Jahrgang 2014 Nummer 20

200 Jahre Krieger- und Soldatenkameradschaft Ruhpolding

Gründung nach den Napoleonischen Feldzügen

Festgäste und Fahnenabordnungen beim 100-jährigen Gründungsfest am Kirchberg.
Das war die offizielle Einladungkarte zum 100-jährigen Gründungsfest.
100 Jahre Veteranenverein. Beim Wimmer-Anwesen – heute Ruhpoldinger Hof – fand der Festakt statt.
Ruhpoldinger Musterer 1922. Mit auf dem Bild Max Streibl (2. Reihe, 3. von links).
Die St. Michaelglocke wurde vom damaligen Krieger- und Veteranenverein gestiftet und 1933 eingeweiht.
Gefallene Helden des I. Weltkriegs. Auf dieser alten Zeitungsbeilage sind auch einige Ruhpoldinger zu finden.
Am Volkstrauertag wird allen Opfern von Kriegen und Gewaltherrschaft gedacht.
Die Ruhpoldinger Kriegergedächtniskapelle, hier eine Aufnahme von 2013.

Am 24. Mai feiert die Krieger- und Soldatenkameradschaft Ruhpolding ihr 200-jähriges Bestehen. Sie ist damit die älteste Kameradschaft innerhalb der »Vereinigten Krieger- und Soldatenkameradschaften des Chiem- und Rupertigaus« und zählt auch – gemäß Auskunft des »Haus für Bayerische Geschichte« – zu den ältesten in Bayern. Anlass genug, einen Blick auf die abwechslungsreiche Geschichte zu werfen.

Die Zeit Napoleons war zu Ende gegangen und nur wenige Ruhpoldinger Kriegsteilnehmer kehrten 1814 aus den Napoleonischen Feldzügen in die Heimat zurück. Der Schmiedemeister Matthias Oberhauser gewann in diesem Jahr die Heimkehrer für einen Krieger- und Veteranenverein, der 1822 bereits 20 Mitglieder mit einem Jahresbeitrag von 1 fl 29 kr hatte. Am 22. Januar 1826 führte der Veteranenverein seinen ersten Ball durch. In diese Zeit fällt auch die Anschaffung und Aufrichtung eines Militärschildes im Stammquartier Gasthaus zur Post.

Bis 1855 leitete Georg Sojer als Erster Vorstand den Verein. 1834 veranlasste er die Herstellung eines zweiten Vereinsschildes, dessen Aufstellung aber durch ein Verbot des Kgl. Landrichters Winterich von Traunstein drei Jahre verhindert wurde. Es entbrannte ein heftiger Streit, der erst durch den Besuch Seiner Kgl. Hoheit Kronprinz Maximilian von Bayern 1835 in Ruhpolding beendet wurde. Dieser erteilte dem Veteranenverein die Genehmigung zur Aufrichtung eines neuen Militärschildes.

Von 1855 bis 1861 war Matthias Oberhauser Vereinsvorstand. Ihm folgt von 1861 bis 1864 Josef Birnbacher, Altenbauer zu Haßlberg, unter dessen Leitung mit einem großen Kostenaufwand von 300 fl eine zweite, seidengestickte Kirchenfahne angeschafft wurde. Von 1864 bis 1869 war Josef Ringsgwandl, Kaiserbauer zu Bärngschwendt, und nach ihm Philipp Kurz von Niedervachenau bis 1872 Erster Vorstand. 52 Ruhpoldinger zogen beim Deutsch-Französischem Krieg 1870/71 ins Feld, vier sind gefallen. Zu Ehren dieser Gefallenen errichtete der Veteranenverein auf dem Bergfriedhof, neben der Friedhofskapelle ein Denkmal in Form eines gusseisernen Kreuzes, das am 24. September 1871 feierlich eingeweiht wurde. Bei diesem Anlass wurde auch die neue Zugfahne enthüllt. Für Fahne und Monument wurde eine Summe von 350 fl aufgewendet. Dieses Denkmal wurde zwischenzeitlich entfernt, eine Gedenktafel aus Ruhpoldinger Marmor an der Kriegerkapelle erinnert aber noch an die vier Gefallenen.

Nach dem freiwilligen Rücktritt von Philipp Kurz übernahm der pensonierte Soldat Paul Haßlberger von Obergschwendt die Leitung des Vereins, ihm folgte bis 1885 der Postbote Johann Haßlberger. Die folgenden drei Jahre war der Bauer Kendler Vereinsvorstand und von 1888 ab Josef Baueregger, Bauer zu Aschenau. Von der zweiten Fahnenweihe 1889 berichtet die Chronik, dass »noch niemals so viele Menschen im Miesenbacher Tale gesehen worden sind«. Unter Baueregger konnte der Veteranenverein vom 27. bis 29. Juni 1914 sein 100-jähriges Bestehen feiern. In die Feier platzte die Schreckensnachricht von der Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajewo und die Vereine aus den Nachbarländern Salzburg und Tirol mussten wegen der sofortigen Mobilmachung umgehend nach Hause zurück. 500 Ruhpoldinger mussten einrücken und 130 verloren ihr Leben auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges. Die blutigen Schlachten um Verdun, an der Somme, in den Dolomiten und an der Ostfront werden unvergesslich bleiben. Während der Kriegsjahre bis 1919 war Andreas Haßlberger der Vorsitzende und von 1919 bis 1928 der Zimmermeister Valentin Haßlberger.

