderzeit genannt.
Das größte Nekropole der Urnenfelderzeit in Süddeutschland wurde in der Ortschaft Zuchering, heute eine Stadtteil von Ingolstadt, freigelegt. In mehrjähriger Arbeit entdeckten Archäologen insgesamt sechshundert Gräber. Zwei Bestattungsarten sind erkennbar: Brandschüttungsgräber, bei denen die verbrannten Knochenreste der Toten in hölzerne Einbauten großer Gruben geschüttet wurden und reine Urnengräber, die in kleinen Erdgruben den Leichenbrand und einige Grabbeigaben enthielten. Vereinzelt traf man auch auf besonders große Gräber mit reicheren Beigaben, in denen wohl Personen eines gehobenen sozialen Standes ihre letzte Ruhe fanden.
Um Aufschlüsse über das Alter, das Geschlecht und mögliche Krankheiten oder Verletzungen zu erhalten, wurden die Knochenreste von Zuchering an der Universität Gießen untersucht. Die Männer waren mit durchschnittlich 174 Zentimeter für die damalige Zeit recht groß. Starke Muskelansätze deuten auf harte körperliche Arbeit hin. Die Frauen waren gut zehn Zentimeter kleiner, doch auch von robuster Konstitution. Bei den Frauen erreichten nur fünfzig Prozent ein Alter über 35 Jahre, zwanzig Prozent über 45 Jahre. Den Männern erging es etwas besser, immerhin jeder zweite Mann erlebte seinen 43. Geburtstag. Älter als 75 Jahre wurde laut Statistik nur einer von hundert Männern. Auffallend ist die hohe Sterberate bei Frauen zwischen 15 und 40 Jahren; es ist die Zeit der Geburten, die für sie körperlich und sozial eine hohe Belastung bedeutete.
Einen auffälligen Befund lieferte das Grab Nr. 292: Unter den Knochenresten einer 25 bis 30-jährigen Frau fand man das gut erhaltene Scheitelbein mit fünf Bohrlöchern mit einem Durchmesser von fünf Millimetern. Solche Schädelöffnungen oder Trepanationen sollten Entlastung bei starkem Kopfschmerz bringen, verursacht durch Blutgerinnsel oder einen Gehirntumor. Der Zucheringer Frau half der schmerzhafte Eingriff aber nichts, sie ist dabei oder kurz danach gestorben.
Die Menschen, die am Gräberfeld von Zuchering bestattet wurden, waren Bauern und Viehzüchter. Neben Zwergweizen, Emmer, Gerste und Dinkel wurden auch Erbsen, Ackerbohnen, Linsen und Lein angebaut. Wichtigstes Haustier war das Rind, gefolgt von Schwein, Schaf und Ziege, Hühner waren unbekannt. Hunde dienten nicht nur als Wächter für Haus und Hof, sondern wurden auch verspeist, wie Knochenfunde belegen.
Zu Beginn der Urnenfelderzeit gab man den toten nach alter Sitte zunächst noch eine reichhaltige Ausstattung von Geräten und Schmuck mit ins Grab. Das Mindeste war eine bronzene Gewandnadel, oft begleitet von Armringen oder Halsschmuck. Aber bald ging die Beigabe von Bronzegegenständen schlagartig zurück, ebenso verringerte sich die Beigabe von Keramikgefäßen. Es liegt nahe, dahinter religiöse Gründe und gewandelte Jenseitsvorstellungen zu sehen, ohne dass uns nähere Einzelheiten bekannt sind. Von veränderten Glaubensvorstellungen der Urnenfelderzeit zeugt auch eine veränderte Kultsymbolik samt Kultgerät. Häufig werden die Sonne und der Wasservogel (Ente) dargestellt, ferner der Stier und die Mondsichel. Die Sonne dürfte man lebensspendende Kraft zugesprochen, den Wasservogel als Vermittler zur dunklen Tiefe der Erde verehrt haben.
Die Einförmigkeit der Urnengräber könnte den Eindruck einer Gesellschaft ohne soziale Differenzierung erwecken, aber gegen Ende der Urnenfelderzeit ändert sich dieses Bild zugunsten eines deutlich ausgeprägten Unterschieds zwischen Arm und Reich. Offensichtlich bildete sich zunehmend eine Führungsschicht heraus, die man als Kriegeradel bezeichnet. Es waren Anführer auf lokaler Ebene, seltener auch regionale Herrscher. Ihre Macht und Stellung verdankten sie vor allem der Kontrolle und Sicherung des Fernhandels. Wichtigste Handelsprodukte waren Kupfer und Zinn als Rohmaterial der Bronze, das mühsam aus den Bergwerken der Alpen und Westböhmens herantransportiert wurde. Eine weitere Machtbasis war die Kontrolle des Metallhandwerks, das ohne eine ordnende Führungsschicht nicht in Frieden arbeiten konnte.
