»... waß uns durch Feur und Schwerdt aufgetragen worden«
Ereignisse in der Stadt Traunstein während des spanischen Erbfolgekrieges – Teil II

Stadtbrand Traunstein am 23. August 1704. In der Gnadenkapelle in Altötting hängt dieses historische Gemälde mit fogender Inschrift: Gelöbnistafel der Bürgerschaft Traunsteins in Folge des während des spanischen Erbfolgekrieges am 23. 8. 1704 durch österreichische Kriegsvölker unter General Butenstein angelegten Brandes. – Erneuert 1862.

Panduren des Oberst von Wetzel zünden am 23. August 1704 die Stadt Traunstein an. In der Siegsdorfer Pfarrkirche hat der Trostberger Rokokomaler Joseph Soll dieses Deckengemälde von dem Stadtbrand geschaffen.

Michael Wening, 1701, Ansicht der Stadt Traunstein drei Jahre vor dem Stadtbrand.
Der Stadtbrand von 1704 – Zerstörung des mittelalterlichen Stadtbildes
Am 22. August zogen die regulären Truppen aus Traunstein ab. Zurück blieb das raub- und plünderungssüchtige Gesindel des Oberst von Wetzel. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Tatsächlich ging das Gerücht um, dass die Stadt bald brennen würde. Schließlich wurde dem Salzmaier eine Botschaft zugebracht, welche die geplante Brandlegung bereits konkretisierte. Viele Bürger nahmen die Vorwarnung ernst und flüchteten mit ihrer Habe in das Kapuzinerkloster. In der darauffolgenden Nacht zum 23. August 1704 sollte sich die düstere Vorahnung bestätigen. Mit brennenden Pechkränzen zündeten die Panduren an zwei entgegengesetzten Punkten die Stadt an, die nach kurzer Zeit in hellen Flammen stand. Um die Feuersbrunst richtig zu entfachen, warfen sie an verschiedenen Stellen brennende Pechkränze in die Häuser. Niemand durfte löschen; wer es dennoch versuchte, dem wurde der Wasserschäffel abgenommen und ins Feuer geworfen. Erst nach wiederholten Bitten der Kapuziner erlaubte man den Bürgern zu retten, was noch zu retten war. Da das Kapuzinerkloster vollständig ausgeplündert wurde, ging auch der ausgelagerte Besitz der Traunsteiner Bürgerschaft verloren. In ihrer Verzweiflung verfaßssten die Stadtväter ein Schreiben an den Kurfürsten, der längst nicht mehr im Land war und beteuerten ihre Loyalität und Amtspflicht, die sie auch den feindlichen Truppen »nolens und volens« hatten zukommen lassen:
»Unangesehen dessen, aber ist Freytag, den 22. August verwichen, under dem Kommando des kaysl. Obristen Wetzel die unglicksellige Statt Traunstain mit etlich tausend Man daß anderte Mall yberfallen und nit nur allein mit hartten Preßurn sehr gefugstiget, sondern auch dieser vohlckhreiche Orth noch selbige Nacht zwischen 12 und ain Uhr an underschiedlichen Orthen angezündt und daß Prennen dermassen unbarmherzig vortgesetzt worden, daß neben den beeden großen Salz- und Traidtstädln gegen Haslach werts, die ganze Statt von dem obern bis zu dem undern Thor, sambt dem neuerpauten schönen Gottshaus und all andern Gepeyen dergestalten laider in die Aschen gelegt worden, daß nit die geringste Wohnung darin salviert werden können. Welches der armen Bürgerschafft und Inwohnern umb soviel mehrers erschröckhlich und schmerzlicher, weillen die feindtlichen Soldaten in grosser Menge auf allen Saitten ausser der Statt den armen flichtigen Laithen vorgewartet, selbige bis auf den letzten Kreizer völlig beraubt und noch dazue sehr thiranisch tractiert haben, daß allso nit woll khann ausgesprochen werden, was die arme Bürgerschafft mit ihren Weib und Khindern für Jammer und Elend ausgestanden und bey so gestallter Ursachen noch weiters in Gefahr und Sorgen stehen muß«.
Eine Tafel im Heimathaus erinnert an jene Schicksalsnacht vom 23. August 1704 und schildert in einer Kartusche im unteren Bildteil chronologisch das Ausmaß des Brandes.
»Nr. 1 Ergriffe das Feyer zwischen 12 und 1 Uhr Mitternacht des Georg Erls Bürger und Sailler Hauß alllhier.
Nr. 2 Bald darnach hat Ihro Hochwürden, der Herr Pfarrer, das hl. + geflehnt.
