Jahrgang 2007 Nummer 5

Aufstieg und Fall der Herzöge von Leuchtenberg

Die abenteuerliche Geschichte dieser französisch-russisch-bayerischen Familie – Teil I

Die letzte Herzogin Olga von Leuchtenberg um 1900. Sie starb am 28. April 1953 in Seeon.

Die letzte Herzogin Olga von Leuchtenberg um 1900. Sie starb am 28. April 1953 in Seeon.
Rückwand am Grabmal für Georg Herzog von Leuchtenberg in Seeon

Rückwand am Grabmal für Georg Herzog von Leuchtenberg in Seeon
Ein Jahr vor dem Tode ihrer Stammmutter, der Herzogin Auguste von Leuchtenberg 1851, erwarb ihr viertes Kind, die 1812 geborene Tochter Amalie von den Erben eines Münchner Bäckermeisters dessen Besitzungen Stein an der Traun und Seeon. Als diese, die Witwe des Kaisers von Brasilien und Herzogin Donna Amalia von Braganza, 1873 starb, erbte ihre ältere Schwester Josephine, Königin-Mutter von Schweden und Norwegen (geboren 1807), den gesamten Besitz. Nach deren Tod schon drei Jahre später, erwarb ihr Neffe, Herzog Nikolaus von Leuchtenberg, Fürst Romanowsky, beide Güter – die Schlösser Stein an der Traun und Seeon (bis zur Säkularisation 1803 ein Benediktinerkloster) und reiche Ländereien. Dieser, der vierte Herzog von Leuchtenberg, der 1855 den Fürstentitel von Eichstätt verkaufte, bewohnte zeitweilig das Schloss Stein, mit seiner Gemahlin Nadeschda, die nach ihrer Heirat 1879 auch Herzogin de Beauharnais hieß.(1) Sie hielten auch Verbindung mit der Bevölkerung in ihrem Besitztum.

Die Söhne dieser beiden, Herzog Nikolai (geboren 1868 in Genf) und Herzog Georg (geboren 1872 in Rom) erbten die Besitzungen in Stein und Seeon. Ihre Eltern starben beide im Jahre 1891, der Herzog in Paris, seine Frau in St. Petersburg ein halbes Jahr später. Danach verkauften die Brüder Schloss Stein und blieben in Russland, um ihre Militärdienstzeit als russische Staatsbürger zu erfüllen. Sie waren ja ab 1890 russische Herzöge Leuchtenberg geworden. Nach ihrer Militärdienstzeit, die Herzog Georg als kaiserlich-russischer Oberst beendete und Herzog Nikolai als kaiserlich-russischer Kapitän, blieben die beiden noch in Russland und heirateten dort. Herzog Georg und Fürst Romanowsky, der ab 1905 allein in Schloss Seeon blieb, heiratete die Fürstin Olga Repnin 1895 in St. Petersburg, Sein Bruder, Herzog Nikolaus ging nach Südfrankreich. Die Familie des Herzogs Georg wohnte mit Unterbrechung durch den ersten Weltkrieg und noch drei Jahre bolschewistische Revolution bis 1920 in Russland. Danach lebte sie bis zum Tode der Fürstin Olga, die 1953 verarmt in einem kleinen Häuschen nahe am Schlosse in Seeon starb. Herzog Georg verstarb schon 1929 dort und wurde mit einem pompösen Begräbnis in dem von ihm entworfenen Mausoleum beerdigt. Sein Sohn, der letzte Herzog Dimitri von Leuchtenberg (geboren 1898) wanderte in den 30er Jahren nach Kanada aus und starb 1972 in einem kleinen Bergdorf.