Eine absolute Seltenheit dieser Adelsschicht war der Besitz eines von Pferden gezogenen Prunkwagens zur Demonstration von Einfluss und gesellschaftlichem Rang. Es waren keine alltagstauglichen, bequemen Fahrzeuge, sondern eher »fahrende Throne«, die nur zu festlichen Anlässen benutzt wurden. In Zuchering fand man nur eine bronzene Beschläge, Konstruktionsteile und Metallreste des Pferdegeschirrs. Die Wagen selbst waren vollständig aus Holz, wahrscheinlich mit Teppichen belegt oder mit Leder ausgeschlagen. An allen Gespannen sieht man als Zierelement den Wasservogel. Pferde waren im übrigen ein Statussymbol, das sich nur wenige leisten konnten, wichtigstes Zugtier war der Ochse. Die Pferde der Urnenfelderzeit hatten mit 1,35 Meter Stockmaß etwa die Größe unserer heutigen Islandponys.
Im Gegensatz zur Bronzezeit gab es in der Urnenfelderzeit weniger Gegenstände aus Gold als zuvor. Nur in sieben von 600 Gräbern wurde Goldschmuck gefunden, auch der in der Bronzezeit äußerst beliebte Bernstein hatte Seltenheitswert. In der späten Urnenfelderzeit tauchen in den Gräbern der Führungsschicht erstmals Gegenstände aus Eisen auf. Die Kenntnis der Eisengewinnung und Eisenverarbeitung war revolutionär und führte schnell zu einem Technologieschub mit völlig neuartigen Werkzeugen – und zu einem neuen Zeitalter, der Eisenzeit.
Die Funde aus dem Zucheringer Gräberfeld vermitteln ein anschauliches Bild vom Leben in Urnenfelderzeit in Bayern; die besten Stücke sind im Stadtmuseum Ingolstadt ausgestellt.
JB
36/2003
Kennzeichnend für die Bronzezeit ist eine reiche Oberschicht, von der verschwenderisch ausgestattete Gräber auf uns gekommen sind. Unter mächtigen Grabhügeln ruhen die verstorbenen Fürsten mit ihren prächtigen Waffen, ihre Frauen mit erlesenem Schmuck. Aus dem Mittelmeerraum sind die Friedhöfe der altgriechischen Siedlung Mykene weltberühmt.
Warum dieses Goldene Zeitalter vor mehr als dreitausend Jahren ein plötzliches Ende fand, wissen wir nicht. Die Hochkulturen wurden in ihren Grundfesten erschüttert, viele verschwanden für immer. Troja wurde zerstört, die Seemacht Kretas gebrochen, das stolze Mykene wurde zur verlassenen Ruine. Derartige Zeiten des Umbruchs sind immer Krisenzeiten. Aus dem Gefühl der Verunsicherung heraus werden die Menschen empfänglich für neue Ideen, öffnen sich neuen Lehren, die ihnen Heil und Geborgenheit versprechen.
Kein Schriftdokument, keine Dichtung berichten, was sich damals im vorgeschichtlichen Europa zutrug, man stellt nur einschneidende Veränderungen in den Bodenfunden fest. Innerhalb weniger Jahrzehnte trat an die Stelle der reich ausgestatteten Grabkammern unter einem monumentalen Grabhügel die schlichte Feuerbestattung mit einem Minimum an Beigaben. Sie reihte sich ein in die Anonymität riesiger Urnenfriedhöfe – und nach diesen Bestattungsplätzen werden die letzten riesigen Urnenfriedhöfe – und nach diesen Bestattungsplätzen werden die letzten fünf Jahrhunderte der Bronzezeit in Mitteleuropa die Urnenfelderzeit genannt.
Das größte Nekropole der Urnenfelderzeit in Süddeutschland wurde in der Ortschaft Zuchering, heute eine Stadtteil von Ingolstadt, freigelegt. In mehrjähriger Arbeit entdeckten Archäologen insgesamt sechshundert Gräber. Zwei Bestattungsarten sind erkennbar: Brandschüttungsgräber, bei denen die verbrannten Knochenreste der Toten in hölzerne Einbauten großer Gruben geschüttet wurden und reine Urnengräber, die in kleinen Erdgruben den Leichenbrand und einige Grabbeigaben enthielten. Vereinzelt traf man auch auf besonders große Gräber mit reicheren Beigaben, in denen wohl Personen eines gehobenen sozialen Standes ihre letzte Ruhe fanden.
Um Aufschlüsse über das Alter, das Geschlecht und mögliche Krankheiten oder Verletzungen zu erhalten, wurden die Knochenreste von Zuchering an der Universität Gießen untersucht. Die Männer waren mit durchschnittlich 174 Zentimeter für die damalige Zeit recht groß. Starke Muskelansätze deuten auf harte körperliche Arbeit hin. Die Frauen waren gut zehn Zentimeter kleiner, doch auch von robuster Konstitution. Bei den Frauen erreichten nur fünfzig Prozent ein Alter über 35 Jahre, zwanzig Prozent über 45 Jahre. Den Männern erging es etwas besser, immerhin jeder zweite Mann erlebte seinen 43. Geburtstag. Älter als 75 Jahre wurde laut Statistik nur einer von hundert Männern. Auffallend ist die hohe Sterberate bei Frauen zwischen 15 und 40 Jahren; es ist die Zeit der Geburten, die für sie körperlich und sozial eine hohe Belastung bedeutete.
