Jahrgang 2013 Nummer 21

150 Jahre Musikkapelle Schleching

Lebendiges Musikleben über zwei Jahrhunderte

Musikkapelle um 1926. Vordere Reihe von links: Josef Sigl, Otto Birner, Mathias Genghammer (Musikmeister 1924 bis 1926), Mathias Graf. Hintere Reihe von links: Hörterer Mathias, Johann Sigl, Johann Graf (Musikmeister 1928 bis 1944), Hans-Jörg Bauer, Josef Müller, Jörg Speckbacher, Mathias Bachmann (Musikmeister 1926 bis 1928).
Dorfmusik Schleching am Streichen im August 2007.
Musikkapelle Schleching Juni 2012.

Die Musikkapelle Schleching feiert vom 31. Mai bis 2. Juni ihr 150. Jubiläum. Bereits zum 120-jährigen Bestehen im Jahr 1983 verfasste Heimatpfleger Hartmut Rihl, der seit 1975 die Lyra spielt und Urenkel des Franz Seraph Bachmann aus der Gründungszeit ist, eine umfangreiche Chronik, die er jetzt für die Festschrift zum 150. Jubiläum neu zusammenstellte. Daraus sind hier einige Meilensteine entnommen:

Als 1859 der heute älteste Schlechinger Verein, der Krieger- und Veteranenverein, gegründet wurde, spielten schon Schlechinger Musikanten an den Jahrtagen der Veteranen auf. »Den Musikern aus dem Verein daraufbezahlt 3 Gulden 12 Kreuzer« ist zum ersten Mal im Jahr 1861 im Einschreibbuch des Krieger- und Veteranenvereins belegt. Zwischen 1863 und 1870 ist dort je Mitglied ein Musikbeitrag von 12 Kreuzern jährlich verzeichnet. Meist waren es Bauernsöhne, junge talentierte und musikbegeisterte Schlechinger, die sich über die Jahrzehnte um das Fortbestehen der Musikkapelle verdient gemacht haben. Nur wenige Musikantennamen, wie Franz Seraph Bachmann (1824 bis 1872) und Johann Baptist Graf (1825 bis 1885) sind aus der Anfangszeit sicher überliefert. Der Blasibauer Franz Seraph Bachmann war der erste Schlechinger »Musimoaster«, wie die Kapellmeister ortsüblich genannt wurden. Als hervorragender Klarinettenspieler war der »Blasi Franz« Preisträger bei einem Musikwettbewerb in Regensburg. Den Blasihof kaufte später der Grafnbauer, dessen Nachkommen bis heute Musikanten in der Musikkapelle sind. Johann Baptist Graf, genannt »Lutzn Hans«, war in der Kapelle beim Militär ein exzellent ausgebildeter C-Trompeter. Die damalige Kapelle hatte wohl einen guten Ruf und war bereits oft im Einsatz, auch im benachbarten Tirol.

Im Laufe der weiteren Jahrzehnte wäre die Kapelle beinahe »eingegangen«. Nur eine kleine Gruppe hielt die Musikantentradition aufrecht, darunter die Zimmermeistersöhne Michael und Alois Hacker und Johann Voidl aus Ettenhausen, deshalb in kleiner Besetzung »E’nhauser Böhm« genannt. Dazu gehörte auch der Sohn von Franz Bachmann, der »Blasi Hans«, der seinem Neffen Mathias Bachmann, dem »Sigl Hias« aus Mettenham, das Trompetenspielen beibrachte.

Die Musikmeister ab 1923 Nach dem Ersten Weltkrieg, noch in der wirtschaftlich schweren Zeit, im Jahre 1923, kam es zur Wiedergründung der Musikkapelle. Junge musikalische Burschen, darunter etliche Nachkommen der früheren Musikanten, taten sich zusammen und baten den Aschauer Trompetenspieler Valentin Plenck, als Musikmeister in Schleching eine neue Kapelle aufzubauen. Die weiteren Musikmeister waren dann wieder aus Schleching: Mathias Genghammer, »Schmidbauer Hias«, von 1924 bis 1926; Mathias Bachmann, »Sigl Hias«, von 1926 bis 1928; Johann Graf, »Lutzn Hans«, von 1928 bis 1944 (gefallen); Sebald Pfeiffer, »Bäcker Sebald«, von 1944 bis 1953; Leo Bachmann, der spätere Bürgermeister, von 1953 bis 1998. Leo Bachmann, verstorben 2009, war 45 Jahre lang der damals »dienstälteste« Musikmeister einer Blaskapelle. Ihm oblag es, die Musikkapelle nach dem Zweiten Weltkrieg wieder mit jungen Leuten neu aufzubauen. Bald hatte diese junge Kapelle wieder die Erfolge der Vorkriegskapelle, darunter erste und zweite Musikpreise, Auftritte beim Oktoberfestzug und bei Trachtenfesten und die Pflege von Partnerschaften, zum Beispiel mit Weitmars im Schwäbischen.