Nr. 3 Zwischen 4 und 5 Uhr ist das Venerabile aus dem Gottshauß flüchtig getragen worden.
Nr. 4 Ist um 5 Uhr der Kirchturm sambt der Glocken zusammen gefallen19.
Nr. 5 Umb 6 Uhr haben die Patres Capucini das hochwürdige Gut aus ihrer Kirchen in den großen Garten iber gegen der Strassen geflehnt sambt andern Kirchensachen.
Nr. 6 Zwischen 6 und 7 Uhr seindt die woll hochwürden Herrn P.P. Capucini in den kaiserlichen Lager fußfallig bitten gangen an den Obrist Wetzl, daß die Panthuren ihres armen Klosters verschonen.
Nr. 7 Zwischen 9 und 10 Uhr ist der ander Thurm eingefahlen und alsdann die ganze Stadt (?) feyrig abgebrunnen. Zuerst ging aber das Feyer an die Metzger, den Bader, vorder Müller, den Mautthurm, was in Holtzwerk abgetragen worden.
Nr. 8 das weiß Präuhauß
Nr. 9 das Rathhauß
Nr. 10 der wa... (nicht lesbar)
Nr. 11 das vorder Thor
Nr. 12 die Aukirchen
Nr. 13 die Salzstadel, Pfannheißer, Schaumburgergschlößl
Nr. 14 heil. Gottsacker
Nr. 15 Stadt-Prun
Nr. 16 das Author
Nr. 17 ... (nicht lesbar)«.
Dieser Brand von 1704 hat das Stadtbild Traunsteins radikal verändert. Führt man sich den Stich von Michael Wening vor Augen, wird der substanzielle Bauverlust überdeutlich. Mit dem Einsturz des gotischen Turmes von St. Oswald sowie der niedergebrannten Törringischen Veste, des Rathauses, des oberen und unteren Turmes (später im Volksmund: »Jacklturm«), des Mautturmes und großer Teile der alten Ringmauer verschwanden die prägnantesten Stilmale der Gotik. Das wohl bedeutendste Renaissancegebäude, das um 1540 von Hanns von Schaumburg erbaute Schloss Neugereut, fiel ebenfalls in Schutt und Asche und wurde nicht mehr errichtet. Nur noch ganz wenige zusammenhängende Stadtbereiche blieben erhalten, so die Schaumburger- oder Schrödlgasse, der Vorberg und die Wiese. Auch die Gottesackerkirche und das Kapuzinerkloster wurden von den Flammen verschont. Ein Motiv für die folgenschwere Brandlegung ist in den Akten nicht erkennbar. Vermutlich handelte es sich um einen Racheakt für einen Überfall auf einen österreichischen Geldwagen bei Siegsdorf. Unter den Wegelagerern sollen sich auch einige Traunsteiner befunden haben. Vor seinem endgültigen Abzug nach Tirol nahm von Guttenstein noch den Salzbeamten Jakob Herb, den Ratsherrn und Höllbäcker Martin Mayr und den kurfürstlichen Braumeister Christoph Huber als Geiseln mit. Zur Auslösung wies das Rentamt Burghausen 12000 Gulden an, welche aber nicht vollständig aufgewendet werden mußssten.
Die Folgen des Stadtbrandes waren jedenfalls schwerwiegend und nur mit äußerster Kraftanstrengung zu beheben. Der kurfürstliche Hofbaumeister Lorenzo Sciasca erhielt den Auftrag die verwüstete Stadtkirche St. Oswald wiederherzustellen. Das eingestürzte Gewölbe des Langhauses wurde mit einem Aufwand von 54000 Ziegelsteinen eingezogen. Am 16. Juli 1707 konnte die Einweihung der notdürftig erneuerten Kirche stattfinden, jedoch dauerte es bis zum Jahr 1734, bis die größtenteils ausgebrannte Innenausstattung des Gotteshauses vollständig erneuert war. Der höhergeführte Turm erhielt eine einfache Zwiebelbekrönung. An ihm konnte bereits im Jahre 1706 ein neues Geläut aufgezogen werden.
