Jahrgang 2007 Nummer 29

125 Jahre Einheitsgemeinde Ruhpolding

Am 1. 1. 1882 wurden die Landgemeinden Zell, Ruhpolding und Vachenau zusammengelegt

Alte Ansicht von Ruhpolding

Alte Ansicht von Ruhpolding
Zwei, die mit der Gemeindegeschichte eng verbunden sind und sich um Ruhpolding verdient gemacht haben. Links Georg Eisenberger,

Zwei, die mit der Gemeindegeschichte eng verbunden sind und sich um Ruhpolding verdient gemacht haben. Links Georg Eisenberger, der »Hutzenauer«, gehörte seit 1893 dem Gemeindeausschuss an, wurde 1899 Beigeordneter (2. Bürgermeister) und von 1906 bis 1919 Bürgermeister von Ruhpolding. Zudem war er von 1905 bis 1919 Landtagsabgeordneter und von 1920 bis 1932 sogar Reichstagsabgeordneter. Rechts Joseph Pointner, der letzte Bürgermeister von Zell und anschließend Mitglied im Gemeindeausschuss der neuen Einheitsgemeinde Ruhpolding.
Dorfbrunnen von Ruhpolding

Dorfbrunnen von Ruhpolding
Dieses Jahr ist für Ruhpolding wieder ein Jubiläumsjahr, denn die Geburtsstunde der jetzigen politischen Gemeinde schlug am 1. Januar 1882, also vor 125 Jahren. Entsprechend groß wird das ganze Dorf an diesem Wochenende feiern. Aufgrund der ersten Gebietsreform in Bayern nach der Neuordnung wurde ab 1880 begonnen, eine Anzahl kleinerer Gemeinden zu Einheitsgemeinden zusammen zu fassen. So auch im Miesenbacher Tal. Zum 1. Januar 1882 erfolgte schließlich die geplante Zusammenlegung der damaligen Gemeinden Ruhpolding, Vachenau und Zell. Die Urkunde des königlich bayerischen Staatsministeriums des Innern über die »Vereinbarung der drei Gemeinden« befindet sich im Bayerischen Staatsarchiv. Bis zur Zusammenlegung hatte jede dieser drei Gemeinden sich selbst verwaltet und ihren eigenen Gemeindevorsteher, ab 1869 Bürgermeister genannt. Wie Chronisten zu berichten wissen, haben diese drei Gemeinden nicht immer einträchtig nebeneinander gelebt. So gab es zum Beispiel große Meinungsverschiedenheiten, wenn es um den Unterhalt des Schulgebäudes ging, auf das die Kinder aller drei Gemeinden angewiesen waren. Selbst der notwendig gewordene Neubau einer größeren Schule scheiterte, weil man sich nicht über die Rechte und die Aufteilung der Bauleistungen einigen konnte. Selbst die Zusammenlegung zur Einheitsgemeinde erfolgte nicht einstimmig. Die größten Schwierigkeiten bereitete interessanter Weise die »alte« Gemeinde Ruhpolding. Im Ruhpoldinger Heimatbuch ist dazu ein Dokument aus dem Gemeindearchiv vermerkt: »Laut Protokoll vom 21. August 1881 stimmten für die Einheitsgemeinde aus der Gemeinde Ruhpolding 57 wahlberechtigte Bürger, aus Vachenau 31 und aus Zell 44, einschließlich zweier Gegenstimmen«. Nach dem Zusammenschluss wurde Anton Pointner aus Vachenau zum ersten Bürgermeister der »neuen Gemeinde« gewählt. Als »Amtsstube« diente dem Bürgermeister seine Bauernstube. Hierhin kamen die Ruhpoldinger, um ihre Anliegen vorzutragen, Geburten und Todesfälle anzuzeigen oder um Schlichtungen, zum Beispiel bei Grenzstreitigkeiten, zu erreichen. Dem ersten »Gemeindeausschuss« gehörten an:

Aus Ruhpolding: Rupert Zeller, Kaufmann (er war auch Beigeordneter, also 2. Bürgermeister); Georg Dagn, Grabenhäusl; Philipp Hinterreiter, Hansenbauer; Thomas Oberhauser, Dickerschmied; Philipp Pichler, Schwabenbauer; Johann Schweinöster, Lohen.

