Jahrgang 2003 Nummer 4

»Arbeit ist der Frauen Zier«

Schöne alte Handarbeiten im Münchner Stadtmuseum

Ausstellung »Frauenlob« Spruchtuch, Leinengewebe, blauer Flachstich. Um 1910 Modemuseum.

Ausstellung »Frauenlob« Spruchtuch, Leinengewebe, blauer Flachstich. Um 1910 Modemuseum.
Reisetasche um 1870. Leder, Wolle, Perlen, Petit-point-Stickerei.

Reisetasche um 1870. Leder, Wolle, Perlen, Petit-point-Stickerei.
Spruchtuch um 1905. Baumwollgewebe, Stielstich.

Spruchtuch um 1905. Baumwollgewebe, Stielstich.
»Frauenlob« – kurz nachdem er seien Ausstellung im Münchner Stadtmuseum (Abteilung Mode) stehen hatte und sie aus Respekt vor den handarbeitenden Frauen so betitelte, zeigten Andreas Ley Bekannte ein Wäschegerät aus den Fünfzigerjahren, das eben dieses Firmen-Logo trug: »Frauenlob«. Wer kennt es heute noch, das Gerät? Das Firmenzeichen? Das meiste, was die Ausstellung »zwischen Kreuzstich und Nähtisch« ansiedelt und in Schaukästen und Glasvitrinen aus Museumsbeständen präsentiert, ist Vergangenheit. Stammt aus der immer wieder so genannten »guten alten Zeit«, sprich aus dem 19./20. Jahrhundert, vor den Kriegen, die die Welt erschütterten und jeglicher Idylle ein Ende bereiteten. Ob das Strick-, Häkel-, Näh- oder sogenannte Merkarbeiten sind, Mustertücher also oder Wadlstrümpfe, Kissenbezüge oder Reisetaschen, Tischdecken oder Handtuchschoner, Schrank- und Regalleisten, Klingelzüge, Kinderkleidchen oder kostbare Bildstickereien – sie weisen die Frau von damals in die Schranken. Dorthin, wo sie der Ehemann so gern gestellt sah: an den Herd, in die Küche, jedenfalls ins Haus, das durch saubere Handarbeit erst zum trauten Heim – Glück allein – wurde.

Was doch alles zu jener hoch gehaltenen »Ideologie der »Reinlichkeit« (falsch wär’s nicht, aus dem »R« ein »P« gemacht und »Peinlichkeit« geschrieben zu haben) gehörte! Ein sauberer Fußboden. Eine aufgeräumte Wohnung. Alles hatte hier seinen Platz. Die Möbel waren mit gestickten Schontüchern belegt, das Klavier hatte eine verzierte, handgearbeitete Staubdecke. Durchbrochene ovale, runde oder längliche Häkeldeckchen zierten Tischchen und Konsolen. Adrett musste alles sein. Das liebte der bürgerliche Hausherr, der – wusste er sein Eheweib bei eitel wonniger Nadelarbeit, allein oder mit einer ebenbürtigen Partnerin – seine Zufriedenheit dadurch ausdrückte, dass er der Frau sein Lob aussprach. »Frauenlob« ist also wirklich der beste Titel für diese Ausstellung der Pingeligkeiten und Plüschdekors.

Naiv die Motivik all der hübschen, heute geradezu belächelten Textilwunder, die im Grunde zu gar nichts nütze waren, doch die Mädchen von zartester Jugend an in Zucht hielten. Da sind Blumenbuketts zu bestaunen, Früchtegirlanden, Blattornamente, Tier- und selten Heraldik-Embleme. Etwas »frecher« wurden die – allerdings auch simpleren – Schontücher für die Handtuchstange in Bad und Küche. Sie weisen Kinderszenen auf, lassen eine Domesdike mit dem Kochlöffel in der Hand vor einem putzig eingerichteten Küchenkasten sinnieren oder bringen in freier Zierornamentik Sprüche (oft in erstaunlich nachlässiger Orthographie) aufs Tapet wie

»Koch und salze mit Bedacht
Hab auf jedes Stäubchen acht«.

Der Frau zur Ermahnung gesagt. Ob sie sich daran hielt? Oder schmunzelte sie nicht manchmal über solche Altklugheit?

»Ich bin der Herr im Hause
das wär gelacht,
was meine Frau sagt,
das wird gemacht.«

Na also. Wenigstens einer, der sich seiner Gattin beugt. Jedoch nicht ohne vorausgeschickt zu haben, dass sie eigentlich herzlich wenig zu sagen hat.