Um neben dem kirchlichen möglichst schnell zu einem geordneten politischen Gemeinwesen zurückzugelangen, waren vor allem die Amtsgebäude, die wichtigsten Bauten für den wirtschaftlichen Fortbestand der Stadt und die Anlagen zur Wahrung der inneren Sicherheit vorrangig – eben alles »was bey der abgeprennten Statt Traunstain vor underschidliche Gebey, am Nuz und Nothwendigsten zu erhöben sei«. Priorität kam dabei dem raschen Wiederaufbau des Rathauses mit den Schreibstuben und der Stadtschreiberwohnung zu, nicht zuletzt auch »aus Ursachen, weillen darunder die Traidt- und Brodthütten vorhanden, woran der Bürgerschaft und Gemein nit allein sehr vill gelegen, sondern auch gemeine Statt darvon gwisse Einkonfften hat«. Aus wirtschaftlichen Gründen sollte auch der lange Salzstadel zur Niederlage des Reichenhaller Salzes schnellstens wiedererrichtet werden, »worvon gemeiner Statt ab jeder Scheiben 1 Schwarzer Pfennig genedigist bewilliget worden«. Zur Wiederbelebung des Salzhandels mußssten vorrangig die Salzauflegerherbergen, die Wohnungen des Salzfertigers und des Pflasterzolleinnehmers fertiggestellt werden, »damit dardurch die Salz Niederlag umb sovil mehr befördtert und gemeiner Statt hirvon die jerlichen Zinsungen genüssen khann«. Um den Pflasterzoll erheben zu können, mußssten die Türme und Tore wiederhergestellt werden, nicht zuletzt deshalb, »damit die Statt zu Versicherung der Chfl. Camergütter widerumben nachtszeit kann geschlossen werden«. An das Weiterbestehen des Schulwesens wurde ebenfalls zuvorderst gedacht. Mangels geeigneter Ausweichmöglichkeiten plante man, den Schulhausbau unverzüglich durchzuführen. Ebenso sollte an einem geeigneten Ort eine Stadtuhr wieder Tag und Stunde anzeigen. Große Sorgen bereitete die Instandsetzung der total ruinierten Ringmauer, deren Kosten man noch nicht abschätzen konnte. Allerdings, so ließ man verlauten, »erbitt man sich nur das Nothwendigste anzuweissen und sovill (als) möglich mit eingezogener Handt zu pauen«.
Die Schäden im Salinenbereich waren ebenfalls nicht unerheblich. Vor dem Abzug der Guttensteinschen Truppen wurde, ohne das übliche vorherige Löschen, eine glühende Pfanne »samt dem darin befindlichen Laab umgeworfen« und derart ruiniert, dass sie unbrauchbar wurde. Eine zweite Pfanne zeigte wegen Überhitzung ebenfalls »starkhe Brandtzaichen« und mußsste ausgebessert werden. Durch das Abbrennen der hölzernen Traunbrücke war auch der »Salzfluß« (Soleleitung) unterbrochen. Der Salzmaieramtskasten und die dazugehörigen Getreidemeßssvorrichtungen gingen in Rauch auf, dazu der sogenannte »lange Stockh« in der Au, ein Arbeiterblock, dessen Bewohner »starckh umb ihre Gwändungen und anders khommen« und in ihren Bettgewändern in die Salinenkapelle flüchteten. Da diese aber ebenfalls »in Rauch aufgangen« war, wurden die obdachlosen Salzarbeiterfamilien kurzzeitig in den Lagerräumen der Saline untergebracht, wo sie sich »neben ihrer harten Arbeit der plossen Pankh oder Stro bediennen« mussten. Für die Wiederherstellung und Errichtung der öffentlichen Gebäude und Einrichtungen der Stadt wies die Hofkammer aus den eingegangenen Brandschatzungsgeldern 5035 Gulden an. Sie forderte diesbezüglich einen Verwendungsnachweis, der die trostlose finanzielle Lage der Stadt offenbarte. Als weitere Soforthilfe erhielt die Stadt die Zinsen aus den Kriegsanleihen der Jahre 1686 und 1699 erstattet sowie den Rest des Geldes, welches das Rentamt Burghausen zur Auslösung der Traunsteiner Geiseln an den Haslacher Pfarrer Andensteiner übersandt hatte.
Allen Widerwärtigkeiten zum Trotz konnte der Rat der Stadt im Oktober des Jahres 1704, also bereits drei Monate nach dem Brandunglück, eine ansehnliche Bilanz aufweisen. Der vordere und hintere Stock des Rathauses waren bereits bezugsfertig. Das äußere Tor samt dem oberen und unteren Turm sahen der Vollendung entgegen. Die Salzfertigerwohnung und das Schulmeisterhaus waren vom Brandschutt befreit und neu aufgebaut worden. Der obere kleine Salzstadel war mit allem Zubehör neu errichtet, das obere und untere Stadttor eisern beschlagen und eingefasst worden. Ebenso hingen die kleinen Stadttürl wieder in den Angeln und ließen sich versperren. Der obere und der untere Turm erhielten neue Dachstühle mit Scharnschindeleindeckungen, der obere eine einliegende Stadtknechtswohnung. Desgleichen wurde die Uhr am Vorberg abgebrochen, repariert und auf den unteren Turm transferiert.