Seit 1983 ist die Schlechinger Musikkapelle die Kapelle der Gebirgsschützenkompanie Wössen-Achental. Außerdem veranstaltete die Musikkapelle auf Initiative von Leo Bachmann ab 1983 über einige Jahre hinweg den »Musikantenwinter«. Nach sportlichen Wettkämpfen auf der Skipiste und auf dem Eisplatz beim Eisstockschießen spielten weit über hundert Musikanten aus dem Chiemgau und dem benachbarten Tirol bei der Siegerehrung gemeinsam auf.

Gründung des Musikvereins mit der »Dorfmusik Schleching« 1990

Verschiedene Ereignisse im kommunalen Bereich brachten es mit sich, dass im Herbst 1990 von dreizehn Leuten der Musikverein gegründet wurde und eine kleine Schar von rund zehn Musikanten eine neue Kapelle aufstellten, die »Dorfmusik Schleching«.

Von 1990 bis 1992 waren Josef Zaiser und ab 1992 der aus Neppendorf bei Hermannstadt in Siebenbürgen stammende Walter Reisenauer die Musikmeister. Die Zahl der in forstgrünen Joppen und Hüten mit Spielhahnfeder spielenden Dorfmusikanten, Musikantinnen und Marketenderinnen gehören dazu, stieg in dieser Zeit durch verstärkte Heranbildung Jugendlicher auf 32. Den Musikverein leitete von 1990 bis 2003 der inzwischen zum Ehrenvorsitzenden ernannte Josef Zaiser, danach bis 2010 Rupert Loidl. Seit 2010 ist Wolfgang Bachmann Vorstand. Der Musikverein, unter dessen Dach sich außer der Dorfmusik weitere Musikgruppen befinden, darunter die Schlechinger Alphornbläser, hat sich zur Aufgabe gemacht, die Musikausbildung zu fördern, auch in Zusammenarbeit mit der CANTICA Chor- und Instrumentalschule Schleching und deren Träger, dem Schlechinger Kulturförderverein e.V.

»Musikkapelle Schleching« wird 1993 ein Verein

Die Musikkapelle, nach wie vor in braunen Joppen, rotem Leibl und »Stopselhut« mit Spielhahnfeder spielend, reagierte auf die neue Situation mit der Umwandlung in einen Verein. Ab der Gründungsversammlung am 27. April 1993 bis 2009 war Florian Loferer Erster Vorstand. Seither führt Richard Prasser den Verein.

1998 übergab Leo Bachmann nach 45 Jahren als Musikmeister den Dirigentenstab für ein Jahr an Dietrich Seebohm. Von 1999 bis 2011 war der aus Kössen stammende Erwin Gründler der Musikmeister, gefolgt von Peter Hell.

Schwerpunkte und besondere Ereignisse beider Kapellen

Nach dem Motto »Konkurrenz belebt das Geschäft« waren beide Kapellen bestrebt, Jugendliche heranzubilden, Akzente zu setzen, Profil zu zeigen, Erfolge zu haben. Die Dorfmusik unter Walter Reisenauer legte den Schwerpunkt über die typische Blasmusik hinaus auf das konzertante Musizieren und auf »modernere« Unterhaltungsmusik, so greifen die Klarinettenspieler auch mal zum Saxophon. Die Musikkapelle unter Leo Bachmann und Erwin Gründler verkörperte nach wie vor die klassische Blasmusik, die Traditionen fortführend, auch als Kapelle der Wössen- Achentaler Gebirgsschützen und Jahrzehnte lang als musikalische Gestalterin der Raitener Dankwallfahrt des Chiemgau Alpenverbandes.

