Jahrgang 2003 Nummer 7

Buntes Maskentreiben auf allen Straßen

Frauen durften früher nicht mitfeiern – Pariser Marktfrauen wählten die erste Karnevalsprinzessin

Der Karneval, in Süddeutschland Fasching, Fastnacht, Fasnet oder je nach Landschaft und in der Schweiz Fasnacht geheißen, ist bei vielen Völkern schon seit Jahrtausenden fest in den Jahresablauf eingebaut. Schon die ersten urbanen Kulturen im Zweistromland der Flüsse Euphrat und Tigris kannten ausgelassene Maskenfeste, bei denen es keine Standesunterschiede mehr gab.

Im alten Griechenland feierte man ähnliche Feste mit nicht weniger lockeren Bräuchen wie im Orient. Mittelpunkt der Maskenfeste in Griechenland war meist ein öffentliches Wetttrinken, an das sich ein großer Festschmaus anschloss.

Bei den Römern der Antike waren die Bacchanalien, die ausgelassenen Trinkgelage zu Ehren des Gottes Bacchus, die Vorläufer der späteren großen Maskenfeste in Italien. Der Ursprung des Wortes Karneval dürfte bis auf die römischen Baccanalien zurückgehen.

Bei diesen Festen wurden Nachbildungen von Schiffen, die auf Räder montiert, über und über mit Blumengirlanden geschmückt und mit lustigen Figurengruppen besetzt waren, durch die Straßen und durch ein Spalier jubelnder Menschen gezogen. Diese Wagen hießen carrus navalis (Schiffskarren).

Sie gaben nicht nur unserem Karneval den Namen, sondern diese Fahrzeuge sind auch gleichsam die Vorläufer der Wagen, die bei den großen Karnevalsumzügen in den Hochburgen der närrischen Fröhlichkeit mitgeführt werden, allen voran Köln, Mainz, Düsseldorf und Nizza.

Nicht wenige Namensforscher vertreten allerdings die Ansicht, der Name Karneval komme von carne vale (»Fleisch lebe wohl«), er habe also mit dem Schiffskarren der Römer nichts zu tun. Hier kann man vielleicht einwenden, dass man dem Fleisch erst am Aschermittwoch Lebewohl sagt, der Name also kaum auf die ganze Karnevalszeit, die seit altersher einige Tage dauerte, anzuwenden ist.

Für den Schiffskarren spricht übrigens auch noch die Tatsache, dass es am Rhein schon früher Schiffswagenumzüge zur Feier der wieder auflebenden Schifffahrt im Frühling gab. Und besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass gerade dort, wo einst die Römer herrschten, nämlich in erster Linie am Rhein, der Karneval seine bedeutendsten Zentren hat.

Im Mittelalter standen neben dem bunten Maskentreiben auf allen Straßen, in den öffentlichen Gebäuden und in den Wirtshäusern vor allem die Fastnachtsspiele im Mittelpunkt. Sie waren meist sehr derbe Angelegenheiten. Erst als der deutsche Meistersinger Hans Sachs sich des Fastnachtsspiels annahm, wurden sie mehr als nur derbe Possen. Im Barock und im Rokoko wurden sie dann in idyllische Schäferspiele umfunktioniert, womit dann leider auch die rustikale Volkstümlichkeit verloren ging. Der Name Fastnacht, Fasnacht oder Fasnet hat nichts mit Fasten zu tun, wie man vermuten könnte. Das Wort kommt von Faseln, also von Unsinn reden und tun. Auch der Rosenmontag, Höhepunkt vieler Karnevalsveranstaltungen, ist nicht mit der »Rose« in Verbindung zu bringen. Vielmehr bedeutet »Rosen« hier »rasen«, was am Niederrhein auch »tollen« heißt. Der Rosenmontag ist demnach der ausgelassene Montag, der »Höchste« im Reigen der Karnevalstage.

Wenig bekannt dürfte sein, dass im Mittelalter nur Männer am Fastnachtstreiben teilnehmen durften. Frauenmasken wurden damals stets von Männern dargestellt. Doch die Frauen wollten die Teilnahme erzwingen. Oft mischten sie sich heimlich in das Maskentreiben – nun aber in männlichen Masken.

Schließlich erreichten sie, dass man ihnen einen besonderen Tag zum Feiern zugestand, die so genannte Weiberfastnacht. An diesem Tag durften die Frauen in den Wirtshäusern schmausen und zechen. Wollten sie das Tanzbein schwingen, holten sie sich einfach die Männer von der Straße. Wer der Aufforderung zum Tanz keine Folge leistete, wurde kurzerhand verprügelt.

Im Elsass veranstalteten die Frauen einen besonderen Umzug, wobei sie Weinfässer auf kleinen Karren mit sich führten und während des Umzuges so manchen mehr oder weniger guten Tropfen »kosteten«. Damit es an einer »Unterlage« für den Wein nicht fehlte, waren die Bäcker und Metzger, an deren Wohnungen und Häusern die Frauen vorbeizogen, verpflichtet, ihnen Brote und Würste zu spendieren.

Auch die Marktfrauen von Paris, die während der Französischen Revolution als »Einpeitscherinnen« bei den Hinrichtungen fungierten, hatten ihren eigenen Karnevalsumzug. Sie wählten die Schönste aus ihren Reihen zur »Reine des Halles«, zur Königin der Markthallen. Das dürfte wohl die erste Faschingskönigin gewesen sein, denn mit prächtigem Gefolge zog sie nach ihrer Wahl durch die Stadt.

FA



7/2003