Diesen Erfolgen stand zum Jahreswechsel 1705/06 allerdings auch eine Vielzahl von Problemen gegenüber, deren Lösung angesichts leerer Kassen Sorgen bereitete. Neben vielen kleineren Dringlichkeiten war dabei an erster Stelle die Ringmauer zu nennen, die nur notdürftig ausgebessert worden war. Der untere lange Salzstadel zeigte noch immer unverändert das Bild einer Brandruine und das für die »Auferziehung der Jugend« so notwendige Schulgebäude war immer noch »ein plosser Stainhauffen«. Allein zum Aufbau des langen Salzstadels wären nach Schätzungen zwei- bis dreitausend Gulden vonnöten gewesen, eine astronomische Summe angesichts der Tatsache, dass in den Kammerbüchern dieser Zeit vorrangig in Kreuzern gerechnet wurde. So dauerte es bis zum Winter des Jahres 1707, ehe man an das wirtschaftlich so wichtige Projekt herangehen konnte, wofür die Stadt aus den Salzamtswaldungen des »Oeschen« das Bauholz erhielt.
Weitaus mehr Mühe aber bereitete den brandgeschädigten Bürgern der Stadt die Wiedererrichtung ihrer Wohnhäuser. Allerorten fehlte es an den notwendigen Geldmitteln: »Abermassen auch die Bürgerschafft zu Widererpauung irer Heyser und Wohnungen ein herzliches Verlangen verspieren lasset, in sonderbar gnädigster Erwägung, (daß) wir allenthalben mit der hegsten Feindtsgefahr umbfangen sein und fürchten, gar kein Refugium zu suechen wissen, sondern bey den (zu) erwartenden Frost- und Wünderszeit(en) sambt den unsrigen gleichsam auf weitem Feldt ganz hilf- und trostlos crepiren und verderben müssen«. Selbst ein ehedem so vermögender Mann wie der Ratsherr Balthasar Oberhuber erachtete es nicht als peinlich, von seinem Pfarrer die einstens verliehenen 43 Gulden und 45 Kreuzer einzubitten, »zuemallen ich bey disen bedrangten Zeiten daß Meinige hegstens bedürfftig bin, und deretwegen ich eine(n) so starckhe(n) Post(en) nit gleich also verschmerzen kann«. Vielen Bürgern musste die Stadt »wegen der feindtlichen Einäscherung« die Zinsen erlassen, beziehungsweise stunden, »weillen augenscheinlich unmöglich, daß Beklagte die Hauß- und Stadtlbrandtstatt widerumben erhöben khönnen«. Auch das sogenannte »Feuerstuckh«, eine vom Magistrat erhobene Brandabgabe, konnte von vielen nicht aufgebracht werden und musste zum Ende des Jahres 1705 mit einem Außenstand von 900 Gulden gebucht werden. Einige Bürger hatten der Stadt noch vor der Brandnacht hohe Geldmittel geborgt, damit diese die Forderungen der Besatzer erfüllen konnte. Es erging vielen, wie dem Gastwirt Haunertinger, der um den Wiedererhalt seiner 400 Gulden kämpfte, um neu anfangen zu können. Sorgen um sein Vermögen musste sich vor allem aber der Weinwirt und Bürgermeister Oswald Gruber machen. Nachdem er der Stadt etliche Male mit großem finanziellem Engagement ausgeholfen hatte stand nun auch er vor dem finanziellen Abgrund und hoffte, wenigstens einen Teil wiederzubekommen, »zumal ich bey ermelten Brandt und Plünderung nach meniglichen Wissen über 10000 fl (= Gulden) Schaden gelitten, ohne (dem), was mich die Quartier und fünfzig Maß, (die) ich jederzeit (an) das Hauptquartier hab tragen miessen, neben anderen Puerten und Ausgaben zu meinen eissersten Ruin gekostet haben, ... welch man mir vor Gott und der Welt, weilen selbe imediate der Gemain und der Bürgerschaft zu guetten kommen, widerumb zu ersetzen«.