Dies ist die Geschichte des Erwerbes von Stein und Seeon durch eine Herzogin von Leuchtenberg im Jahre 1850 und gleich auch ein Vorgriff auf die abenteuerliche Geschichte dieser französisch-russisch-bayerischen Herzogsfamilie. Die französische Revolution und die darauf folgende napoleonische Zeit waren nicht nur eine Zeit radikaler Umwälzungen nach allen Himmelsrichtungen in Europa, sondern auch eine Zeit der stürzenden Throne – Könige wie Fürsten mussten abdanken und waren auf der Flucht, oft gleich drei- bis viermal wie der Herzog von Zweibrücken, spätere Kurfürst von Pfalz-Bayern Maximilian IV. Joseph und danach ab 1806 der erste bayerische König Maximilian I. Joseph. Sein ältester Sohn Ludwig lernte erst mit 13 Jahren 1799 München kennen. Napoleon trieb sie alle davon, besetzte ihre Throne mit Angehörigen seiner Familie und ihm willfährigen Fürsten. Wenn sie zu ihm umschwenkten, wurden sie reichlich mit Titeln und Ländereien belohnt. Italien, Belgien, Holland, Preußen, Spanien – sie alle wurden überrannt Napoleons Brüder wurden dort und in neuen Reichen wie Westfalen als Könige eingesetzt. Napoleons Heere hatten all diese Länder überrannt und auch Österreich in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz im Dezember 1805 in die Knie gezwungen.

Bayern wird Königreich und wechselt zweimal die Fronten

Seit 1799 stand an der Spitze Bayerns der neue Kurfürst Maximilian IV. Joseph, von den bayerischern Ständen der so genannten »Landschaft« lebhaft begrüßt und erst 43 Jahre alt.

Er übernimmt die Regierung im Lande und bringt auch gleich seinen Minister, den Freiherrn Maximilian Joseph von Montgelas mit, den er einst von seinem verstorbenen Bruder übernommen hatte. Dieser ist ein kluger Kopf, versteht viel von der Verwaltung eines Staates und spricht besser französisch als deutsch. Auch der in Strassburg aufgewachsene neue Kurfürst tendiert stark zu Frankreich, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem verstorbenen Bruder, der eine enge Bindung an Österreich bevorzugte. So ist es kein Wunder, dass Maximilian IV. Joseph gleich in seiner ersten Audienz dem französischen Gesandten versichert: »Ihr Land besitzt keinen treueren Freund als mich. Ich bin in Frankreich erzogen und bitte Sie, mich für einen Franzosen zu halten.«(2) Der Kurfürst zieht jetzt auch zum zweiten Mal um, von Straßburg, seinem dortigen Zweibrückener Hof nach München, der bayerischen Landeshauptstadt. Prinz Ludwig gefällt diese 45 000 Einwohner zählende Stadt recht gut, besonders ihre Kunstschätze und Theater. In Frankreich hat sich in diesem Jahr 1799 Napoleon an die Spitze eines Dreierdirektoriums mit allen Vollmachten gesetzt, die Revolutionsregierung abgelöst, das Parlament aufgelöst und die Abgeordneten verjagt. Der neue Herrscher hat dem Revolutionsspuk ein Ende bereitet und in Europa wartet man nun gespannt, was der seit 1790 trotz seines ägyptischen Abenteuers erfolgreiche Feldherr nun alles anstellen wird. Die Lage hat sich jedenfalls grundlegend verändert Bayern steht noch als Verbündeter Österreichs im gegnerischen Lager.

Im Mai 1800 bereits überschreitet eine französische Armee den Rhein, schlägt die Österreicher und dringt gegen Osten vor. Der Kurfürst flieht wieder einmal, diesmal nach Amberg und die Franzosen besetzen München, plündern die Stadt und verlangen hohe Geldkontributionen Der Kurfürst ist höchst erbost über das Vorgehen Napoleons, aber noch mehr über die Österreicher, als er hört, dass sie in Wien einen Waffenstillstand mit dem Eroberer abgeschlossen und Bayern fast vollständig den Franzosen überlassen haben.

Der Friede hält nicht lange. Wieder werden die Österreicher bei Hohenlinden geschlagen und im Frieden von Luneville (vom 9.2.1801) wird die Überlassung des linken Rheinufers mit der Pfalz bestätigt. Nun sieht der bayerische Kurfürst keinen Grund mehr, seinen von Montgelas sehr befürworteten Wechsel zu Frankreich zu vollziehen, auch wenn er noch vier Jahre zaudert. Am 25. September 1805 spricht er noch in einem Brief an Kaiser Franz von Österreich von Neutralität, drei Tage später schließt er ein Schutz- und Trutzbündnis mit Frankreich, nachdem sich die Armee Napoleons schon wieder bei Würzburg befindet.