Aus Vachenau: Bartl Gstatter, Laubauer; Johann Hollweger, Mühlbauer; Valentin Kecht, Uhrmacher in Wasen.

Aus Zell: Johann Egger, Pointner in Froschsee; Georg Kendler, Brandler; Philipp Kurz, Leiter Vordermiesenbach; Joseph Pointner, Zellerbauer (der bis 1881 Bürgermeister von Zell war).

In einem »topographischen und statistischen Bericht über die Gemeinden im Königreich Bayern« von 1825 wurden zum ersten Mal die Grenzen zwischen den Gemeinden festgelegt. Zell umfasste die rechts der Traun liegenden 35 Ortsteile, von Aschenau bis Zwickling. Dieser Ort mit der Kirche St. Valentin war vorwiegend von der Forstwirtschaft geprägt. Auch einen Gasthof gab es, den »Wirt in Zell«, heute »Heim der Stadt Nürnberg«. Hier befand sich auch lange Zeit eine Schießstätte und somit die Heimat der Schützen. Letzter Bürgermeister dieses Ortes am Fuß des Rauschbergs war Joseph Pointner, der Zellerbauer. Vachenau dagegen war vorwiegend landwirtschaftlich strukturiert und umfasste die links der Traun und rechts der Urschlauer Ache liegenden 22 Ortsteile bis Seehaus. Der letzte Bürgermeister von Vachenau, Anton Pointner, der »Kleingstatter«.

Ruhpolding war das Zentrum der Wirtschaft und der langsam aufblühenden Sommerfrische der »Herrschaftlichen« im »Tal der Weißen Traun«. Der Bergfriedhof neben der Pfarrkirche St. Georg war aber die letzte Ruhestätte aller Verstorbenen aus dem Miesenbacher Tal. Mit seinen 26 Ortsteilen links der Traun hatte Ruhpolding auch die größte Einwohnerzahl der drei Gemeinden. 1875 wurden 764 Bewohner gezählt und zusammen mit Vachenau und Zell lebten im Miesenbacher Tal damals etwas über 1750 Menschen. Bis zum Zusammenschluss war Ignaz Högl aus dem Ortsteil Neustadl Bürgermeister von Ruhpolding.

Doch auch über die richtige Schreibweise des Ortsnamens schienen Schwierigkeiten aufgetreten zu sein. So schrieb der damalige Ortspfarrer Wilhelm Meißner am 4. Mai 1885 an das königliche Bezirksamt Traunstein und bat, die »vormalige richtige Schreibweise >Rupolding< statt der seit etwa 30 Jahren gültigen allgemein üblichen Schreibweise >Ruhpolding< wieder zu gebrauchen«. Seine Bitte begründete er folgendermaßen: »Die Einschaltung des ›h‹ mag seinerzeit allerdings darin Grund gefunden haben, daß durch die Umänderung aus Ruepolting in Ruhpolding eine Dehnung des ›u‹-Lautes markiert werden sollte. Da jedoch nach moderner Schreibweise nicht ›Ruhpold‹ und nicht ›Ruhpert‹, sondern ›Rupold‹ und ›Rupert‹ geschrieben wird, so dürfte obige Bitte, das unnötige und ebenso sinnstörende als historisch unbegründete ›h‹ zu entfernen, gerechtfertigt erscheinen«. Das königliche Bezirksamt und die königliche Regierung von Oberbayern verwies die Entscheidung an den Gemeinderat zurück und dieser entschied sich letztendlich für die Beibehaltung des ›h‹.

