Jahrgang 2013 Nummer 16

»Achental-Keramik« in Grassau

Sie war ein Zweigbetrieb der Coburger Porzellan-Fabrik Cortendorf

Ausstellungsstücke der Achental-Keramik bei der Grassauer Leistungsschau 1948.
Gertraude Griesbach gründete 1943 die Achental-Keramik.
Albert Strunz bei der Modellarbeit, um 1942.
Produkte aus dem Katalog der Achental-Keramik mit dem Emblem der Firma.
Bild vom Betriebsausflug der Achental-Keramik-Belegschaft im Jahre 1955.

Im Internet kann man in den letzten Jahren auf den verschiedenen Auktionsseiten Porzellan-Figuren oder auch Wandmasken der Achental-Keramik finden. Heute ist von der Firma aus Grassau kaum noch etwas bekannt und nur noch sehr wenige der dort ehemals fast 50 Beschäftigten leben heute noch und könnten über ihre damalige Firma berichten. Nur noch wenige können sich daran erinnern, dass die Produkte auch in fast allen Haushalten in Grassau und im Achental zu finden waren, teils als Porzellanfiguren auf den Radiogeräten der Firma Körting stehend.

1943 wurde im Gebäude der ehemaligen Zementfabrik von Adolph Kroher am Bahnhof Staudach-Grassau durch Gertraude Griesbach die Achental- Keramik als Zweigbetrieb der in Coburg ansässigen Porzellan-Fabrik Cortendorf gegründet. Der Name des neuen Betriebes und insbesondere das Emblem wurden ganz bewusst gewählt, denn so konnte das vorhandene Verpackungsmaterial der Vorgängerfirma weiter genutzt werden.

Fast zur gleichen Zeit begründete Gertraude Griesbach auch auf dem Gelände des heutigen Sporthotel Achental das weit über Bayern hinaus berühmt gewordene Arabergestüt Achental. Das Betriebsgelände und die Gebäude gehörten bis 1948 der Staudacher Zementfabrik Adolph Kroher OHG, ging dann durch Erbschaft an Otto Kroher, Apotheker in München. Am 20. Juni 1951 wurde das Fabrikgelände an Franziska Gründinger, der Ehefrau des Geschäftsführers der Achental-Keramik, zum Preis von 20 000 DM verkauft.

Die Keramikfirma begann noch in der Kriegszeit mit der Produktion von einfacher Gebrauchskeramik, wie Schüsseln, Krügen, Ofenkacheln und Geschirr. Nach Beendigung des Krieges stieg auch der Bedarf nach derartigem Geschirr sehr bald an, sodass nicht nur die Beschäftigtenzahl sondern auch die Qualität der Produkte gesteigert werden konnte.

Mit der Nachfrage stieg auch die Anzahl der Belegschaft in den folgenden Jahren kontinuierlich auf bis zu 45 Beschäftigte an. Anfänglich wurden einfache Keramikfiguren, Kerzenständer, Aschenbecher und auch Medaillen in das Programm aufgenommen.

Hauptabnehmer war der deutsche Markt, wobei aber der Transport der gefertigten Güter teils sehr schwierig war. Zwar war das Betriebsgebäude direkt an der Bahnstrecke Marquartstein - Übersee gelegen, aber die weiterführenden Strecken hatten doch sehr unter dem Krieg gelitten und konnten erst langsam wieder repariert werden.

Durch die Währungsreform am 20. Juni 1948 sah sich die Firma genötigt, für einige Tage zu schließen. Danach lief die Produktion langsam wieder an und erreichte nach 2 Jahren wieder die gleiche Belegschaftszahl, wobei vorrangig weibliche Kräfte einen Arbeitsplatz fanden.

Bereits wenige Wochen später, vom 8. bis 29. August 1948, nahm die Achental-Keramik auch an der Grassauer Ausstellung teil, einer Leistungsschau Grassaus, an der sich fast alle Betriebe der Gemeinde sowie viele Künstler beteiligten.

Am 15. August konnte der 1000. Besucher begrüßt werden, ein kleines Mädchen, Hermine Frey aus München, welche nach Grassau evakuiert worden war. Sie erhielt ein Porträt der Firma Weidinger-Jäger, einen Satz Krüge, gestiftet von der Achental-Keramik und einen Puppenkopf, gestiftet vom Grassauer Kasperl, der Firma Harbeck.

