Begeisterung für die Weihnachtskrippe
Krippendarstellungen im heutigen Sinn entstanden erst zum Ende des 16. Jahrhunderts


Obgleich der Christbaum in unserem Jahrhundert der Weihnachtskrippe weithin den Rang abgelaufen hat, erfreut sich das »Kripperl«, wie man in Bayern sagt, in den letzten Jahren einer neuen Beliebtheit, ja man kann geradezu von einer Krippenrenaissance sprechen. Auf den unzähligen Weihnachtsmärkten in Stadt und Land fehlen fast nie Krippenstände. Hier findet der Krippenfreund ein sehr vielfältiges, in Preis und Qualität recht unterschiedliches Angebot an Figuren aus Holz und Terrakotta, Wachs und Papier, bemalt und bekleidet, oft von Künstlerhand gestaltet, daneben Ställe in verschiedenen Ausführungen und weiteres Zubehör.
Anfänge der Krippentradition
Unsere Weihnachtskrippe mit beweglichen Figuren hat ihren Ursprung in der Verehrung der Krippenszene bereits in frühchristlicher Zeit. So entstanden schon im 4. Jahrhundert in Rom erste Bilder von der Geburt Christi. Figürliche Darstellungen des Geschehens der Heiligen Nacht sind seit dem Ende des 13. Jahrhunderts nachweisbar.
Förderlich für die Entstehung unserer heutigen Krippe waren Weihnachtsspiele, die seit dem Mittelalter in den Kirchen aufgeführt wurden. Mit einer szenischen Darstellung feierte auch Franz von Assisi im Jahre 1223 das Weihnachtsgeschehen. Er verließ dabei den Sakralraum seiner Kirche und führte im Wald von Grecio eine Krippenfeier durch. Mit einer hölzernen Futterkrippe, mit Ochs und Esel, die er dazustellte, wollte er seinen Mitbrüdern die Weihnachtsgeschichte veranschaulichen. Keineswegs war er aber der »Erfinder« der Weihnachtskrippe, wie oft behauptet wird. Er trug lediglich zu ihrer weiteren Verbreitung bei. Einen wesentlichen Beitrag zum Entstehen der Krippe leisteten seit dem 14. Jahrhundert Frauenklöster mit dem Brauch des »Kindleinwiegens«. Dabei wurden von den Nonnen gewickelte (gefatschte) Christkindlfiguren, meist aus Wachs, verehrt.
In der Barockzeit entstanden aus dem Kindleinwiegen szenische Weihnachtsspiele mit Gesang. Noch heute bekannt ist das beliebte Lied »Josef, lieber Josef mein, hilf mir wiegen mein Kindelein«. Nicht zu vergessen sind auch die spätgotischen Krippenaltäre, deren Flügel geschlossen und geöffnet werden konnten. Die Darstellungen zeigen Szenen aus der Menschwerdung Christi, beginnend mit der Verkündigung an Maria durch einen Engel, die Geburtsszene in Bethlehem, die Verehrung des Kindes durch die heiligen Drei Könige.
Krippendarstellungen im heutigen Sinn mit beweglichen Figuren in einer szenischen Darstellung entstanden erst zum Ende des 16. Jahrhunderts. Eine Vorreiterrolle übernahm dabei in Bayern die Wittelsbacher Erzherzogin Maria, die Tochter von Herzog Albrecht V. In einem ausführlichen Briefwechsel bat sie ihren Bruder Wilhelm V., der sich durch besondere Frömmigkeit auszeichnete, ihr doch »ein oxen und esl schnitzen (zu) lassen«. Durch die Förderung der Wittelsbacher fand die Krippe bald Eingang in die Fürstenhöfe des 16. Jahrhunderts.
