Jahrgang 2011 Nummer 17

100 Jahre König-Ludwig-Brunnen in Grassau

Die Büste des Märchenkönigs gilt als die älteste ihrer Art im bayerischen Oberland

König-Ludwig-Brunnen, um 1960.

König-Ludwig-Brunnen, um 1960.
1959 Festansprache vor dem König-Ludwig-Brunnen durch Dr. Franz Zech. Vorne links sitzend der Erbauer des Brunnens Paul Seibold,

1959 Festansprache vor dem König-Ludwig-Brunnen durch Dr. Franz Zech. Vorne links sitzend der Erbauer des Brunnens Paul Seibold, der 1911 das Denkmal geschaffen hat.
In unregelmäßigen Abständen fanden in der Folgezeit auch Veranstaltungen zum Gedenken an König Ludwig II. statt, wie zum Beispie

In unregelmäßigen Abständen fanden in der Folgezeit auch Veranstaltungen zum Gedenken an König Ludwig II. statt, wie zum Beispiel 1965 durch die Gebirgsschützen.
Seit nunmehr 100 Jahren bildet der König-Ludwig-Brunnen im Zentrum Grassaus einen Glanzpunkt des Dreiecks mit der Pfarrkirche und dem Alten Pfarrhof, der heutigen Tourist-Info.

Am 30. Juli 1910 stellte der Veteranen- und Kriegerverein Grassau unter Leitung von Hans Freiherr Vogt von Hunoltstein den Antrag beim Königlichen Bezirksamt in Traunstein vor der Kirche in Grassau ein Denkmal für König Ludwig II. zu errichten. Das Denkmal sollte gleichzeitig eine Erinnerungsstätte für die Gefallenen aus Grassau und Rottau in den Kriegen 1866 und 1870/71 sein, aus der Zeit also, als König Ludwig II. in Bayern herrschte.

Am 24. August 1910 erteilte das Königliche Bezirksamt Traunstein die offizielle Genehmigung für den Bau. Mit dem Entwurf des Denkmals und der Fertigung der Marmorbüste wurde der Münchner Bildhauer Köpf beauftragt, die Ausführung der Büste oblag dem Bildhauer Barbisch in Endorf, während die Ornamentik, die Beschriftung und die Herstellung der Königskrone dem Grassauer Steinmetzmeister Paul Seibold übertragen wurden. Nach Angaben von Dr. Zech war ursprünglich geplant, die modellierte Büste auf einem Felsblock zu platzieren. Später entschloss man sich aber die Büste in einer Nische in einer Brunnenanlage an der Friedhofsmauer bei der Kirche aufzustellen. Die Brunnanlage als Ganzes wurde dann vom Grassauer Steinmetz Paul Seibold erstellt.

Als man im Jahre 1911 davon hörte, dass die Grassauer König Ludwig II. durch die Errichtung eines Brunnendenkmals ehren wollten, fand dieses Projekt nach August Sieghard im ganzen Chiemgau und darüber hinaus freudigen Widerhall. »Mit einer wahren Leidenschaft hat sich der Altmusikmeister der Grassauer Musikkapelle, der Fetznbauer Michael Moritz vom benachbarten Rottau, ein glühender Verehrer des Märchenkönigs, für das Projekt eingesetzt. Landauf, Landab ging er um freiwillige Spenden zu sammeln und übernahm außerdem auch noch die Bürgschaft für die Kostensumme in Höhe von 2400 Mark. Neben dem Veteranen- und Kriegerverein Grassau, der als Unternehmer für den Bau des Denkmals auftrat, waren es vor allem auch die Veteranen- und Kriegervereine Egerndach und Rottau, die sich vorbildlich an der Sammlung freiwilliger Spenden beteiligten.« (Altbayerische Heimatpost Nr. 32, Seite 1, August 1959)

Die vom Bildhauer Köpf gefertigte Büste des »Märchenkönigs« aus weißem Carrara-Marmor gilt als die älteste ihrer Art im bayerischen Oberland. Sie zeigt den Bayernkönig in ziviler Kleidung, während er sonst nur in Offiziersuniform dargestellt wurde. Der Brunnen stellt zudem das erste König-Ludwig-Denkmal auf dem Lande auf bayerischem Boden dar.