Ein besonders hartes Schicksal aber hatten jene Bürgerskinder, die durch das Brandgeschehen zu mittellosen Vollwaisen geworden waren, wie zum Beispiel die Maria Barbara Niederleithnerin. Sie erbat Unterstützung von Stadt und Salzmaieramt, um über die Hofkammer zumindest die ausstehenden Forderungen ihrer zu Tode gekommenen Mutter zu erhalten. Ein – im Verhältnis zum Gesamtschaden – geringer Betrag von 96 Gulden stand da zur Disposition, aber welche Hoffnung war damit verknüpft: »Euer Gnaden erweise hirdurch ein Werckh der Barmherzigkeit, so der Allerhöchste hie zeitlich und dort ewig reichlichen belohnen würdt«.
AR
Teil 1: Siehe Chiemgau-Blätter Nr. 33/2004
34/2004
Am 22. August zogen die regulären Truppen aus Traunstein ab. Zurück blieb das raub- und plünderungssüchtige Gesindel des Oberst von Wetzel. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Tatsächlich ging das Gerücht um, dass die Stadt bald brennen würde. Schließlich wurde dem Salzmaier eine Botschaft zugebracht, welche die geplante Brandlegung bereits konkretisierte. Viele Bürger nahmen die Vorwarnung ernst und flüchteten mit ihrer Habe in das Kapuzinerkloster. In der darauffolgenden Nacht zum 23. August 1704 sollte sich die düstere Vorahnung bestätigen. Mit brennenden Pechkränzen zündeten die Panduren an zwei entgegengesetzten Punkten die Stadt an, die nach kurzer Zeit in hellen Flammen stand. Um die Feuersbrunst richtig zu entfachen, warfen sie an verschiedenen Stellen brennende Pechkränze in die Häuser. Niemand durfte löschen; wer es dennoch versuchte, dem wurde der Wasserschäffel abgenommen und ins Feuer geworfen. Erst nach wiederholten Bitten der Kapuziner erlaubte man den Bürgern zu retten, was noch zu retten war. Da das Kapuzinerkloster vollständig ausgeplündert wurde, ging auch der ausgelagerte Besitz der Traunsteiner Bürgerschaft verloren. In ihrer Verzweiflung verfaßssten die Stadtväter ein Schreiben an den Kurfürsten, der längst nicht mehr im Land war und beteuerten ihre Loyalität und Amtspflicht, die sie auch den feindlichen Truppen »nolens und volens« hatten zukommen lassen:
»Unangesehen dessen, aber ist Freytag, den 22. August verwichen, under dem Kommando des kaysl. Obristen Wetzel die unglicksellige Statt Traunstain mit etlich tausend Man daß anderte Mall yberfallen und nit nur allein mit hartten Preßurn sehr gefugstiget, sondern auch dieser vohlckhreiche Orth noch selbige Nacht zwischen 12 und ain Uhr an underschiedlichen Orthen angezündt und daß Prennen dermassen unbarmherzig vortgesetzt worden, daß neben den beeden großen Salz- und Traidtstädln gegen Haslach werts, die ganze Statt von dem obern bis zu dem undern Thor, sambt dem neuerpauten schönen Gottshaus und all andern Gepeyen dergestalten laider in die Aschen gelegt worden, daß nit die geringste Wohnung darin salviert werden können. Welches der armen Bürgerschafft und Inwohnern umb soviel mehrers erschröckhlich und schmerzlicher, weillen die feindtlichen Soldaten in grosser Menge auf allen Saitten ausser der Statt den armen flichtigen Laithen vorgewartet, selbige bis auf den letzten Kreizer völlig beraubt und noch dazue sehr thiranisch tractiert haben, daß allso nit woll khann ausgesprochen werden, was die arme Bürgerschafft mit ihren Weib und Khindern für Jammer und Elend ausgestanden und bey so gestallter Ursachen noch weiters in Gefahr und Sorgen stehen muß«.
Eine Tafel im Heimathaus erinnert an jene Schicksalsnacht vom 23. August 1704 und schildert in einer Kartusche im unteren Bildteil chronologisch das Ausmaß des Brandes.
»Nr. 1 Ergriffe das Feyer zwischen 12 und 1 Uhr Mitternacht des Georg Erls Bürger und Sailler Hauß alllhier.
Nr. 2 Bald darnach hat Ihro Hochwürden, der Herr Pfarrer, das hl. + geflehnt.
Nr. 3 Zwischen 4 und 5 Uhr ist das Venerabile aus dem Gottshauß flüchtig getragen worden.
Nr. 4 Ist um 5 Uhr der Kirchturm sambt der Glocken zusammen gefallen19.
Nr. 5 Umb 6 Uhr haben die Patres Capucini das hochwürdige Gut aus ihrer Kirchen in den großen Garten iber gegen der Strassen geflehnt sambt andern Kirchensachen.