Dies um so mehr, als er erfahren musste, dass die Österreicher seine 30 000 Mann starke Armee nicht als eigenes Bayerisches Heer bestehen lassen, sondern in die österreichische Armee eingliedern wollten. Zudem hatten sie 1803 ganz Bayern besetzt. So war diese erste Wende für den Kurfürsten nicht mehr schwer. Gemeinsam zogen Franzosen und Bayern mit ihren Armeen von Würzburg über Ulm (der dort die Festung haltende österreichische General Mack musste sich ergeben) und Augsburg nach der Landeshauptstadt München und verjagten die Österreicher am 12. Oktober 1805 endgültig aus Bayern. Diese erste Wende war auch deshalb nicht schwer für den bayerischen Kurfürsten, weil Napoleon die Bayern reichlich belohnte. Nach der Dreikaiserschlacht von Austerlitz (am 2. Dezember 1805) und im darauf folgenden Frieden von Pressburg (vom 27.12.1805) erhielt der Kurfürst ab 1806 nicht nur die Königswürde, sondern auch ein zusammenhängendes Staatsgebiet mit Franken und Schwaben, dazu das österreichische Tirol (allerdings nur von 1805 bis 1815). Das preußische Ansbach und die freie Reichsstadt Augsburg. Mit dem Frieden von Pressburg war Bayern – kurz gesagt – ein Mittelstaat in Deutschland geworden Außerdem kam später noch die Unabhängigkeit vom 1806 aufgelösten ehemaligen »Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation« und durch den napoleonischen Rheinbund ersetzte neue Bündnis, dem auch Bayern beitrat, hin zu.

Da war die Abtretung der Pfalz, um die der nunmehrige Kronprinz Ludwig sehr jammerte, noch zu verschmerzen, wie auch der neue König Maximilian I. Joseph meinte.

Nach dieser ersten Wende ging es fast zehn Jahre an der Seite Napoleons gut. Dann aber folgte neben beinahe ständigen Kriegen auf dem Festland 1812 der Krieg der französischen »Grande Armee« gegen Russland. 500 000 Mann, darunter 30 000 Bayern, erlebten in diesem Feldzug ein totales Fiasko, auch wenn ein Teil von ihnen Moskau erreichte. Vom bayerischen Heer kamen nur 200 Mann lebend nach Hause und 1000 blieben in russischer Gefangenschaft.(3) Die russische Taktik hatte in diesem Krieg gesiegt. Von den insgesamt 9000 Mann, die zurückkehrten in die Heimat, wurden entsetzliche Leiden berichtet. Napoleon kehrte nach Paris zurück und gab die größte Niederlage seiner militärischen Laufbahn zu. Das Jahr 1813 sah den Franzosenkaiser mit wechselndem Kriegsglück auf verschiedenen Kriegsschauplätzen in Europa kämpfen. Der Bayernkönig hielt ihm, solange es nur ging, die Treue. Erst im Oktober, knapp eine Woche vor der Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19.Oktober 1813, vollzieht er die zweite Wende, voller Ängste und Gewissensbisse. Sein Generalfeldmarschall Wrede, der auch in Russland dabei war, gab schließlich den Ausschlag, wenn er zum König sagte: »Mit Napoleon bleiben ist ein Wahnsinn. Der Stern des großen Eroberers ist im Sinken. Ganz Europa findet sich zusammen, um sein Joch abzuwerfen.«(4) Am 7. Oktober 1813 wird im Vertrag von Ried mit den Österreichern die Auflösung des Rheinbundes und die völlige Freiheit und Unabhängigkeit Bayerns festgestellt. Über Gebietsabtretungen steht nichts in diesem Vertrag. »Aber wir werden mit 30 000 Bayern und 30 000 Österreichern gegen den Main marschieren«, teilt der Vater seinem schon seit Jahren zum Abfall drängenden Sohn, dem Kronprinzen Ludwig, mit.4 Napoleon ist wütend, als er unterwegs vom Abfall des Bayernkönigs erfährt und schwört Maximilian Rache: »Nein, keinen Frieden, ehe ich nicht München in einen Aschenhaufen verwandelt habe.«(5)

Nun, Napoleon kam nicht mehr dazu, München zu zerstören. Er kam zwar 1814 noch einmal für 100 Tage von der Insel Elba nach Paris zurück, erlebte sein Waterloo und seine Verbannung auf die Insel Helena, wo er 1821, mit 52 Jahren starb.