Oben auf dem aus Muschelkalk gearbeiteten Brunnen thront die Königskrone, während der Löwenkopf einen ruhigen Wasserstrahl ausspeit. An den Seitenteilen des Brunnens wurden die Tafeln mit den Gefallenen aus Grassau und Rottau der Kriege 1866 und 1870/71 angebracht. Am 20. August 1911 wurde der König-Ludwig-Brunnen offiziell eingeweiht.

Mit den Jahren wurden die Namen auf den Seitenteilen unleserlich und die Tafeln schadhaft. Auch deshalb wurde am 29. Juni 1923 nicht weit vom Brunnen entfernt nördlich der Kirche ein neues Kriegerdenkmal vom Veteranen- und Kriegerverein Grassau unter Leitung von Freiherr von Hunolstein enthüllt. Das neue Kriegerdenkmal wurde von einem weithin sichtbaren Löwen gekrönt.

Da der Platz vor dem König-Ludwigs-Brunnen bei Starkregen immer wieder unter Wasser stand, waren bauliche Maßnahmen erforderlich.

Am 18. Juli 1928 meldete die Achentaler Zeitung dazu: »Einem längst vorhandenen Bedürfnis ist nun abgeholfen. Bei Regenwetter oder Schneeschmelze ward häufig der Dorfplatz in der Gegend vor dem König Ludwig Denkmal zu einem See verwandelt, so daß eine Überquerung der Straße kaum möglich war. Durch die nun eingebaute Steinrinne wird diesem Übel sicher abgeholfen sein und auch was Sauberkeit betrifft macht sich diese Regulierung sehr schön.«

Der König-Ludwig-Brunnen prägte das Bild Grassaus im Zentrum ganz entscheidend. Ob bei der Weihe der neuen Kirchenglocken am 11. Mai 1926, beim Aufstellen des Maibaums 1933 oder 1939 bei der Musterung.

1959 wurde der Brunnen saniert und grundlegend gesäubert. Im Laufe der Zeit war er etwas unansehnlich geworden. In den letzten Jahren des Krieges war auch sein Brunnen versiegt. Die Mauerung wies bedenkliche Risse auf und das Schriftband »Ludwig II., König von Bayern«, war kaum noch zu entziffern, insgesamt war der Brunnen kein Schmuck mehr für den Ort. So gab es in Grassau sogar Stimmen, welche meinten, dass man den Brunnen von seinem Platz entfernen und an einer anderen Stelle aufstellen solle, dort wo er nicht störe. Gegen diesen Vorschlag wandte sich aber die deutliche Mehrheit im Ort. Der Kreisrat und praktische Arzt Dr. Franz Zech erbot sich, die dringend notwendige, gewünschte Wiederherstellung weitgehend selbst zu übernehmen. Er beantragte zusammen mit dem Veteranen- und Kriegerverein beim Bayerischen Landesamt für Denkmalspflege in München die notwendige Sanierung. Die Genehmigung erfolgte mit Schreiben vom 27. April 1959:

»Die Renovierung des König-Ludwig-Denkmals in Grassau wird gemäß der Verordnung über die Errichtung von Denkmälern vom 27. 3. 1919 (BayBS II S. 460) unter folgenden Bedingungen genehmigt: 1. Die Namenstafeln sind durch Muschelkalkplatten zu ersetzen.