Besondere Ereignisse der Musikkapelle im Laufe der letzten 23 Jahre sind die alljährlichen Neujahrskonzerte im vollbesetzten Saal des Gasthofs zur Post, 1993 und 1995 die Auftritte in Bremen bei Schützenfesten, 1993 und 2000 die Reisen nach Fernost mit Auftritten und unvergesslichen Eindrücken in Singapur. Lange schon wird die Freundschaft mit Auftritten in Oberneisen im Rhein-Lahn-Kreis gepflegt. 2003 feierte die Kapelle mit einer Festwoche das 140. Jubiläum. 2012 trat die Kapelle zusammen mit dem Schlechinger Trachtenverein auf einer Großveranstaltung mit Stefanie und Eberhard Hertel in St. Wendel im Saarland auf.

Höhepunkte der Dorfmusik waren mehrere Jahreskonzerte in der Werkhalle von Vinzenz Bachmann, zuletzt 2010 das Konzert zum 20. Jubiläum. 1995, 2003 und 2011 spielte die Dorfmusik in Ettenhausen an der Suhl in Thüringen, 1995 und 2003 in Bremerhaven. 2002 folgte ein unvergessliches Konzerterlebnis in Borganzo bei Imperia am Ligurischen Meer, eingeladen und organisiert von Dr. Jan Bodo Sperling, dem jetzigen Ehrenvorsitzenden des Schlechinger Kultur-Fördervereins. 2004 bis 2009 ging die Reise nach Onolzheim, 2006 und 2009 nach Klingenthal im Vogtland. Bis 2009 gab es mehrere Auftritte bei »Oktoberfesten« in Berlin-Marzahn. Eine beeindruckende Reise führte nach Siebenbürgen in die Heimat der Familie Reisenauer. Das Konzert und der Festzug im historischen Zentrum von Hermannstadt gehören zu den emotionalen Höhepunkten der Dorfmusik.

Getragen von dem Wunsch, wieder zusammenzugehen, trafen sich am 18. Oktober 2012 Musikanten beider Kapellen, um im Vorfeld gut vorbereitete Argumente auszutauschen und die Vorgehensweise festzulegen. Die erste gemeinsame Probe unter Kapellmeister Walter Reisenauer war bereits am 8. November. Die Mitglieder der beiden Kapellen haben sich geeinigt, dass der Name der Kapelle »Musikkapelle Schleching« lautet. Der »Musikmeister« ist Walter Reisenauer, seine Stellvertreter sind Peter Hell und Daniela Küfner. Die Dorfmusikanten übernehmen das Gewand der Musikkapelle. Der erste offizielle gemeinsame Auftritt der rund 50 Musikanten im einheitlichen Gewand ist zum 150. Jubiläum vorgesehen.


Barbara Reichenbach

 

21/2013

 

 

 


Programm zum 150. Jubiläum der Musikkapelle Schleching
Mit einem dreitägigen Fest vom 31. Mai bis 2. Juni im großen Festzelt am Dorfplatz feiert die Musikkapelle Schleching ihr 150-jähriges Bestehen.
Schirmherr ist Bürgermeister Josef Loferer, Festleiter Andi Hell, Trachtenvorstand der »Gamsgebirgler«.
Am Freitag, 31. Mai, ist um 20 Uhr Bieranstich und Tag der Betriebe und Vereine.
Am Samstag, 2. Juni, beginnt um 20 Uhr das Jubiläumskonzert der offiziell wieder vereinten »Musikkapelle Schleching« unter der Leitung von Kapellmeister Walter Reisenauer. Über 50 Musikanten und Musikantinnen der ehemaligen »Musikkapelle Schleching« und der »Dorfmusik Schleching« werden erstmals gemeinsam im einheitlichen Gewand musizieren.
Der Sonntag, 2. Juni, ist dem 150. Jubiläum gewidmet. Um 6 Uhr ist Weckruf. Um 8.30 werden die Vereine empfangen. Die Aufstellung zum Kirchenzug ist um 9.30 Uhr. Der Festgottesdienst beginnt um 10 Uhr mit anschließendem Gemeinschaftsspiel der Stücke »Mein Heimatland« und dem »Bozner Bergsteigermarsch«. Der Festzug durch das Dorf startet um zirka 11.30 Uhr. Anschließend werden die Ehrengaben verliehen.

Das Festzelt wird am darauffolgenden Wochenende für Trachtenveranstaltungen genutzt:
Am Freitag, 7. Juni, ab 20 Uhr: Lustiges Plattln und Tanzen der Aktiven des Chiemgau-Alpenverbandes.
Am Samstag, 8. Juni, ab 18 Uhr Sechs-Vereine-Preisplattln und -drahn.
Am Sonntag, 9. Juni, ab 13 Uhr Achental-Jugendpreisplattln und -drahn.