Jahrgang 2013 Nummer 32

Bayern macht Front gegen den Protestantismus

Herzog Albrecht V. zieht Konsequenzen aus der Pfarrvisitation

Herzog Albrecht V., Gemälde von Hans Mielich (1556).
Martin Luther, Holzschnitt von Lucas Cranach.
Die Familie Albrecht V., Altarbild aus dem Münster zu Unserer Lieben Frau in Ingolstadt (1572).
llustration zu einem Pamphlet gegen den Ablass (1518).

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war die Lehre Martin Luthers weit in das heutige Oberbayern und Niederbayern vorgedrungen und hatte in Stadt und Land zahlreiche Anhänger gefunden. Ursache dafür waren in erster Linie die Missstände innerhalb der katholischen Kirche und der mangelnde Wille der Bischöfe zu einer durchgreifenden Reform.

In dieser Situation waren es die bayerischen Herzöge, die den Ernst der Stunde erkannten und das Heft in die Hand nahmen. Sowohl Wilhelm IV. (1508-1550) wie sein Sohn und Nachfolger Albrecht V. (1550-1579) griffen zu äußerst rigorosen Maßnahmen gegen die neue Lehre, in der sie eine politische Gefahr für die Einheit ihres Landes sahen. Nur der einheitliche katholische Glaube garantierte nach ihrer Überzeugung den ungeschmälerten Fortbestand ihrer Herrschaft und den des Hauses Wittelsbach.

Herzog Albrecht V., der ursprünglich in der Religionsfrage als liberal galt, sogar protestantische Gottesdienste erlaubte und deshalb den Ehrentitel »der Großmütige« erhielt, vollzog nach dem Konzil von Trient eine Kehrtwende und machte sich entschlossen daran, in seinem Land auf Biegen und Brechen den alten Glauben wiederherzustellen. Dazu war es notwendig, zunächst einmal die religiöse Lage in den Pfarreien und Klöstern genau zu untersuchen, um zu erkunden, wie weit die Ideen der Reformation im Lande verbreitet waren.

Diesem Ziel dienten die zwei Pfarrvisitationen der Jahre 1558 und 1560. Durchgeführt wurden sie von einer Kommission aus zwei Theologen und zwei hohen herzoglichen Beamten. Auf der Basis dieser Analyse sollten Mittel und Wege gefunden werden, um – wie es in einem herzoglichen Mandat heißt – »die vermessentliche, falsche evangelische Freiheit zu bekämpfen und der alten und wahren christlichen Religion zum Siege zu verhelfen«.

Das Ergebnis der Visitation war niederschmetternd. Es herrschte riesiger Priestermangel, die Kleriker genossen wenig Ansehen, ihre theologischen Kenntnisse waren mangelhaft und näherten sich oft reformatorischen Ansichten. Mindestens jeder dritte Geistliche lebte wie ein Familienvater mit Frau und Kindern zusammen. Viele Gläubige verlangten nach der Kommunion »sub utraque«, das heißt unter den Gestalten von Brot und Wein, und wo ihnen das verweigert wurde, nahmen sie weite Wege in andere Orte in Kauf (das sogenannte »Auslaufen«). Die neue Lehre war bis in abgelegene Dörfer vorgedrungen, wie beschlagnahmte Bücher und Broschüren bewiesen. Von einem einheitlich katholisch geprägten Bayernland konnte keine Rede mehr sein.

Der Jesuit Petrus Canisius, den Albrechts Vater zusammen mit weiteren Ordensbrüdern an die Universität Ingolstadt geholt hatte, schrieb nach Rom: »Die Lage hier ist danach, um einem das Herz stehen zu lassen – die Häresie kann weder durch Gewalt noch durch Reform überwunden werden, weil es einfach zu wenig Priester gibt.« Mehr Priester zu gewinnen war aber nicht Sache des Herzogs, sondern Aufgabe der Bischöfe.

Albrecht V. und seine Räte setzten auf Kontrolle und Gewalt und versuchten mit Härte, mit Drohungen und Strafen, die Untertanen auf den rechten Weg zurückzuholen. Für Toleranz im Glauben war im damaligen Bayern kein Platz. Bald nach der Pfarrvisitation erging ein geharnischtes Mandat an die Richter und Pfleger mit klaren Anweisungen, wie gegen unbotsame Untertanen einzuschreiten und das reformatorische Gedankengut auszumerzen sei. Als Verfasser gilt der herzogliche Rat und Kanzler Simon Thaddäus Eck, die rechte Hand des Herzogs und durch seine langjährige Tätigkeit als Kanzler in Burghausen mit den Verhältnissen vor Ort bestens vertraut.

Im einzelnen werden im Mandat folgende Maßnahmen angeordnet:

❍ Belehrung der Geistlichen. Alle Geistlichen sind vorzuladen und eindringlich zu belehren, dass sie keine »sektischen Schriften« besitzen und für die Predigtvorbereitung nur bewährte katholische Autoren benutzen dürfen, »welche die Ketzereien öffentlich widerlegt und für die wahre Religion gestritten haben«.

❍ Kontrolle der Buchhändler. Jeder herzogliche Richter soll am Sonntag abwechselnd die Gotteshäuser in seinem Amtsbezirk aufsuchen, »damit du allenthalben sehest, wie es von den Seelsorgern und ihren Pfarrkindern gehalten werde«. Vor allem sei darauf zu achten, »ob das gemeine Bauernvolk während der Messe oder der Predigt gar zu wenig zur Kirche komme oder doch alsbald sich wieder entferne, um auf dem Friedhofe oder in der Nähe mit unnützem Geschwätz, Branntweintrinken oder dergleichen Unfug sich die Zeit zu vertreiben«.