Nr. 6 Zwischen 6 und 7 Uhr seindt die woll hochwürden Herrn P.P. Capucini in den kaiserlichen Lager fußfallig bitten gangen an den Obrist Wetzl, daß die Panthuren ihres armen Klosters verschonen.
Nr. 7 Zwischen 9 und 10 Uhr ist der ander Thurm eingefahlen und alsdann die ganze Stadt (?) feyrig abgebrunnen. Zuerst ging aber das Feyer an die Metzger, den Bader, vorder Müller, den Mautthurm, was in Holtzwerk abgetragen worden.
Nr. 8 das weiß Präuhauß
Nr. 9 das Rathhauß
Nr. 10 der wa... (nicht lesbar)
Nr. 11 das vorder Thor
Nr. 12 die Aukirchen
Nr. 13 die Salzstadel, Pfannheißer, Schaumburgergschlößl
Nr. 14 heil. Gottsacker
Nr. 15 Stadt-Prun
Nr. 16 das Author
Nr. 17 ... (nicht lesbar)«.
Dieser Brand von 1704 hat das Stadtbild Traunsteins radikal verändert. Führt man sich den Stich von Michael Wening vor Augen, wird der substanzielle Bauverlust überdeutlich. Mit dem Einsturz des gotischen Turmes von St. Oswald sowie der niedergebrannten Törringischen Veste, des Rathauses, des oberen und unteren Turmes (später im Volksmund: »Jacklturm«), des Mautturmes und großer Teile der alten Ringmauer verschwanden die prägnantesten Stilmale der Gotik. Das wohl bedeutendste Renaissancegebäude, das um 1540 von Hanns von Schaumburg erbaute Schloss Neugereut, fiel ebenfalls in Schutt und Asche und wurde nicht mehr errichtet. Nur noch ganz wenige zusammenhängende Stadtbereiche blieben erhalten, so die Schaumburger- oder Schrödlgasse, der Vorberg und die Wiese. Auch die Gottesackerkirche und das Kapuzinerkloster wurden von den Flammen verschont. Ein Motiv für die folgenschwere Brandlegung ist in den Akten nicht erkennbar. Vermutlich handelte es sich um einen Racheakt für einen Überfall auf einen österreichischen Geldwagen bei Siegsdorf. Unter den Wegelagerern sollen sich auch einige Traunsteiner befunden haben. Vor seinem endgültigen Abzug nach Tirol nahm von Guttenstein noch den Salzbeamten Jakob Herb, den Ratsherrn und Höllbäcker Martin Mayr und den kurfürstlichen Braumeister Christoph Huber als Geiseln mit. Zur Auslösung wies das Rentamt Burghausen 12000 Gulden an, welche aber nicht vollständig aufgewendet werden mußssten.
Die Folgen des Stadtbrandes waren jedenfalls schwerwiegend und nur mit äußerster Kraftanstrengung zu beheben. Der kurfürstliche Hofbaumeister Lorenzo Sciasca erhielt den Auftrag die verwüstete Stadtkirche St. Oswald wiederherzustellen. Das eingestürzte Gewölbe des Langhauses wurde mit einem Aufwand von 54000 Ziegelsteinen eingezogen. Am 16. Juli 1707 konnte die Einweihung der notdürftig erneuerten Kirche stattfinden, jedoch dauerte es bis zum Jahr 1734, bis die größtenteils ausgebrannte Innenausstattung des Gotteshauses vollständig erneuert war. Der höhergeführte Turm erhielt eine einfache Zwiebelbekrönung. An ihm konnte bereits im Jahre 1706 ein neues Geläut aufgezogen werden.