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg entstand der Plan, in der Nähe der Pfarrkirche eine Kriegergedächtniskapelle zu bauen. Der Architekt Willi Erb aus München wurde beauftragt, diesen Bau zu erstellen. Die Bevölkerung war spendenfreudig, aber die ständige Geldentwertung brachte für die Finanzierung große Schwierigkeiten. 1923 war der Bau vollendet, ebenso die Pieta von Bildhauer Georg Wallisch aus München. Im Protokoll der Generalversammlung am 20. Februar 1927 steht: »Nachdem der V.K.V.R. die Kosten für die Schmückung der Kapelle bisher geleistet hat, ist der Verein an die Erbauer der Kapelle herangetreten, daß dieselbe dem Verein als Eigentum übertragen wird. Die Übertragung wurde v. H. Dekan Ficker, früher Pfarrer v. Ruhpolding und der Volksbank Ruhpolding durch schriftliche Übertragungserklärung vorgenommen. …. Der Verein hat sich verpflichtet, die Kapelle zu erhalten. Bei etwaiger Auflösung des Vereins geht die Kapelle der Kirchenstiftung über«. Ein rechtskräftiger Übertragungsvertrag, beziehungsweise ein Eintrag in das Grundbuch liegt allerdings nicht vor.

1926 schuf Georg Hinterseer, Bildhauer und Holzschnitzer von Brand, zwei große Tafeln aus Eichenholz mit den Namen und Fotos aller Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Diese Gedenktafeln kosteten 690 Reichsmark und wurden am Eingang der Pfarrkirche angebracht. Mittlerweile gehören sie zum festen Bestandteil des Heimatmuseums. Von 1928 bis 1937 war Valentin Beilhack (Draxler) erster Vorstand. Er hatte eine schwere Entscheidung zu treffen, denn schon 1936 wurden die Mitglieder des Krieger- und Veteranenvereins aufgefordert, dem Deutschen Kyffhäuserbund beizutreten. Diese Gleichschaltung aller Vereine war im Dritten Reich üblich und führte meist zu deren Auflösung. Auch die Ruhpoldinger waren dagegen und so war am 16. Januar 1938 die vorläufig letzte Versammlung des Vereins, denn nur 39 Mitglieder waren bereit, dem Kyffhäuserbund beizutreten. Nach der Zwangsauflösung wurde das Vereinsvermögen in Höhe von 292,50 RM der Gemeinde übergeben, welche dieses Geld zur Pflege der Kriegerkapelle, die der katholischen Kirchenverwaltung übereignet wurde, verwendete.

Als Ersatz für die im Ersten Weltkrieg abgelieferten Glocken konnte 1933 eine Bronzeglocke im Gewicht von 1065 Kilogramm angeschafft werden, die am 2. September 1933 von Pfarrer Joseph Eder dem Erzengel Michael geweiht wurde. Sie trägt folgende Inschrift: »In schwerer und doch großer Zeit bin ich gegossen. Für die zum Mahnmal, die für uns das Blut vergossen. Zum Gedächtnis der gefallenen Krieger des Weltkrieges 1914 bis 1918. Gestiftet vom Krieger- und Veteranenverein Ruhpolding 1933. Gebrüder Ulrich Glockengießerei Apolda (Thüringen) «. Im Zweiten Weltkrieg mussten wieder alle Glocken abgeliefert werden. Nur die Michaelisglocke hing weiterhin im Turm der Pfarrkirche. Man traute sich offensichtlich nicht, die »Kriegergedächtnisglocke« einzuschmelzen. Und so erinnert sie auch heute noch beim Läuten an die Gefallenen.

Im Zweiten Weltkrieg sind 201 Ruhpoldinger gefallen und 58 wurden als vermisst gemeldet. Nach Kriegsende hatte die amerikanische Besatzungsmacht zunächst jegliche Vereinstätigkeit untersagt. Die Böllerkanone, mit der bei der Beerdigung eines Kriegsteilnehmers oder Soldaten ein dreifacher Salut geschossen wurde, wurde beschlagnahmt und zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Vorplatz der Kriegergedächtniskapelle erweitert und die Namen der Gefallenen der beiden Weltkriege auf Marmortafeln geschrieben und angebracht. Schon 1947 konnte sich der Verein wieder organisieren und bei der ersten Generalversammlung im Gasthof zur Post wurde wieder Valentin Beilhack zum Ersten Vorsitzenden gewählt. Ihm folgte für kurze Zeit Franz Haßlberger (Binder), der 1949 von Hans Hallweger abgelöst wurde und in dessen Hände die Geschicke des Vereins fast 46 Jahre lang lagen. Für seinen lebenslangen Einsatz bekam Hallweger am 15. November 1987 bei der Generalversammlung die Bürgermedaille der Gemeinde Ruhpolding überreicht. Großen Anteil am Wiederaufbau des Vereins hatten Sebastian Schneblinger, Waicherbauer, und der Schneidermeister Paul Schmuck, der 19 Jahre Kassier und Schussmeister der wieder angeschafften Böllerkanone war. Seit 1931 war der Kaufmann Franz Krieger 44 Jahre im Verein tätig, nach dem Kriege auch in der Vorstandschaft. Auch der damalige katholische Ortspfarrer, Monsignore Roman Friesinger, gehörte als ehemaliger Fallschirmjäger dem Verein an und verwaltete das Amt des Schriftführers, das 1975 an Heribert Hofherr überging.