In einem Bericht über das Grassauer Geschäftsleben und die verschiedenen Produktionsbetriebe schrieb das Traunsteiner Wochenblatt am 7. November 1949:

»Die Achental-Keramik in Reit, die einen Zweigbetrieb des in Coburg befindlichen Hauptwerkes des Firma Griesbach darstellt, hat vor der Währungsreform mit rund 45 Belegschaftsmitgliedern gearbeitet und alle Gegenstände von einfachster Gebrauchskeramik bis zur wertvollsten Kunstkeramik hergestellt. Die Geldumstellung brachte die zeitweilige Stillegung des Werkes. Nunmehr beginnt das Geschäft wieder langsam anzulaufen. Exportaufträge sind sehr gering und beschränken sich auf die USA. Derzeit arbeitet die Firma mit 12 Mann und hofft, allmählich wieder auf die alte Stärke zu kommen. Eine hemmende Rolle scheint das weite Abliegen des Betriebes von Rohstoffquellen und Absatzgebieten zu spielen.«

Viele der Produkte waren auch in den Wohnungen der Grassauer Bevölkerung und auch im Achental zu finden. Manche hatten aber nur einen kurzen Wert, wie z. B. die Medaillen anderer Orte oder zu Ehren von Künstlern. Sie wurden aber häufig von den Kindern mit nach Hause gebracht, welche in der Grube der Firma spielten, in welcher die minderwertige Ware oder der Bruch abgelagert wurde.

Schon bald widmete sich die Firma in Absprache mit dem Stammbetrieb in Coburg auch der Produktion von Porzellan-Tieren. Beliebt waren dabei insbesondere Rehe und Hirsche, aber auch Tauben und Pferde.

Unter der Firmenleitung durch den Geschäftsführer Gründinger wurde die Produktpalette immer weiter ausgebaut. Sie umfasste aber noch bis 1958 vorrangig Tiere und Tiergruppen, aber auch eine Aktfigur wie die Preisliste von 1958 zeigt.

1958 begann der Stammbetrieb die Porzellanfabrik Cortendorf Julius Griesbach mit der Produktion von Wandmasken. Der Markt wurde zwar schon von verschiedenen deutschen und österreichischen Betrieben beherrscht. Dennoch schaffte es die Firma innerhalb kürzester Zeit, wichtige Marktanteile zu gewinnen und sogar zum Marktführer zu avancieren. Da im Landkreis Coburg nicht genügend Produktionskapazitäten zur Verfügung standen, wurden einige der Wandmasken in Grassau produziert und als Produkt der Achental-Keramik auf den Markt gebracht.

Die Entwürfe stammten von dem Bildhauer und Modelleur Albert Strunz, der auch schon viele der in Grassau produzierten Tierfiguren modelliert hatte.

In den Folgejahren trat die Achental-Keramik auch mit einem eigenen Masken-Programm hervor, dessen Entwürfe ebenfalls auf Albert Strunz zurückgingen. Dazu wurden auch verschiedene Figurinen in das Programm aufgenommen, welche damals viele Wohnzimmer schmückten und heute eher als Kitsch eingeschätzt werden.

Dazu erweiterte die Achental-Keramik ihre Produkpalette um Wandschmuck für Kinder- und Mädchenzimmer. Dazu wurden auch moderner geformte Tierfiguren hergestellt.

Die Belegschaft stieg bis auf 50 Personen an. Als aber die Betriebsgründerin Gertrude Griesbach in den 60er Jahren die Führung des Betriebes an ihren Sohn Friedrich abgab, war das Ende des Betriebes schon absehbar.

Nachdem das Werk in Grassau die Produktion eingestellt hatte, wurde wenige Jahre später auch der Stammbetrieb Cortendorf am 30. Januar 1973 von der Konkurrenzfirma Goebel übernommen.

Auch wenn schon seit mehr 40 Jahren die Produktion von Wandmasken eingestellt wurde, besteht bei einigen Sammlern aus Europa und den USA ein großes Interesse an diesen besonderen Keramikprodukten. Deshalb sind auch manche dieser Masken recht teuer und sehr schwer zu finden, während andere recht häufig im Internethandel und bei Auktionen auftauchen.

In vielen Haushalten in Grassau und in den anderen Gemeinden des Achentals sind noch Einzelstücke aus der Produktion der Achental-Keramik zu finden. Zwar entsprechen sie nicht mehr dem heutigen Zeitgeist und werden eher als überflüssiger Kitsch betrachtet. Dennoch wäre es sinnvoll, diese Produkte der Geschichte unserer Heimat zu bewahren und in Ehren zu halten, damit sich auch zukünftige Generationen daran erinnern können.


Olaf Gruß

 

16/2013