Um neben dem kirchlichen möglichst schnell zu einem geordneten politischen Gemeinwesen zurückzugelangen, waren vor allem die Amtsgebäude, die wichtigsten Bauten für den wirtschaftlichen Fortbestand der Stadt und die Anlagen zur Wahrung der inneren Sicherheit vorrangig – eben alles »was bey der abgeprennten Statt Traunstain vor underschidliche Gebey, am Nuz und Nothwendigsten zu erhöben sei«. Priorität kam dabei dem raschen Wiederaufbau des Rathauses mit den Schreibstuben und der Stadtschreiberwohnung zu, nicht zuletzt auch »aus Ursachen, weillen darunder die Traidt- und Brodthütten vorhanden, woran der Bürgerschaft und Gemein nit allein sehr vill gelegen, sondern auch gemeine Statt darvon gwisse Einkonfften hat«. Aus wirtschaftlichen Gründen sollte auch der lange Salzstadel zur Niederlage des Reichenhaller Salzes schnellstens wiedererrichtet werden, »worvon gemeiner Statt ab jeder Scheiben 1 Schwarzer Pfennig genedigist bewilliget worden«. Zur Wiederbelebung des Salzhandels mußssten vorrangig die Salzauflegerherbergen, die Wohnungen des Salzfertigers und des Pflasterzolleinnehmers fertiggestellt werden, »damit dardurch die Salz Niederlag umb sovil mehr befördtert und gemeiner Statt hirvon die jerlichen Zinsungen genüssen khann«. Um den Pflasterzoll erheben zu können, mußssten die Türme und Tore wiederhergestellt werden, nicht zuletzt deshalb, »damit die Statt zu Versicherung der Chfl. Camergütter widerumben nachtszeit kann geschlossen werden«. An das Weiterbestehen des Schulwesens wurde ebenfalls zuvorderst gedacht. Mangels geeigneter Ausweichmöglichkeiten plante man, den Schulhausbau unverzüglich durchzuführen. Ebenso sollte an einem geeigneten Ort eine Stadtuhr wieder Tag und Stunde anzeigen. Große Sorgen bereitete die Instandsetzung der total ruinierten Ringmauer, deren Kosten man noch nicht abschätzen konnte. Allerdings, so ließ man verlauten, »erbitt man sich nur das Nothwendigste anzuweissen und sovill (als) möglich mit eingezogener Handt zu pauen«.
Die Schäden im Salinenbereich waren ebenfalls nicht unerheblich. Vor dem Abzug der Guttensteinschen Truppen wurde, ohne das übliche vorherige Löschen, eine glühende Pfanne »samt dem darin befindlichen Laab umgeworfen« und derart ruiniert, dass sie unbrauchbar wurde. Eine zweite Pfanne zeigte wegen Überhitzung ebenfalls »starkhe Brandtzaichen« und mußsste ausgebessert werden. Durch das Abbrennen der hölzernen Traunbrücke war auch der »Salzfluß« (Soleleitung) unterbrochen. Der Salzmaieramtskasten und die dazugehörigen Getreidemeßssvorrichtungen gingen in Rauch auf, dazu der sogenannte »lange Stockh« in der Au, ein Arbeiterblock, dessen Bewohner »starckh umb ihre Gwändungen und anders khommen« und in ihren Bettgewändern in die Salinenkapelle flüchteten. Da diese aber ebenfalls »in Rauch aufgangen« war, wurden die obdachlosen Salzarbeiterfamilien kurzzeitig in den Lagerräumen der Saline untergebracht, wo sie sich »neben ihrer harten Arbeit der plossen Pankh oder Stro bediennen« mussten. Für die Wiederherstellung und Errichtung der öffentlichen Gebäude und Einrichtungen der Stadt wies die Hofkammer aus den eingegangenen Brandschatzungsgeldern 5035 Gulden an. Sie forderte diesbezüglich einen Verwendungsnachweis, der die trostlose finanzielle Lage der Stadt offenbarte. Als weitere Soforthilfe erhielt die Stadt die Zinsen aus den Kriegsanleihen der Jahre 1686 und 1699 erstattet sowie den Rest des Geldes, welches das Rentamt Burghausen zur Auslösung der Traunsteiner Geiseln an den Haslacher Pfarrer Andensteiner übersandt hatte.
Allen Widerwärtigkeiten zum Trotz konnte der Rat der Stadt im Oktober des Jahres 1704, also bereits drei Monate nach dem Brandunglück, eine ansehnliche Bilanz aufweisen. Der vordere und hintere Stock des Rathauses waren bereits bezugsfertig. Das äußere Tor samt dem oberen und unteren Turm sahen der Vollendung entgegen. Die Salzfertigerwohnung und das Schulmeisterhaus waren vom Brandschutt befreit und neu aufgebaut worden. Der obere kleine Salzstadel war mit allem Zubehör neu errichtet, das obere und untere Stadttor eisern beschlagen und eingefasst worden. Ebenso hingen die kleinen Stadttürl wieder in den Angeln und ließen sich versperren. Der obere und der untere Turm erhielten neue Dachstühle mit Scharnschindeleindeckungen, der obere eine einliegende Stadtknechtswohnung. Desgleichen wurde die Uhr am Vorberg abgebrochen, repariert und auf den unteren Turm transferiert.