Am 10. Mai 1964 wurde das 150-jährige Gründungsfest mit der Weihe einer neuen Fahne gefeiert. Die alte Fahne befindet sich im Heimatmuseum. 1973 erhielt die Kriegergedächtniskapelle ein neues Kupferdach. In der Generalversammlung am 16. November 1974 wurde die Änderung des Vereinsnamens in »Kriegerund Soldatenkameradschaft Ruhpolding« beschlossen. Damit war nun der Zugang für die jungen Leute aus der Bundeswehr und für Reservisten frei. Bei den anschließenden Wahlen wurde auch gleich Gerhard Hallweger als Reservist zum Zweiten Vorsitzenden gewählt. 1981 ließ die Gemeinde die Kriegergedächtniskapelle renovieren und der ursprüngliche Farbton – wie an der Pfarrkirche – wurde wieder hergestellt. Am 12. August 1988 wurde eine Patenschaft mit dem damaligen Gebirgsartilleriebataillon 235 in Bad Reichenhall geschlossen. Am 27. August 1989 konnte das 175-jährige Gründungsfest groß gefeiert werden, Festleiter war damals, wie schon 1964, Hans Hallweger. Nach der Auflösung des Patenbataillons am 31. März 1993 ging diese Patenschaft auf die 5. Kompanie des Gebirgsjägerbataillons 231 Bad Reichenhall über und wird auch heute noch gepflegt. Ebenso besteht immer noch eine gute kameradschaftliche Verbindung zu den ehemaligen Soldaten des Patenbataillons, die jetzt in der »Kameradschaft Bad Reichenhall im Kameradenkreis der Gebirgstruppe « organisiert sind. Seit jener Zeit nehmen beide auch jährlich an der Gedenkfeier zum Volkstrauertag teil. Am 20. März 1995 verstarb Hans Hallweger, der bis zu seinem Tode mit unermüdlichem Einsatz den Verein führte. Bei der Generalversammlung 1996 folgte ihm Hannes Burghartswieser als 1. Vorsitzender nach, der inzwischen 18 Jahre die Kameradschaft leitet.

1998 wurden die Mamortafeln der Gefallenen des Ersten Weltkriegs auf Betreiben der Krieger- und Soldatenkameradschaft erneuert und beim Volkstrauertag enthüllt. Die Kosten von rund 30 000 Mark übernahm die Gemeinde. Ein großer Betrag konnte durch Spenden aus der Bevölkerung refinanziert werden. Durch die Öffnung der Ostgrenzen und der Kriegsarchive in Russland kamen auf den Verein neue Aufgaben zu. Man wollte mehr über die 58 Vermissten erfahren. Unter Mithilfe der noch lebenden Verwandten konnte das Schicksal von immerhin drei vermissten Soldaten geklärt werden. Da allerdings auf den Marmortafeln der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs kein Platz mehr war, hat sich die Vorstandschaft des Vereins dazu entschlossen, eine weitere Gedenktafel seitlich der Kapelle anbringen zu lassen, die der Steinmetz Horst Kellndorfer anfertigte. Nachträglich als Gefallene wurden Paul Fellner, Karl Kecht und Josef Danzer ermittelt und auf der neuen Gedenktafel verewigt. Die Entstehungskosten übernahm die Gemeinde Ruhpolding. Am 25. Juni 2013 verstarb unerwartet der Schriftführer Hubert Braxenthaler.

Im Hinblick auf das 200-jährige Bestehen der Krieger- und Soldatenkameradschaft kam es zu weitreichenden Renovierungsmaßnahmen an der Kriegergedächtniskapelle. Große Unterstützung wurde ihr dabei durch Pfarrer Otto Stangl und Bürgermeister Claus Pichler zuteil. Die Katholische Kirchenstiftung und die Gemeinde übernahmen den größten Teil der Renovierungskosten.


Hannes Burghartswieser


Quellenangaben:
Ruhpoldinger Heimatbuch, 3. Auflage, 1998
Pfarrarchiv der Pfarrgemeinde St. Georg Ruhpolding
Protokollberichte der Krieger- und Soldatenkameradschaft Ruhpolding
Privatarchiv Helmut Müller sen.

 

20/2014