❍ Bestrafung von Übertretungen. Vor jeder Kirche ist eine »Prechtel«, ein aus Holzbalken gezimmerter Käfig, aufzustellen. In diese Prechtel ist jeder einzusperren, der den Gottesdienst am Sonntag schwänzt, zu spät kommt oder vorzeitig verlässt. Der Sünder soll doppelt so lange eingesperrt bleiben, »als er sonst hätte in der Kirche verweilen müssen«.

Hart geht der Herzog mit jenen ins Gericht, die sich anmaßen, sich über die Glaubenswahrheiten ein eigenes Urteil zu bilden. »Laien steht solches nicht zu«, ordnet er an. Leider gebe es »unselige, ungehorsame Menschen, die sich über die heiligen Sakramente, die Kirchengebote oder die gottesdienstlichen Bräuche lustig machten und allenthalben das Gift ihrer Lästerungen verbreiteten. Da sei es nur zu begreiflich, wenn es schließlich zur Auflösung aller Ordnung, zum Umsturz und zu Gewalttätigkeiten komme und im Herzen alle Andacht und Frömmigkeit, alle Gottes- und Menschenliebe erlösche, während die sogenannte »evangelische Freiheit« zu Lastern aller Art ausarte.

Schließlich verpflichtet das Mandat alle Beamten, Geistlichen und Lehrer, den Eid auf das Tridentinische Glaubensbekenntnis abzulegen mit einer Abgrenzung zur Lehre Luthers. Der katholische Glaube erhielt damit gleichsam Verfassungsrang und wurde zur Staatsreligion.

Ein von Albrecht V. in München errichtetes Religionstribunal aus zehn weltlichen und sechs geistlichen Mitgliedern drückte deutlich die Vormachtstellung des Staates aus, auch in Fragen des Glaubens. Alle Personen, die im Verdacht standen, mit dem neuen Glauben zu sympathisieren, sollten vor das Tribunal geladen werden. Wer den Belehrungen gegenüber halsstarrig blieb, sollte innerhalb von acht Tagen des Landes verwiesen werden – »dahin, wo man ihn glauben lasset, was er wolle«.

An das Tribunal wurde eine Zensurstelle angegliedert für die Kontrolle aller im Herzogtum angebotenen Schriften. Spezielle Visitatoren mussten regelmäßig in Märkten und Städten die Buchhändler überprüfen. Verdächtige Literatur verfiel der Beschlagnahmung. Jeder Händler musste sich unter Eid verpflichten, keine »sektischen Bücher« im Angebot zu führen. Verstöße sollten wie Meineid bestraft werden.

Da die Pfarrvisitation auch Missstände im Schulwesen an den Tag gebracht hatten, erließ der Herzog eine neue Schulordnung und erklärte, Aufgabe der Schule seien weniger ehrgeizige Lernziele, sondern die Erziehung der Jugend zu Gottesfurcht und Gehorsam. Die Schulen seien rein zu halten von »verdächtigen, verführerischen Büchern, damit die liebe unschuldige Jugend nit vergiftet und auf irrige Meinungen abgeführt« werde, heißt es gleich zu Beginn. Die Lehrer mussten darüber wachen, dass die Schüler jährlich zwei Mal – an Ostern und Weihnachten – Beichte und Kommunion empfingen. Man müsse sich bewusst sein, »dass es bei unserer heiligen Religion mehr um demütige Einfalt, denn um spitzfindige, freche Wissenschaft zu tun ist«.

Als diffiziles Problem stellte sich für den Herzog das Zölibat der Geistlichen dar. Wie die Pfarrvisitation an den Tag gebracht hatte, lebte die Mehrheit der Pfarrer und Kapläne mit Frau und Kindern unter einem Dach. Albrecht hatte deshalb ursprünglich in Rom um die Aufhebung der Zölibatsverpflichtung angesucht, was aber abgelehnt worden war. Das Konzil von Trient hatte das Zölibat sogar erneut bekräftigt.

Die mit der Zensur beauftragten Visitatoren erhielten Anweisung, die »ärgsten Enormitäten des Konkubinats« zu verzeichnen und den Bischöfen zu melden. Sollten diese nicht Abhilfe schaffen, seien die betreffenden Geistlichen des Landes zu verweisen. Aus der Praxis ist jedoch kein Fall bekannt, dass ein Priester wegen seines Lebenswandels aus dem Herzogtum ausgewiesen worden wäre. Im übrigen war es natürlich Sache der Auslegung, was die Visitatoren unter »ärgsten Enormitäten« verstanden.

Als Herzog Albrecht V. starb, hatte sich die Gegenreformation in Altbayern weitgehend durchgesetzt entsprechend dem Grundsatz »Cuius regio, eius religio – Wes das Land, des der Glaube«. Nur die reichsunmittelbaren Grafschaften Haag, Ortenburg, die Reichsstadt Regensburg und das Herzogtum Pfalz-Neuburg waren zur neuen Konfession gewechselt. Einen Sonderfall bildete das wittelsbachische Herzogtum Sulzbach mit Parkstein- Weiden, dessen Bevölkerung gemischt konfessionell war.


Julius Bittmann

 

32/2013