Die erste große Entscheidung und Tat war der unbedingt notwendige Neubau eines Schulhauses. Der Bau wurde am 1. April 1882 beschlossen und sogar im selben Jahr noch vollendet. Zehn Jahre später erfolgte am 23. Oktober 1892 die Eröffnung des Krankenhauses. Besonders verdient gemacht um die Realisierung haben sich damals Bürgermeister Anton Pointner und Pfarrer Joseph Thalmayr. Ein für Ruhpolding besonders bedeutsames Ereignis gab es am 9. Mai 1895. Da wurde die 13,2 Kilometer lange Eisenbahnstrecke von Traunstein nach Ruhpolding eröffnet. »Mit der Nebenbahn war Ruhpolding an das große Welteisenbahnnetz angeschlossen und damit ein bedeutsamer Schritt zur Erschließung Ruhpoldings als Fremdenverkehrsort vollzogen«, weiß der Chronist im Ruhpoldinger Heimatbuch zu berichten. Unter Bürgermeister Bartholomäus Schmucker wurde das Rathaus erbaut. Größte Schwierigkeiten und zahllose Anfeindungen mussten dabei Schucker und seine Getreuen über sich ergehen lassen, ehe der Bau vollendet war. An der nördlichen Giebelwand erinnert noch folgender Spruch an jene Zeit:

»Kämpfe hats genug gegeben
Eh ich erstand zu diesem Leben
Doch jeder gute Bürgersmann
Hat jetzt auch seine Freude dran
Mit Unfried’i und mit bösen Worten
Ist niemals was geschaffen worden
Drum Bürger zieh die Lehre draus
Halt Einigkeit in diesem Haus!«

Ruhpolding zählt unter den ländlichen Gemeinden zu jenen, die schon lange ein eigenes Wappen haben. Dank der Initiative des ehemaligen Bürgermeisters Bartholomäus Schmucker gibt es dies seit 1922 und symbolisiert das Zusammenwachsen der drei ehemaligen Gemeinden. Auf der Wappenurkunde ist zu lesen: »In rotem Schilde eine aus grünem Dreiberg wachsende/ goldene Linde/ überzogen mit einem silbernen Querflusse/ auf dem unteren Stammteil ein silbernen Schildchen/ worin mit einem goldbegrifften/ silbernen Griesbeil belegtes/ schwebendes/ rotes Kreuz«. Der Dreiberg symbolisiert die ehemaligen drei Gemeinden, die goldene Linde die neue Gemeinde Ruhpolding und der silberne Fluss weist auf die Traun hin, die das Miesenbacher Tal durchschneidet. Das silberne Schild mit dem Beil spielt auf die Steinkreuze vor der Kirche St. Valentin an, wo eine ehemalige Dingstätte vermutet wird.

Und dieses Wochenende wird Ruhpolding dieses Jubiläum entsprechend feiern. Losgehen wird es am heutigen Samstag mit einem Festabend im Kurhaus. Claus Pichler hat dafür ein unterhaltsames Programm mit einheimischen Musikgruppen zusammengestellt und wird zudem die Geschichte der 125-jährigen »Einheitsgemeinde Ruhpolding« noch einmal in Bild und Ton Revue passieren lassen.

Der darauf folgende Sonntag wird um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst an der Schützenkapelle beginnen. Um 11.30 Uhr erfolgt dann die Einweihung der Festsäule am Speedwaystadion, an jenem Ort, an dem sich die Grenzen der ehemaligen drei Landgemeinden getroffen haben. Der anschließende historische Festzug mit vielen Festwägen, Kutschen, Pferdegespannen und historisch gekleideten Bauern, Dienstboten, Soldaten und Bürgern wird sich dann vom Speedwaystadion über die Johannesbrücke durch den Ort bis zum Krankenhaus bewegen und als Gegenzug am Kurhaus enden. In diesem Festzug werden die ehemaligen Landgemeinden mit unterschiedlichen Schwerpunkten die damalige Zeit darstellen. Die Gemeinde Zell wird vom Forstwesen und dem Gasthof Zell mit den Schützen geprägt sein, Vachenau vom bäuerlichen Leben und Arbeiten in dieser Gemarkung und Ruhpolding ist die Nachstellung des Dorflebens – vom Kramer bis zum Hochzeitszug und den Anfängen des Tourismus – vorbehalten.

Hannes Burghartswieser


Quellenangaben:
Bayerisches Staatsarchiv, Ruhpoldinger Gemeindearchiv, Ruhpoldinger Pfarrarchiv, Ruhpoldinger Heimatbuch, 1983, 3. Auflage 1998.



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