Jahrgang 2003 Nummer 28

Beamte im Schatten des Göttlichen

Sonderausstellung des Museums Ägyptischer Kunst München in Seefeld

Einzigartig schön sind die Kalksteinfiguren aus Beamtengräbern, die in der neuen Ausstellung gezeigt werden. Hier das anmutige B

Einzigartig schön sind die Kalksteinfiguren aus Beamtengräbern, die in der neuen Ausstellung gezeigt werden. Hier das anmutige Bildnis des Senenu mit seiner Gattin.
In den Beamtengräbern fanden sich auch solche Gefäße aus feinstem Alabaster. Sie sollen auf magische Weise Ersatz sein für die i

In den Beamtengräbern fanden sich auch solche Gefäße aus feinstem Alabaster. Sie sollen auf magische Weise Ersatz sein für die im täglichen Leben verwendeten Vorbilder sein, auf die aus Kosten- und Platzproblemen häufig verzichtet wurde.
Der Totenkult der alten Ägypter, prächtige, mit goldschimmernden Gegenständen angefüllte Grabkammern der Pharaonen beflügeln die Vorstellungskraft und ziehen Museumsbesucher in ihren Bann. Angesichts der großartigen Ausstattung der antiken Könige wird nur selten ein Blick auf die Gräber der Beamten dieser einst vergöttlichten Herrscher gelenkt.

Zu Unrecht, wie die neue Ausstellung des Staatlichen Museums für Ägyptische Kunst München im Zweigmuseum Schloss Seefeld (Kreis Starnberg) zeigt. Dort ist eine Schau zusammengetragen, die einzigartig ist. Museumsdirektorin Dr. Sylvia Schoske konnte bei der Ausstellungseröffnung betonen, dass das, was hier zu sehen ist, weder im ägyptischen Nationalmuseum in Kairo, noch in der ägyptischen Sammlung im Metropolitain Museum New York, in der renommierten ägyptischen Sammlung in London oder irgendeinem anderen ägyptischen Museum weltweit zu sehen ist: In einem Raum sind neun Statuen aus einem einzigen Grab versammelt, Statuen des Grabinhabers und Dienerfiguren aus der Mastaba des hohen Beamten Djascha in Giza, westlich der großen Pyramiden. Gerade die Dienerfiguren, dargestellt sind alltägliche Arbeiten, wie Mehlsieben oder Kornmessen, aber auch das Packen von Reisegepäck, geben einen tiefen Einblick in den Alltag der einfachen Menschen um 2500 vor Christi. Dieser Fundkomplex ist noch niemals in dieser Vollständigkeit ausgestellt worden. Dieser zeigt die hohe gesellschaftliche Stellung, die Beamten einst inne hatten. Dieses Grab hatte den Leipziger Ägyptologe Georg Steindorff vor genau einem Jahrhundert entdeckt und erforscht. Heute befinden sich die wertvollen Figuren (nur eine der gezeigten stammt aus Münchner Besitz) ebenso wie die Vielzahl der ausgestellten Steingefäße, Keramiken, Reliefs, Kanopen, Werkzeug und Schmuck im Besitz des Leipziger Institutes für Ägyptologie. Sie ist heute die bedeutendste Universitätssammlung ihrer Art in Deutschland. Nachdem deren Räumlichkeiten derzeit umgebaut werden, bot sich die Gelegenheit, dass eine Vielzahl von Stücken nach Bayern ausgeliehen werden konnte. Darunter sind nicht nur Teile der dortigen Dauerausstellung, sondern auch viele aus dem Depot, die der Öffentlichkeit bisher noch niemals zugänglich waren.

Dazu zählt auch das »Leipziger Königsklein«: Nachdem ein neuer Herrscher in Ägypten den Thron bestiegen hatte, wurden häufig die Statuen des Vorgängers in kleine Stücke geschlagen. Derartiges »Geröll« lag jahrzehntelang unbeachtet im Depot, nun haben sich Wissenschaftler daran gemacht, diese Steine zu ordnen und versucht, wie bei einem dreidimensionalen Puzzle die alten Kunstwerke wieder zusammenzufügen. Neben den ersten Ergebnissen an dem »Königsklein« aus Leipzig werden in der Ausstellung auch erste Erfolge beim Puzzle der in München lagernden Bestände gezeigt. Dies ist auch für die Wissenschaft etwas neues, denn zu diesem Thema wurde bisher noch nie etwas wissenschaftlich veröffentlicht.

Nicht nur mit einzigartigen Fundstücken betritt das Münchner Museum Neuland, sondern auch mit der Präsentation der Ausstellung: Der Besucher fühlt sich ein Jahrhundert zurück und an die Arbeitsstätte der Ausgräber zurückversetzt. Er betritt die Schau durch das Originalzelt der Forscher, geht an Fundkisten und Feldbetten vorbei, durchquert das Grabungscamp am Rande des Friedhofs mit den Mastabagräbern der hohen Würdenträger und Beamten, die im Schatten der Pyramiden errichtet sind und erst nach dieser Einstimmung erreicht der die Ausstellungsräume mit den Fundstücken. Beim Verlassen der Ausstellung kann man sich wieder in das Leben der Ausgräber versetzen: Da ist die originale Grabungslizenz zu sehen, Briefe und Tagebücher erzählen vom Glück und der Not der Ausgräber und man stößt auf ein frühes Sponsoring: Um damit werben zu können, wurden die Ausgräber in der Fremde mit heimischen Tütensuppen der Firma Maggi versorgt.

Neben der neuen Ausstellung ist im ersten Stock auch noch die letztjährige Sonderausstellung »Tor zum Jenseits«, die eine Rekonstruktion des dekorierten Grabes des Rai aus Theben-West mit originalen Grabbeigaben zeigt, ebenfalls zugänglich.

Die Ausstellung »Im Schatten der Pyramiden« ist noch bis 16. November jeweils Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr im Zweigmuseum Seefeld des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst München zu sehen.

WE



28/2003