Einen auffälligen Befund lieferte das Grab Nr. 292: Unter den Knochenresten einer 25 bis 30-jährigen Frau fand man das gut erhaltene Scheitelbein mit fünf Bohrlöchern mit einem Durchmesser von fünf Millimetern. Solche Schädelöffnungen oder Trepanationen sollten Entlastung bei starkem Kopfschmerz bringen, verursacht durch Blutgerinnsel oder einen Gehirntumor. Der Zucheringer Frau half der schmerzhafte Eingriff aber nichts, sie ist dabei oder kurz danach gestorben.
Die Menschen, die am Gräberfeld von Zuchering bestattet wurden, waren Bauern und Viehzüchter. Neben Zwergweizen, Emmer, Gerste und Dinkel wurden auch Erbsen, Ackerbohnen, Linsen und Lein angebaut. Wichtigstes Haustier war das Rind, gefolgt von Schwein, Schaf und Ziege, Hühner waren unbekannt. Hunde dienten nicht nur als Wächter für Haus und Hof, sondern wurden auch verspeist, wie Knochenfunde belegen.
Zu Beginn der Urnenfelderzeit gab man den toten nach alter Sitte zunächst noch eine reichhaltige Ausstattung von Geräten und Schmuck mit ins Grab. Das Mindeste war eine bronzene Gewandnadel, oft begleitet von Armringen oder Halsschmuck. Aber bald ging die Beigabe von Bronzegegenständen schlagartig zurück, ebenso verringerte sich die Beigabe von Keramikgefäßen. Es liegt nahe, dahinter religiöse Gründe und gewandelte Jenseitsvorstellungen zu sehen, ohne dass uns nähere Einzelheiten bekannt sind. Von veränderten Glaubensvorstellungen der Urnenfelderzeit zeugt auch eine veränderte Kultsymbolik samt Kultgerät. Häufig werden die Sonne und der Wasservogel (Ente) dargestellt, ferner der Stier und die Mondsichel. Die Sonne dürfte man lebensspendende Kraft zugesprochen, den Wasservogel als Vermittler zur dunklen Tiefe der Erde verehrt haben.
Die Einförmigkeit der Urnengräber könnte den Eindruck einer Gesellschaft ohne soziale Differenzierung erwecken, aber gegen Ende der Urnenfelderzeit ändert sich dieses Bild zugunsten eines deutlich ausgeprägten Unterschieds zwischen Arm und Reich. Offensichtlich bildete sich zunehmend eine Führungsschicht heraus, die man als Kriegeradel bezeichnet. Es waren Anführer auf lokaler Ebene, seltener auch regionale Herrscher. Ihre Macht und Stellung verdankten sie vor allem der Kontrolle und Sicherung des Fernhandels. Wichtigste Handelsprodukte waren Kupfer und Zinn als Rohmaterial der Bronze, das mühsam aus den Bergwerken der Alpen und Westböhmens herantransportiert wurde. Eine weitere Machtbasis war die Kontrolle des Metallhandwerks, das ohne eine ordnende Führungsschicht nicht in Frieden arbeiten konnte.
Eine absolute Seltenheit dieser Adelsschicht war der Besitz eines von Pferden gezogenen Prunkwagens zur Demonstration von Einfluss und gesellschaftlichem Rang. Es waren keine alltagstauglichen, bequemen Fahrzeuge, sondern eher »fahrende Throne«, die nur zu festlichen Anlässen benutzt wurden. In Zuchering fand man nur eine bronzene Beschläge, Konstruktionsteile und Metallreste des Pferdegeschirrs. Die Wagen selbst waren vollständig aus Holz, wahrscheinlich mit Teppichen belegt oder mit Leder ausgeschlagen. An allen Gespannen sieht man als Zierelement den Wasservogel. Pferde waren im übrigen ein Statussymbol, das sich nur wenige leisten konnten, wichtigstes Zugtier war der Ochse. Die Pferde der Urnenfelderzeit hatten mit 1,35 Meter Stockmaß etwa die Größe unserer heutigen Islandponys.
Im Gegensatz zur Bronzezeit gab es in der Urnenfelderzeit weniger Gegenstände aus Gold als zuvor. Nur in sieben von 600 Gräbern wurde Goldschmuck gefunden, auch der in der Bronzezeit äußerst beliebte Bernstein hatte Seltenheitswert. In der späten Urnenfelderzeit tauchen in den Gräbern der Führungsschicht erstmals Gegenstände aus Eisen auf. Die Kenntnis der Eisengewinnung und Eisenverarbeitung war revolutionär und führte schnell zu einem Technologieschub mit völlig neuartigen Werkzeugen – und zu einem neuen Zeitalter, der Eisenzeit.
Die Funde aus dem Zucheringer Gräberfeld vermitteln ein anschauliches Bild vom Leben in Urnenfelderzeit in Bayern; die besten Stücke sind im Stadtmuseum Ingolstadt ausgestellt.
JB
36/2003