Im kirchlichen und klösterlichen Bereich begeisterten sich die Jesuiten besonders für die Krippe, denn damit wollten sie das Weihnachtsgeschehen den Gläubigen nahe bringen und so die religiöse Unterweisung fördern. Die Jesuiten wollten ja durch die Gegenreformation die Menschen wieder zum alten Glauben zurückführen in deutlicher Abgrenzung zu den Protestanten. Eine der ersten großen Krippen stellten die Jesuiten im Jahre 1553 in einer Prager Kirche auf. Gut 50 Jahre später, im Jahre 1607, wird erstmals von einer Krippe in der Münchner Michaelskirche berichtet. Während des Dreißigjährigen Krieges, im Jahre 1627, entstand in der Klosterkirche auf der Fraueninsel im Chiemsee eine Krippe. Diese wertvolle Krippe hat, wie die meisten Jesuitenkrippen, die Wirren der Zeit nicht überstanden und wurde vor einiger Zeit wieder restauriert. In der Weihnachtszeit wird sie nun wieder zur Freude der vielen Betrachter aufgestellt.
Blüte der Krippenverehrung
Einen Höhepunkt erlebte die Krippenverehrung in Süditalien und im österreichischen Tirol, aber auch bei uns in Bayern. Mit der Ausdrucksfreude und dem Überschwang der Barockzeit entstanden so ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wahre Meisterwerke der Volkskunst. Die Figuren wurden mit wertvollem Brokat und Samt bekleidet, ganz nach dem Vorbild der Fürstenhöfe.
Wenn heute Hauskrippen aus dieser Zeit noch erhalten sind, so ist dies eigentlich einem Verbot zu verdanken, denn Ende des 18. Jahrhunderts wurde im Zuge der beginnenden Aufklärung und Säkularisierung das Aufstellen einer Krippe von der Obrigkeit verboten. Joseph II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen, sprach neben anderen kirchenfeindlichen Erlassen auch ein Verbot aller Kirchen- und Klosterkrippen aus. Diesem Beispiel schloss sich auch Bayern 1802 an. Die staatlichen Edikte führten aber lediglich dazu, dass die Krippen fortan in Bürgerhäusern und später in Bauernhäusern aufgestellt wurden. König Ludwig I., der viele in der Säkularisation aufgehobene Klöster wieder einrichtete, z. B. Ettal und Andechs, gab schließlich der Krippe auch in den Kirchen wieder ihren einstigen Platz zurück.
Krippenbegeisterung des Volkes
Die in den Kirchen aufgebauten Krippen waren für das Volk immer ein Anreiz, auch in den Wohnungen das Geschehen von Bethlehem nachzuvollziehen. Oft ohne Vorkenntnisse wagten sich einfache Menschen an das Schnitzen der Krippenfiguren, modellierten sie aus Ton und Wachs, fertigten sie aus Papier, bekleideten und bemalten sie. Dargestellt wurden Szenen wie die Herbergssuche, die Anbetung im Stall, die Flucht nach Ägypten und der Besuch der Heiligen Drei Könige. Zu vielen Krippen wurden großflächige Landschaften aus Bergen, Flüssen, Häusern und Straßen geschaffen, die oftmals das ganze Zimmer füllten. Das zeigen uns noch heute viele Tiroler Hauskrippen, z. B. im bekannten Krippendorf Thaur bei Hall in der Nähe von Innsbruck.
Besonders kostbare Krippen aus München, Neapel und Sizilien trug in jahrelanger, kostspieliger Sammlertätigkeit der Münchner Kommerzienrat Max Schmederer zusammen. Die kostbaren Krippen zeigte er zunächst in seiner Wohnung in der Neuhauser Straße. 1892 vermachte er seine riesige Krippensammlung dem Bayerischen Nationalmuseum, wo sie in einer ganzjährigen Dauerausstellung besichtigt werden kann, zur Freude der vielen Besucher aus aller Welt. Die Sammlung des großen Krippenfreundes wurde inzwischen durch Krippen aus Österreich, Italien, Mähren und Südfrankreich erweitert und umfasst heute mehr als 6000 Figuren. Damit ist die Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum die größte Krippensammlung der Welt.
Dr. Albert Bichler
49/2014