2. Für die Schriften ist die alte Schriftform zu verwenden.

Für diesen Bescheid wird eine Gebühr von 5 DM festgesetzt, die mittels beiliegender Zahlkarte bis spätestens 10. 5. 1959 an die Amtskasse des Landratsamtes zu überweisen ist.

i.A.
(Dr. Rittelmeyer)
Regierungsrat«

In den folgenden Monaten erfolgte die Renovierung des Brunnens durch den Grassauer Bildhauer und Steinmetz Fritz Seibold, dem Sohn des Erbauers des Brunnens. Die schadhaften Muschelkalkplatten wurden durch neue ersetzt, die Marmorbüste des Königs wurde fachmännisch gereinigt, die Beschriftung erneuert und auch die Wasserzufuhr aus dem benachbarten Pfarrgarten und der Abfluss wurden neu geregelt. So erstrahlte der König-Ludwig-Brunnen in neuer Schönheit an der alten Kirchenmauer am Grassauer Dorfplatz mit prächtigen Baumgruppen als Hintergrund vor dem alten Bau des Kirchturms.

Zur Feier dieser Sanierung wurde ein Festausschuss unter Leitung von Dr. Franz Zech gegründet. Dieser bereitete eine Festveranstaltung für den 9. August 1959 vor, zu der alle heimattreuen Chiemgauer Vereine eingeladen wurden. In der Einladungsbroschüre schrieb Dr. Zech: »Die König-Ludwig-Feier soll keine politische Kundgebung sein, sondern vielmehr einzig und allein der Verehrung der Person König Ludwig II. von Bayern gelten, dem Bayern und speziell der Chiemgau so viel zu verdanken haben. Durch die Erbauung des Prunkschlosses Herrenchiemsee ist der Chiemsee und damit auch der Chiemgau zu einem Weltreiseziel geworden, das Königsschloss auf der Herreninsel ist eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges, die von Reisenden aus aller Herren Länder bewundert wird. Dem ideal gesinnten König verdankt der Chiemgau auch die Rettung der Insel Herrenwörth selbst, die in den 70er Jahren von Spekulanten hatte vollkommen abgeholzt werden sollen. Dem »Märchenkönig« Ludwig II. verdankt das Bayernland außerdem die gleichfalls berühmten Königsschlösser Linderhof und Neuschwanstein, sowie die Ausschmückung des Schlosses Berg am Starnberger See im Geist der Tonschöpfungen Richard Wagners.

In Grassau hat der Veteranen- und Kriegerverein vor einem halben Jahrhundert diesem kunstsinnigen Monarchen in Form eines »König-Ludwig-Brunnens« auf dem Kirchplatz ein Denkmal gesetzt, das freiwilligen Spenden des Chiemgauer Volkes errichtet worden ist. Es war das erste Denkmal dieser Art auf dem Lande in unserer bayerischen Heimat. Im Jahre 1959 hat man den vor dem Verfall stehenden »König-Ludwig-Brunnen« in würdiger Weise renoviert. Seine Wiederherstellung ist der Anlaß zu der bevorstehenden »König-Ludwig-Feier«, zu der alle heimattreuen Chiemgauer, die Veteranen- und Kriegervereine, die Gebirgsschützen, Trachtenvereine und sonstigen Verehrer dieses Märchenkönigs herzlich eingeladen sind.«

Nachdem am Samstag, dem 8. August 1959 abends das Fest mit einem Standkonzert vor dem Denkmal mit Illumination und dem Abbrennen von Bergfeuern eingeleitet wurde, folgte am Sonntag nach dem Empfang der Vereine und dem Kirchenzug eine Festmesse. Die Festpredigt hielt Prof. Dr. Hugo Lang OSB, Abt von München - St. Bonifaz und Kloster Andechs. Dem folgte der Festakt vor dem König-Ludwig-Denkmal mit der Festansprache von Dr. Franz Zech unter dem Thema »König Ludwig II. und der Chiemgau«. Dem schloss sich der Festzug an.