Dies war die zweite Wende des Kurfürsten Maximilian IV. Joseph, die wirklich im letzten Augenblick erfolgt war. Er hatte Glück und verlor auf dem Wiener Kongress von 1814/15 nur Südtirol und Salzburg. Sein Stammland und die anderen Gebiete ohne die Pfalz behielt er und lebte noch zehn Jahre bis 1825, nun Gott sei Dank in Frieden.

Die Ahnherrin der Herzöge von Leuchtenberg, Kaiserin Josephine und Napoleon in München

Im Jahre 1806 beginnt die Geschichte der Herzoge von Leuchtenberg in München, die fast zusammenfällt mit der Erhebung Bayerns zum Königreich. Josephine de Beauharnais, seit 1804 Kaiserin der Franzosen als Ehegattin Napoleons, ist nämlich die Ahnfrau und Mutter des ersten Herzogs und Stammvaters des Geschlechts der Herzöge von Leuchtenberg.

Die Kaiserin kam mit Napoleon in die bayerische Landeshauptstadt, um an der Hochzeit ihres Sohnes Eugene de Beauharnais mit der bayerischen Königstochter Auguste teilzunehmen. Ihr Sohn war zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre alt und Vizekönig des neu errichteten Königreiches Italien (König war Napoleon seit Mai 1825). Die Mutter Eugenes war zu diesem Zeitpunkt 42 Jahre alt und bis zur Eheschließung mit dem Kaiser der Franzosen die Witwe eines amerikanischen Freiheitskämpfers, danach französischen Revolutions-Generals und zweimaligen Präsidenten der französischen Nationalversammlung gewesen, der als Opfer der Revolution auf der Guillotine geköpft wurde, weil er angeblich die Stadt Mainz aufgegeben hatte. Sie hatte ihren Sohn 1781 mit gerade 18 Jahren bekommen. Und stammte – wie auch ihr erster Ehemann – von der Insel Martinique. Der drei Jahre ältere Vicomte de Beauharnais war seit 1779 mit seiner Frau verheiratet und hatte schon ein abenteuerliches Leben hinter sich, als er die bildhübsche Kreolin in den Hafen der Ehe führte. Napoleon, der 1796 Josephine geheiratet hatte, ließ sich 1809 von ihr scheiden. Sie lebte fortan in ihrem Schlösschen Malmaison bis zu ihrem Tode 1814. Kurz zuvor hatte der bayerische Kronprinz Ludwig sie noch besucht und fand sie »etwas stärker, aber noch schöner als früher«. Sie beginnt dem Gast gegenüber sofort die letzten Ereignisse zu besprechen und bemerkt, dass die »gesamte Familie Bonaparte lauter Heuchler sind. Dafür sind sie jetzt aber auch von allen verlassen, selbst der Mameluck Rustan, der Schatten des Kaisers, hat ihn im Stich gelassen.«(6) Bald nach diesem Besuch starb die Kaiserin, gerade 54 Jahre alt.

Dr. Ludwig Plank

Literaturhinweise:
1) Kloster Seeon, Hsg. Bezirk Obb., Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn, 1993, S. 371. 2) Ludwig I. von Bayern, Egon Caesar Conte Corti, Verlag Bruckmann München, 1937, S. 29. Bei Doeberl in etwas geänderter Form; der eingefügte Satz lautet: An der Freude, die er bei jedem Erfolge der französischen Waffen empfunden, habe er gefühlt, dass er ein Franzose sei. Doeberl Entwicklungsgeschichte Bayerns, Band II, München 1928, Verlag R. Oldenbourg, S. 392. 3) Ludwig I. von Bayern, S. 158 und Doeberl, Bd. II , S. 448. 4) a. a. O., S. 170. 5) a. a. O .,S. 175. 6) a. a. O., S. 84.


Teil 2 in den Chiemgau-Blättern Nr. 6/2007



5/2007