Diesen Erfolgen stand zum Jahreswechsel 1705/06 allerdings auch eine Vielzahl von Problemen gegenüber, deren Lösung angesichts leerer Kassen Sorgen bereitete. Neben vielen kleineren Dringlichkeiten war dabei an erster Stelle die Ringmauer zu nennen, die nur notdürftig ausgebessert worden war. Der untere lange Salzstadel zeigte noch immer unverändert das Bild einer Brandruine und das für die »Auferziehung der Jugend« so notwendige Schulgebäude war immer noch »ein plosser Stainhauffen«. Allein zum Aufbau des langen Salzstadels wären nach Schätzungen zwei- bis dreitausend Gulden vonnöten gewesen, eine astronomische Summe angesichts der Tatsache, dass in den Kammerbüchern dieser Zeit vorrangig in Kreuzern gerechnet wurde. So dauerte es bis zum Winter des Jahres 1707, ehe man an das wirtschaftlich so wichtige Projekt herangehen konnte, wofür die Stadt aus den Salzamtswaldungen des »Oeschen« das Bauholz erhielt.
Weitaus mehr Mühe aber bereitete den brandgeschädigten Bürgern der Stadt die Wiedererrichtung ihrer Wohnhäuser. Allerorten fehlte es an den notwendigen Geldmitteln: »Abermassen auch die Bürgerschafft zu Widererpauung irer Heyser und Wohnungen ein herzliches Verlangen verspieren lasset, in sonderbar gnädigster Erwägung, (daß) wir allenthalben mit der hegsten Feindtsgefahr umbfangen sein und fürchten, gar kein Refugium zu suechen wissen, sondern bey den (zu) erwartenden Frost- und Wünderszeit(en) sambt den unsrigen gleichsam auf weitem Feldt ganz hilf- und trostlos crepiren und verderben müssen«. Selbst ein ehedem so vermögender Mann wie der Ratsherr Balthasar Oberhuber erachtete es nicht als peinlich, von seinem Pfarrer die einstens verliehenen 43 Gulden und 45 Kreuzer einzubitten, »zuemallen ich bey disen bedrangten Zeiten daß Meinige hegstens bedürfftig bin, und deretwegen ich eine(n) so starckhe(n) Post(en) nit gleich also verschmerzen kann«. Vielen Bürgern musste die Stadt »wegen der feindtlichen Einäscherung« die Zinsen erlassen, beziehungsweise stunden, »weillen augenscheinlich unmöglich, daß Beklagte die Hauß- und Stadtlbrandtstatt widerumben erhöben khönnen«. Auch das sogenannte »Feuerstuckh«, eine vom Magistrat erhobene Brandabgabe, konnte von vielen nicht aufgebracht werden und musste zum Ende des Jahres 1705 mit einem Außenstand von 900 Gulden gebucht werden. Einige Bürger hatten der Stadt noch vor der Brandnacht hohe Geldmittel geborgt, damit diese die Forderungen der Besatzer erfüllen konnte. Es erging vielen, wie dem Gastwirt Haunertinger, der um den Wiedererhalt seiner 400 Gulden kämpfte, um neu anfangen zu können. Sorgen um sein Vermögen musste sich vor allem aber der Weinwirt und Bürgermeister Oswald Gruber machen. Nachdem er der Stadt etliche Male mit großem finanziellem Engagement ausgeholfen hatte stand nun auch er vor dem finanziellen Abgrund und hoffte, wenigstens einen Teil wiederzubekommen, »zumal ich bey ermelten Brandt und Plünderung nach meniglichen Wissen über 10000 fl (= Gulden) Schaden gelitten, ohne (dem), was mich die Quartier und fünfzig Maß, (die) ich jederzeit (an) das Hauptquartier hab tragen miessen, neben anderen Puerten und Ausgaben zu meinen eissersten Ruin gekostet haben, ... welch man mir vor Gott und der Welt, weilen selbe imediate der Gemain und der Bürgerschaft zu guetten kommen, widerumb zu ersetzen«.
Ein besonders hartes Schicksal aber hatten jene Bürgerskinder, die durch das Brandgeschehen zu mittellosen Vollwaisen geworden waren, wie zum Beispiel die Maria Barbara Niederleithnerin. Sie erbat Unterstützung von Stadt und Salzmaieramt, um über die Hofkammer zumindest die ausstehenden Forderungen ihrer zu Tode gekommenen Mutter zu erhalten. Ein – im Verhältnis zum Gesamtschaden – geringer Betrag von 96 Gulden stand da zur Disposition, aber welche Hoffnung war damit verknüpft: »Euer Gnaden erweise hirdurch ein Werckh der Barmherzigkeit, so der Allerhöchste hie zeitlich und dort ewig reichlichen belohnen würdt«.
AR
Teil 1: Siehe Chiemgau-Blätter Nr. 33/2004
34/2004