Am folgenden Tag war in der Zeitung zu lesen: »An die 5000 Besucher, über 30 Trachten- und Veteranenvereine aus dem gesamten Chiemgau und darüber hinaus, kamen am 9. August nach Grassau zur König-Ludwig II.-Feier. Sie wurde anläßlich der Wiederinstandsetzung des König-Ludwig-Brunnens am Kirchplatz veranstaltet. Dr. Franz Zech - Grassau, der Initiator des Festes, sprach vor dem geschmückten Denkmal über König Ludwig II. Prominenteste Gäste waren Prinzessin Helmtrud, die Schwester von Kronprinz Rupprecht und Prinz Ludwig, ein Neffe von ihr, als Vertreter des Hauses Wittelsbach. Die Wackersberger Gebirgsschützen sind mit 70 Mann und einer eigenen Musikkapelle zu diesem Fest aus dem Isartal gekommen. Im Festzug wurde ein Wagen flankiert von Pagen, in der Tracht zur Zeit König Ludwigs II., mitgeführt. In einem goldenen Lorbeerkranz waren die Insignien Ludwig II. angebracht.« 1961 wurde auf Initiative von Dr. Zech auf der Rückseite des Brunnens das Holzkreuz befestigt, das im Starnberger See den Todesort von König Ludwig II. markierte. Neben dem Holzkreuz ist auf dem Denkmal zu lesen: »Dieses Kreuz befand sich von 1929 - 1961 an der Stelle im Starnberger See, an der König Ludwig II. von Bayern am 13. Juni 1886 ums Leben kam.«

1970 musste wegen der Verbreiterung der Bundesstraße die Kirchenmauer und damit auch das Kriegerdenkmal abgerissen werden. Durch den Abbruch der Kirchenmauer wurde auch der König-Ludwig-Brunnen in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb wurde durch den Gemeinderat gleich eine Neugestaltung des Brunnens in Auftrag gegeben. Die Planung wurde durch Mathias Hörterer erstellt.

Am Donnerstag dem 12. Juni 1986 wurde eine König-Ludwig-Gedenkfeier zum 100. Todestag am Brunnen veranstaltet. Am späten Abend marschierten die Gebirgsschützenkompanien aus Unterwössen und Prien zum König-Ludwig-Brunnen vor der Pfarrkirche. Dort spielten die Marktkapelle Grassau und der Spielmannszug der Gebirgsschützen-Kompanie Prien den großen bayerischen Zapfenstreich. Zu dieser Gedenkveranstaltung hatte sich auch Herzog Max in Bayern angekündigt. Anlässlich dieser Veranstaltung gab die Marktgemeinde eine Gedenkmünze in einer Auflage von 500 Stück heraus.

Im Rahmen der Ortssanierung ist auch der Bereich um den Brunnen hergerichtet und neu möbliert worden. Der Platz lädt die Einheimischen und Gäste verstärkt zum Verweilen ein. Der Vorschlag, aus dem Marktgemeinderat auf dem Platz vor dem Verkehrsamt ein Straßencafé zu verwirklichen wurde wegen der räumlichen Gegebenheiten verworfen. Im Rahmen der Ortssanierung wurde auch der Weg jenseits der Bundesstraße, der direkt am Gasthof zur Post zum Hefterstadl führt, hergerichtet und vom Marktgemeinderat zu Ehren des Ehrenbürgers und König-Ludwig II.-Verehrers als Dr. Franz-Zech-Weg benannt.

Am 13. August 2006 veranstaltete der Markt Grassau ein Brunnenfest am König-Ludwig-Brunnen. Anlass des Festes war das 95-jährige Bestehen des Brunnens, der 120. Todestag von König Ludwig II. wie auch die Ausrufung der Monarchie in Bayern vor 200 Jahren. Nicht nur der große Festzug mit den Grassauer und Rottauer Vereinen mit ihren Fahnenabordnungen, den Priener Gebirgsschützen und den Schlechinger Samern war ein großer Erfolg sondern auch das anschließende Fest im Hefterstadl. Die Festansprache hielt der weithin bekannte Georg Lohmaier. Die Bewirtung durch den Grassauer Trachtenverein funktionierte hervorragend und auch die Musik der Marktkapelle und anschließend der Grassauer Musikanten erfreute die Besucher.

Das nächste Brunnenfest ist für den 10. Juli 2011 zum 100-jährigen Bestehen des König-Ludwig-Brunnens geplant.

Olaf Gruß



17/2011