»Wir Frauen sind der Küche Held
Wir brauchen nur vom Mann das Geld«,

heißt es auf einem Spruchtuch um 1905. Es ist aus Baumwollgewebe und weist Stielstich auf. Eine Handarbeitskundige – solche soll’s (nicht nur unter den Armen Schulschwestern vom Anger, gleich gegenüber dem Münchner Stadtmuseum am St.-Jakobs-Platz) noch geben – kennt sich gut aus. Sie weiß die Sticharten zu unterscheiden und belehrt die »dummen« jüngeren Ausstellungsbesucherinnen, indem sie eine Kreuzstich-Vorlesung aus dem Stegreif hält, Flachstich von Hochstich und beides wiederum vom Knötchenstich unterscheidet. Es kommt zu lebhaften Auseinandersetzungen vor den Ausstellungsvitrinen. Vor zwei eine Zimmerecke bildenden Wänden wird aber ehrfürchtig verharrt: Hier hängen die Prachtstücke der Ausstellung. Zweifelsohne aus bestem Bourgoise-Haushalten. Religiöse Motive, weltliche Motive. Erhaben dekorierte Blumen auf Stramin. Ein Abc-Tuch von 1842 (deren gibt es etliche mehr an der Rückwand). Andachtsbilder, diesmal wohl nicht von Klosterfrauen-, sondern von Bürgerweibchenhand gefertigt, gerahmt und zum frommen Gebetsgemahnen aufgehängt. Eine »Ansicht der zweiten Isarbrücke bey München« ist dabei, »wie sie nach dem starken Anlauf des Wassers den 13.ten September 1813 Abends um halb 7. Uhr zusammenstürzte«, so der herzig formulierte Text unter einem kostbaren Stickbild der Biedermeierzeit. Verwendet wurden Seidentaft, Seidengarn und zarte Farben für die »Nadelmalerei«. Stielstich ist das. Aha. Jetzt kennt man ihn. Das Thema Hochwasser in München zeugt nun doch davon, dass nicht alles hier Idylle ist, was die Frauen früher löblich fertigten. Eine Tischdecke, etwa hundert Jahre später, wird man noch antreffen, für die Soldatenszenen mit tiefschwarzem Garn als Erzähl-Bordüre gewählt wurde. Fast makaber. Aber eben auch wahr.

Und nicht nur das verlassene verliebte Mäderl auf einer Waldrandbank unter einer Birke und mit Trosthündchen dabei – wie es ein Handtuchschoner zeigt, auf dem zu lesen ist

»Wenn abends die Heide träumt,
erfasst mich ein Sehnen.«

Solche Spruchtücher, meist um 1900 entstanden, aus Baumwolle, fleckenfrei, tadellos geplättet, Webborte, Baumwollgarn, auf denen lapidar steht

»Arbeit ist der Frauen Zier«,

gibt es in Fülle. Wahrscheinlich wählte das Kustodenteam um Andreas Ley (Leni Gerg, Elke Mürau und Ulrike Zischka), mit Bedacht nur wenige Stücke aus dem immensen volkskundlichen Museumsfundus. Schön, dass es auch Nähwerkzeuge und didaktische Materialien – in bescheidener Beschränkung, damit man den Überblick behält – gibt, um die Zusammenhänge mit den fertigen Stücken herstellen zu können. Was man sich auf jeden Fall merkt, sind die Sinnsprüche. Etwa

»Ordnungssinn und Sauberkeit
sind der Küche schönstes Kleid«

oder – der jungen, noch unerfahrenen Hausfrau in den Mund gelegt –

»Was Mütterlein mir einst beschert
Halt ich in diesem Schranke werth«

Man hatte hohe Ansprüche in Münchens oder anderer Orte Haushalten, wenn man darauf hinwies:

»Der Sinn, das Kleid, die Wäsche rein,
So soll’s bei jedem Menschen sein«.

Selten, dass solche Spruchtücher datiert wurden. Bei einer ganz akkuraten Hausfrau aber war dann doch zu lesen:

»Der Wäscheschrank, das glaube mir
Ist uns’rer Hausfrau beste Zier.
Und an dem Leinn(!)en kannst du schauen
Das Wesen uns’rer deutschen Frauen ... 15. September 1898«

Zur Ausstellung im Münchner Stadtmuseum (Parterre: Modemuseum) »Frauenlob – Zwischen Kreuzstich und Nähtisch«, ist noch bis 22. Juni von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

HG



4/2003